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Reif für die Verkehrsinsel !

Ich hatte ja erwähnt, dass so eine Webcam vor meiner Auerberger Postfiliale so was von toll wäre, von wegen der Neugier und für die Prahlerei. Bis es soweit ist, behelfe ich mich natürlich nach wie vor mit meiner Verkehrsinsel auf der Kreuzung an der Kölnstraße, da wo die Volksbank und Gilgens an der Ecke sind. Das ist soweit ja auch ein passable Zwischenlösung. Das musst du dir so vorstellen, gut, nenn's auflauern, mir auch egal. Also Beispiel, ich stehe auf meiner Verkehrsinsel und sehe, dass sich von Weitem eine Nachbarin nähert. Da lass ich mir dann das ein oder andere einfallen, wenn ich weiß, dass die notgedrungen jetzt ampeltechnisch auch auf die Verkehrsinsel kommen muss. Will sagen, ich ignoriere einfach die ein oder andere für mich grüne Fußgängerampel, bis die Nachbarin dann bei mir landet, auf meiner Verkehrsinsel, wo sie nicht vor mir flüchten kann - und schwuppdiwupp, eh du dich versiehst, ist wahlweise die Neugier befriedigt oder der Angeberei gefrönt.

Also wenn ich es mir so recht überlege, stehe ich eigentlich recht oft auf meiner Verkehrsinsel. Auch einfach mal so zum Nachdenken und Runterkommen. Letztens zum Beispiel, die Sonne schien mir so fein ins Gesicht, um mich herum diese gleichbleibende Geschäftigkeit, dieses meditative Verkehrsgewusel. Ja, es hat etwas total Tiefenentspannendes in diesen hektischen Zeiten, wenn du inmitten dieser Betriebsamkeit von dunkelrot-ignorierenden-Autos und Motor-aufheulenden-Autofahrern einfach nur warten musst. Oder auch hören, was für eine Mucke da aus dem offenen Fenster raushaut. Sehen aber auch, wie manch an der Ampel wartender Autofahrer mal so schaut, was sich so im Näschen angesammelt hat. Nun gut, wie ich da so meine Seele baumeln ließ, dachte ich an meinen letzten Beitrag, wo es ja um Klappspaten ging.

Und das ist ja schon, ich trau mich gar nicht, in dem Zusammenhang das Wörtchen beeindruckend zu verwenden. Also so was von, ja, man muss es neidlos anerkennen, so was von kreativ. Und wenn der Vollidiot so was von kreativ ist, hallo, Hut ab. Ich mein, da musst du erstmal drauf kommen: Da gibt es ja diese Influencer, die den Gastwirten und Hoteliers die Rechung nicht bezahlen, weil sie ja immerhin Fotos von der Location auf Instagram posten und so ja Werbung machen, bei ihren Abermillionen Followern. Ich weiß nicht, ob du das verstanden hast, weil in so ein deppertes Hirn ist es ja recht schwer, sich hineinzuversetzen. Diese Menschen, die vollkommen den Bezug zur Realität verloren haben, wollen gratis Essen und Übernachtung.

Schau, ich hab dir mal etwas aus dem Internet rausgesucht: Ein Familienrestaurant auf der griechischen Insel Kos hat am 27. Juli ihren Umgang mit frechen Influencer-Anfragen auf Twitter publik gemacht. Wie auf der griechischen Nachrichtenseite mikropragmata berichtet wird, ist das Restaurant mit Dutzenden solcher Anfragen jedes Jahr konfrontiert. Influencer fragen demnach nach kostenloser Unterkunft, gratis Essen oder Produkten im Gegenzug für Postings und Markierungen auf ihrem Instagram-Profil. Eine dieser Kooperationsanfragen sah zum Beispiel so aus: „Hallo! Hoffe, es geht dir gut? Ich habe neulich von einem Freund gehört, dass ihr großartige griechische Mahlzeiten und vegane Optionen serviert. Ich würde gerne mit meinem Freund hierherkommen im Gegenzug für Social-Media-Markierungen. Ich habe Griechenland schon ein paar Mal besucht und hatte Probleme, vegetarische und vegane Optionen zu finden. Würde davon gerne meinem Publikum erzählen. Ich bin von 18. bis 21. Juli in Kos.“

Und wo ich gerade so auf meiner Verkehrsinsel stand und die Gedanken kommen und wieder ziehen ließ … verstehst du, die Gedanken? Verkehrsinsel, Insel Kos, Urlaub, verstehst du? Hallo, ist das nicht ein feiner Übergang? Ich hatte einfach noch keine Lust, meine Verkehrsinsel zu verlassen (zumal ich von Weitem einen alten Mann heranschlurfen sah, den ich auch einmal nach diesen An-die-Eigentümer-dieser-Immobilie-Briefen fragen wollte). Mir fiel eine Werbung von Eurowings ein, die ich auf unserem letzen Flug in deren Angebots-Flyer gelesen hatte: "Sandwich Deal: 1 Sandwich und 1 Getränk nur 7 Euro. So sparen Sie sofort 1 Euro für den nächsten Flug." Hallo, wo genau spare ich jetzt, wenn ich für übertrieben teuer Geld ein labberiges Sandwich kaufe? Da merkst du auch, dass du alt bist: Was habe ich mich immer gefreut auf den dings. Mit Pfeffer und einem kleinem Spatel zum Umrühren. Klar, hättest du dir den auch zuhause mal gönnen können. Aber meist hast du es vergessen. Erst im Flieger, wenn der Servierwagen durch den schmalen Mittelgang sich langsam auf dich zu bewegte, erst dann hast du an den Tomatensaft gedacht, den du dir gleich bestellen würdest, umsonst, gratis! Ich weiß noch, wie ich immer ein klein wenig hin- und hergerissen war, zwischen einem Gläschen Rotwein und Tomatensaft. Was meist vollkommen problemlos war, weil die nette Stewardess (und hier bediene ich mich einmal des generisches Femininums, und außerdem steckt der Mann ja schon drin) immer ein zweites Mal vorbeischaute, wo sich dann der ein oder andere noch einen Kaffee gönnte oder ich ein Gläschen Rotwein.

Wie lange ist das her, als Stewardess noch ein Traumberuf war! Das Wort klang so international. Dann hieß es später nur noch Flugbegleiterin. Und als ich dann die despektierliche Bezeichnung Saftschubse hörte, und das ist auch schon wieder viele Jahre her, verspürte ich eine gewisse Trauer und kam ich mir sehr alt vor.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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