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Mit dem Vortschrittsbalken nach forn!

Ich war mir nicht sicher, ob ich das im Radio richtig verstanden hatte: Dass Teilzeitanträge von Lehrern nur noch dann akzeptiert werden, wenn die betreffende Schule weiterhin den Unterricht gewährleisten kann. Ich hab dann noch mal im Internet geschaut und da las es sich auch: Eine Maßnahme, die in NRW dem Lehrkräftemangel entgegenwirken soll: Anträge auf Teilzeit sollen strenger geprüft und wenn möglich abgelehnt werden. Ich weiß nicht, bin ich eigentlich die einzige, oder liegt das daran, dass ich morgens immer tiefenentspannt auf dem Klo sitze, während ich Radio höre? Super Idee, dachte ich spontan. Hallo, wie wird denn dann die Realität aussehen? Was macht bitteschön ein Lehrer, der weniger arbeiten will, dem man es aber nicht erlaubt? Richtig: Entweder er wird oder er feiert krank. Der Unterricht fällt aus, nur mit dem Unterschied, dass das nicht planbar ist. Und zusätzlich bekommt der Lehrer sein volles Gehalt. Was kann es denn besseres geben, als einen Arbeitnehmer, der für weniger Arbeitsstunden auch weniger Geld bekommen möchte? Das ist jedenfalls keine Lösung!

Wo ich aber gerade in der Schule bin: Da gibt es ja jetzt ein ganz neues Thema, das wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird: Gamification (Hauptsache Englisch!). Lass mich raten – sagt dir nichts. Mir auch nicht, deshalb hab ich mich mal im Internet schlau gemacht:
Als Gamification (aus englisch game für „Spiel“) wird die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext bezeichnet. Zu diesen spieltypischen Elementen gehören unter anderem Erfahrungspunkte, Highscores, Fortschrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter oder Auszeichnungen. Durch die Integration dieser spielerischen Elemente soll im Wesentlichen eine Motivationssteigerung der Personen erreicht werden, die ansonsten wenig herausfordernde, als zu monoton empfundene oder zu komplexe Aufgaben erfüllen müssen.
Bei der Motivation gibt es generell zwei mögliche Varianten, zum einen die intrinsische Motivation und zum anderen die extrinsische Motivation. Die intrinsische Motivation stellt das grundlegende Wollen dar („Ich mache das, weil ich es will“), während die extrinsische Motivation auf einer zu erwartenden Belohnung basiert („Ich mache das, weil ich eine Gegenleistung erwarte“). Digitale Spiele können nach Ansicht von Experten die sogenannte intrinsische Motivation von Lernenden fördern. Dank der multimedialen Gestaltungsmöglichkeiten könnten auch komplexe Lerninhalte gut in digitalen Spielen dargestellt werden. Es geht also darum, sich von Seiten der Lehrenden diese spieltypischen Elemente im Unterricht zu Nutze zu machen, damit die Schüler motivierter an den vermeintlich uninteressanten Unterrichtsstoff herangehen. Neue Unterrichtskonzepte sollen stärker motivieren, sollen den Unterricht attraktiver machen. Mehr Spaß am Lernen heißt die Devise!

Ganz abgesehen davon, was ich mir als Lehrer einfallen lasse, um auch den letzten Vollpfosten zu motivieren. Nach relativ kurzer Zeit wird sich der Gewöhnungseffekt einstellen. Ist es nicht vielmehr notwendig, junge Menschen dahingehend zu „unterrichten“, dass das Leben kein Wunschkonzert, kein Ponyhof ist? Dass es im Winter morgens dunkel ist. Dass der Schulranzen auch mal recht schwer sein kann. Dass ich mich in der Schule auch mal mit Themen befassen muss, die mir nicht wirklich Spaß machen. Goethes Faust zu lesen hat mir nicht wirklich Spaß gemacht. Shakespeare auf Englisch zu lesen auch eher nicht. Wie heißt noch mal das Wort in diesem Zusammenhang? Wie heißt das, nachdem sich so viele Mädchen in Afghanistan sehnen? Warte, ich hab’s gleich: Man nennt es Bildung, Schulbildung! Ich hatte schon zu Corona-Zeiten den Gedanken, dass wenn man die Schulen für immer abgeschlossen hätte, viele es gar nicht bemerkt hätten, und viele es super gefunden hätten. Bildung ist für viele in unserem Lande offensichtlich kein Gut mehr, kein Wert mehr, das es täglich wertzuschätzen gilt. Bildung erleben zu dürfen ist für sich allein Freude pur! In die Schule gehen zu dürfen, zu können, ist Freude pur! Und wenn uns das heutzutage abwegig erscheint, müssen wir uns Strategien einfallen lassen, die genau dieses Bewusstsein wieder in die Köpfe unserer Kinder bringen. Da fällt mir zum Beispiel die Assembly ein: In britischen Schulen treffen sich die Schüler jeden Morgen in der Aula zur Assembly. Dort werden Dinge bekannt gegeben, über Themen gesprochen, die anstehen, gemeinsam gesungen und auch gemeinsam gebetet. Ja, da kann ich zum Beispiel auch Gott (wenn ich an ihn glaube) dafür danken, dass ich das große Glück habe, in einer Gemeinschaft zu leben, die sich auf die Fahne geschrieben hat, alle ihre Bürger zu bilden. Allen Menschen Bildung zuteil werden zu lassen. Dass es eine Schulpflicht gibt. Ja, die Pflicht, sich Wissen in die Birne zu kloppen. Schön, dass meine Töchter lernen durften. Schön, dass unsere Söhne nicht schon als kleine Jungen an die Waffen gezwungen werden, statt in die Schule zu gehen. Schön, dass unsere Kinder nicht, statt in den Schulen geistig, in Fabriken körperlich unter schlimmsten Bedingungen arbeiten müssen Schön, schön, schön! Was gefälligst soll und muss ich noch für Beispiele bringen, damit auch wirklich jedem klar wird: Schulbildung ist eine Errungenschaft.

Anderes Thema? Das Kölner Ausländeramt nimmt vorerst keine Anträge auf Einbürgerung mehr an, hieß es in den Medien. Weil es zu wenig Personal gibt, hat sich nach Angaben der Stadt Köln ein Berg von etwa 8000 Bewerbungen für die deutsche Staatsbürgerschaft aufgetürmt. Termine gibt es erst wieder ab 2025. Nun will die Stadt Köln das Personal verdreifachen. Mal ganz abgesehen, dass es kein Geheimnis war, dass das neue Gesetz zur Einbürgerung kommen würde und 2015/2016 eine sehr starke Zuwanderung stattgefunden hatte, die Stadt also rechtzeitig hätte erkennen müssen, dass da etwas auf sie zukommt. Mal ganz davon abgesehen, woher soll denn das neue Personal akquiriert werden? Wo sind die denn? Wo sollen die an anderer Stelle abgezogen werden? Es wird doch überall gesucht. Ich hätte da einen Vorschlag: Gremien, in denen sich neue Unterrichtsmodelle ausgedacht werden. Ausschüsse, die sich Worte wie Gamification oder Framing ausdenken. Zirkel, die sich in Brüssel die Verordnung Nr. 1677/88 ausgedacht haben: Einfach auflösen! Uns von ihnen befreien und freistellen! Da kommt bestimmt einiges an, und jetzt benutze ich auch mal ein englisches Wort. Da kommt einiges an Manpower zusammen, genügend Personal. Was glaubst du, wie schnell da der Berg im Ausländeramt abgearbeitet ist – vorausgesetzt, die können überhaupt einer nützlichen Arbeit nachgehen.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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