Onlinelesung
Ohne unmittelbaren Kontakt: Autoren lesen für Zuhörer im Netz
Bonn - Vergangene Woche fand eine Online-Lesung im Kreis Bonn zum Thema
„Geteilte Einsamkeiten“ statt. Nicht nur für die Leserschaft,
insbesondere auch für die sechs Autorinnen und Autoren, die an dem
Abend vortrugen, war die Veranstaltung ein wichtiger Ersatz. Damit die
Lesung kostenlos angeboten werden konnte, wurde sie vom Verband
deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller und der Gesellschaft
für Literatur in NRW gefördert.
„Ohne regelmäßige Lesungen fehlen die persönlichen Beziehungen
und die Freude, seine künstlerische Identität offen und lebendig
auszuleben. Und genau das vermisse ich auch. Eine Online-Lesung ist da
die beste Lösung, um in der Pandemiezeit gehört zu werden“,
erklärte Irma Shiolashvili, die im letzten Jahr mit ihrem zweiten
deutschsprachigen Buch „Kopfüber“ viel unterwegs gewesen ist. Die
Georgierin lebt seit einigen Jahren in Deutschland, schreibt ihre
Gedichte auf Georgisch und überträgt sie dann ins Deutsche. Das ist
nicht immer einfach, aber sie wurde sowohl vom Publikum als auch von
ihren deutschen Kolleginnen immer gut aufgenommen.
Doch obwohl das Publikum auch bei normalen Lesungen größtenteils
anonym bleibt: Die Online-Veranstaltung gehe noch ein ganzes Stück
weiter, so Eva Wal. „Zuerst hat es sich geradezu unheimlich
angefühlt, die Menschen am anderen Ende nicht zu sehen, doch man
gewöhnt sich schnell dran.“ Aufgeregt war die Schriftstellerin und
Herausgeberin von Kunstpublikationen trotzdem. Als eine der wenigen
Autoren der Veranstaltung hat sie dieses Jahr schon an anderen
Online-Lesungen teilgenommen und an Workshops via Internet
mitgearbeitet. „Autoren, Autorinnen und Publikum können
unkomplizierter teilnehmen, gerade, wenn man nicht reisen kann“,
erklärte Wal zu zwei Lesungen, die unter normalen Umständen in
Oxford stattgefunden hätten.
Matthias Buth dagegen, ein Lyriker und Essayist aus Wuppertal, dessen
Werke nicht nur in andere Sprachen übersetzt, sondern teils auch
vertont wurden, empfindet Online-Lesungen als erschreckend distanziert
und kann dem Format nicht viel abgewinnen. Doch gerade für Autoren,
die in kleinen Verlagen publizieren, sind Lesungen nicht nur als
finanzielles Standbein, sondern grundsätzlich für die Verbreitung
der eigenen Werke enorm wichtig. Harald Gesterkamp sorgt sich um den
Verkauf seines neuen Buches. „Meinen Roman ‚Humboldtstraße
Zwei‘ habe ich auf mehr als 25 Lesungen vorgestellt. Mit meinem
Erzählband ‚Rückkehr nach Schapdetten‘ bin ich hingegen nach
wenigen Monaten in die Pandemie gerasselt. Der Verkauf ist seitdem
fast zum Stillstand gekommen“, erklärte Gesterkamp. Kontakt zu
seinen Lesern hat er nur noch über Social Media und sporadisch per
Email. An der Organisation der Online-Lesung „Geteilte
Einsamkeiten“ hat er mitgearbeitet.
Hauptorganisatorin war die vielfach ausgezeichnete freie Autorin
Monika Littau, die aus ihrem neuen Buch „Die sehende Sintiza.
Buchela – Pythia von Bonn“ vorlas. Nächstes Jahr wird sie die
Organisation der Literaturveranstaltung postpoetry.NRW abgeben, die
dieses Jahr aufgrund von Corona nicht wie geplant stattfinden konnte.
Trotzdem bleibt sie optimistisch. „Ich bin sicher, dass die
positiven Erfahrungen aus der Corona-Zeit die Zukunft von
Literaturveranstaltungen durchaus beeinflussen werden.“
Die Moderatorin Gitta Edelmann, bei der seit März die meisten
Lesungen und Workshops, die sie normalerweise gibt, ausgefallen sind.
Viele Schulen hatten Anfang des Jahres bei Edelmann Lesungen
angefragt, da im Beethoven-Jahr ihr Kinderkrimi Ludwig und die Suche
nach dem Geheimcode auf viel Interesse gestoßen ist. „Zum Glück
hatte ich die Möglichkeit, in diesem Jahr ein Buch mehr zu schreiben,
als ursprünglich geplant“, so Edelmann.
Es wird wohl noch einige Online-Lesungen geben, bevor die sechs
Autorinnen und Autoren wieder persönlichen Kontakt zu ihrem Publikum
haben und ihre Bücher unter die Leute bringen können. Dennoch
bleiben Online-Veranstaltungen eine wichtige Alternative.
- Julia Cürten
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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