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Panik: Die Zahlen fallen!

Was in diesen Tagen ja so was von vorrangig ist, das ist die Frage nach der persönlichen Befindlichkeit. In welchem oder in wessen Körper stecke ich und, vor allem, hat man mich vorher gefragt? Gut, zunächst einmal stecke ich im Körper einer Frau, ohne vorher gefragt worden zu sein oder es hartnäckig hinterfragt zu haben. Und als Buddhistin ginge ich wohl einfach davon aus, in meinem vorigen Leben eine Schnecke oder ein Fisch gewesen zu sein. Und damit wäre es dann gut. Ich habe immer schon gefühlt, dass ich anders bin als andere. Nicht, dass ich damit nicht leben könnte, mit meiner, wie soll ich es formulieren, Neigung. Im Gegenteil, mittlerweile stehe ich dazu und freue mich darüber, habe mich mit meinem Schicksal arrangiert. Aber, ich denke, wir werden zu wenig wahrgenommen, wir Ombrophilen. Aktuell spricht die Wissenschaft nur von ombrophilen Tieren. Wir fühlen uns diskriminiert, weil wir bestenfalls als pluviophil gelten. Wir wollen aber als ombrophile Menschen anerkannt werden. Und dafür kämpfe ich! Auch wir haben ein Recht darauf, als Minderheit eine Stimme zu bekommen - wofür auch immer. Dafür setze ich mich ein. Davon abgesehen, gerade heutzutage ist es ja so was von Vorteil, ombrophil zu sein, also den Regen zu lieben: Je üsseliger das Wetter, je mehr Regen fällt, desto lieber bin ich draußen. Da gibt’s einfach weniger Menschen als bei Sonnenschein. Einfach toll in diesen Zeiten, wo einfach zu viele Deutsche in Deutschland rumhängen.
Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich bin mir gerade recht unsicher - nicht in was ich stecke, sondern wo ich lebe. Ich komm wegen der Bilder von Impfzentren drauf, die ich im Fernsehen sehe. Weil, so ein bisschen was von einem, immer mehr habe ich den Eindruck, dass ich quasi in einem Impfzentrum lebe. Diese riesigen Impfzentrum mit super ausgebauten Impfstraßen, also ein Impfzentrum mit einem Drive-In. Alles logistisch auf dem neuesten Stand, perfekt. Die Autos werden so was von fein geleitet, aber - es gibt nichts. Keinen Impfstoff.

Wie in Bonn! Also beeindruckend ist das schon, geradezu imposant, wie sie da so stehen, und vor allem so was von neu, und funktionieren tun sie, glaub ich, auch noch. Ich hab mich sogar schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich ein klein wenig stolz war, dass in Bonn überhaupt etwas funktioniert. Oh, schau mal, so wie ich in Aachen stundenlang den Dom bewundere, so stehe ich hier in Bonn davor. Jedes Mal, wenn ich mit meinem Rad die Kölnstraße Richtung Stadt fahre, lese ich am Ring die aktuellen Zahlen. Kürzlich lauteten sie 2314 und 265. Und als ich eine Stunde später auf dem Nachhauseweg zufällig zurückschaute, las ich doch tatsächlich die Zahlen 1981 und 232! Hallo! Was mich da so fasziniert hat, diese Panik, die bei mir aufkam. Ich habe mit meinem Rädchen angehalten und gebannt geschaut, wie die Zahlen runterzählten. In diesen Tagen, in denen es nur um die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen geht. In diesen Tagen packt mich doch tatsächlich die Panik, wenn die Anzahl der aktuell freien Parkhaus-Plätze schrumpft. Seit Wochen prangen sie unübersehbar an Bonns Einfallstraßen, diese riesigen, neuen Anzeigetafeln mit den Lettern "Beethovenstadt Bonn, Stadt. City. Ville". Daneben unübersehbar leuchtend "Parkleitsystem", darunter "freie Parkhaus-Plätze Zentrum und Beethovenhalle". Und dann wirst du weitergeleitet, wo ich mich dann frage, wohin? Hier gibt’s doch nichts zu sehen! Wie in einem Impfzentrum: alles logistisch parat, aber es gibt nichts.

Wo wir gerade beim Beethoven-Parkhaus sind, die Beethovenhalle zum Beispiel, eine never ending Story. Da las sich kürzlich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Sachstand Beethovenhalle" Folgendes: Die Fertigstellung der Beethovenhalle im Rahmen der bisherigen Kosten- und Terminziele ist nach aktuellen Erkenntnissen unter Beibehaltung der aktuellen Rahmenbedingungen gefährdet. In den vergangenen zwölf Monaten wurden auf der Basis einer internen und externen Analyse eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den angestrebten Fertigstellungstermin Mitte 2024 zu erreichen und den als "Worst-case-Szenario" bezeichneten Kostenrahmen von 166 Millionen Euro einzuhalten (da hatte ich schon den Gedanken, wie viel Impfstoff man davon kaufen könnte). Weiter hieß es, wesentliche Probleme konnten jedoch nicht aufgelöst werden. Die nicht abgeschlossene Planung führe weiterhin zu einer Leistungslücke, die sich zunehmend auf den Projektablauf auswirke (den Satz, diese Formulierung - da musst du erst mal drauf kommen). SGB-Betriebsleiter Lutz Leide erarbeitet einen Vorschlag für das weitere Vorgehen, um dem Risiko einer weiteren Projektverzögerung und Kostenerhöhung zu begegnen. Der arme Herr Leide! Ich sag nur, Obacht bei der Wahl des Nachnamens!

Dann gibt’s da ja auch noch das Münster, dessen Sanierung zwar voranschreitet: Die Altäre werden gereinigt , die Farben leuchten wieder, der Marmor strahlt und der Alabaster wirkt transluzid (das Wort musste unbedingt rein!) wie Alabaster und nicht wie eine undefinierbare dunkle Masse. Aber: geschlossen. Über unser Opernhaus habe ich jetzt keine aktuellen Informationen. Was aber auch völlig belanglos ist. Weil, wenn ich mit meinem Rad am Rhein unterhalb des Theaters vorbeifahre, hallo, da ist aber auch so was von Sanierung angesagt!

Apropos Sanierung, man kann ja auch noch auf eine andere Art als mit dem Auto ins Impfzentrum, sorry, nach Bonn gelangen, nämlich mit dem Zug. Und da kann man doch tatsächlich mal was Fertiggestelltes sehen: das denkmalgeschützte Hallendach unseres Hauptbahnhofs! Gerade frisch saniert, fertig gestellt, die Bahnsteighalle! Die denkmalgeschützte Sanierung des denkmalgeschützten Hallendaches, erledigt,
Haken dran.

Was wohl schön war, bei all der Aufregung, ich habe dann doch wieder meine innere Ruhe und Gelassenheit gefunden. Ich habe einfach in meinem SCHAUFENSTER den richtigen Artikel gelesen. Wobei ich dieses Mal geschwankt habe zwischen "Findelkinder mit Pinselohren, Ehepaar aus Rüngsdorf päppelt zwei kleine Eichhörnchen auf" und "Trendfarbe 2021: Beige - ruhig, subtil, aber keinesfalls langweilig".

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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