Kanalarbeiten
Reise in Bonns Unterwelt

Der neue Kanal an der Robert-Koch-Straße. | Foto: Harald Weller
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  • Der neue Kanal an der Robert-Koch-Straße.
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Bonn - Bonns Tiefbauamt saniert seit Jahren und ohne Unterlass das marode
Kanalnetz der Stadt. Auf dem Venusberg läuft ein besonders
ehrgeiziges Kanalprojekt.

Wie tief ist das denn noch? Die Leiter nimmt absolut kein Ende. Immer
tiefer geht es in die Grube hinab. Es wird zunehmend dunkel. Und warm.
Ah, da ist ja Schluss. Endlich. Die müden Knochen schmerzen schon
ganz schön. Und da ist ... Mist, da ist die nächste Leiter. Abermals
ein Abstieg. Noch wärmer, noch dunkler. Fehlt bloß noch die Zither.
Sie erinnern sich?

Wien, die Kanalisation. Harry Lime, pardon Orson Welles, gibt den
Rauschgifthändler in „Der dritte Mann". Die Stimmen hallen wider im
gespenstischen Ambiente der Abwasserkanäle. Orson Welles erklärt
seine Philosophie. Mitten im Abwasser. Sein Ex-Freund steht daneben,
will ihn fassen. Warum nur Harry, warum? „When the zither starts to
play, you‘ll remember yesterday, in it‘s haunting strain Vienna
lives again..." aus: Lime‘s theme, Anton Karas. Uns wird ganz
anders... Harry Lime?

Blödsinn, das hier ist der neue Kanal an der Robert-Koch-Straße.
Ecke Bodelschwinghweg. 60 Meter lang. Die 1,40 Meter durchmessenden
Betonröhren, je 3 Meter lang, werden ins Geröll gepresst. Mit einem
Verfahren, das Bauleiter Wolfgang Frömbgen erklärt: „Das Gestein
wird abgegraben. Kann wegen der besonderen Vorgehensweise nicht
nachrutschen. Und dann, dann drücken Hydraulikstäbe mit einer Kraft
von 12 Tonnen die Rohre durch das Gestein." Der neue Kanal ist groß
dimensioniert. Aha, ausreichend für Starkregen? „Quatsch", sagt
Tiefbauamtsleiter Peter Esch. „Gegen Starkregen, ein Naturereignis,
ist kein Kraut gewachsen. Auch kein Kanal."

Das normale Abwasser füllt den Kanal nur wenig. Das meiste kommt
buchstäblich von oben. Ist Sickerwasser vom Regen. Die Baustelle
dauert Monate länger als geplant. Und wird auch teurer als geplant.
Warum: „Was vorher keiner wissen konnte: Wir haben hier rolligen
Boden", so der Bauleiter. Das heißt, das er immer wieder nachdrückt.
Quasi wie eine Anhäufung von Kugeln. Das zu stabilisieren ist sehr
aufwändig. Das ist wie bei runden Kieseln. Und das auf der gesamten
Länge von 60 Metern." Das Bauwerk wird eine knappe Million Euro
kosten. Neben dem rolligen Boden erschwerten erhebliche
Grundwassereinbrüche die Arbeit. „Und zu allem Überfluss haben wir
auch noch zwei Mittelspannungskabel gefunden", so Peter Esch. Das sind
die 10.000-Volt-Versorgungsleitungen, von denen die
Strom-Haushaltsleitungen abzweigen."

Na, dann gehen wir doch mal von der Abzweigung in den Kanal. Gehen ist
gut. 1,40 Meter niedrig ist das Ganze. Und 60 Meter lang. 13 Meter
unter der Erde. Das, was da unter uns als schmales Rinnsal verläuft,
ist das Abwasser. Von Harry Lime immer noch nichts zu sehen. Peter
Esch erzählt was von „Kampfmitteln". Ja, das kann auch noch die
Arbeit aufhalten. So geschehen in der Sebastianstraße. Ebenfalls bei
Kanalarbeiten. Aber hier vermutete man Kampfmittel aus dem 2.
Weltkrieg im Grund. Bevor das nun wieder vom Kampfmittelräumdienst
geklärt war, verging wieder einige Zeit.

Pro Jahr hat die Stadt Bonn 15 bis 20 Straßenbauprojekte. Wie den
jetzigen Kanalbau. Dazu kommen einfachere Dinge wie das Umbauen von
Bushaltestellen. „Wir müssen lt. Bezirksregierung pro Jahr 20
Millionen Euro in das Kanalnetz investieren", weiß Peter Esch. 1.000
Kilometer lang ist das Bonner Kanalnetz. Mit 130 Pumpwerken leitet man
das Abwasser in die Klärwerke. Harry Lime haben wir immer noch nicht
gefunden. Aber jetzt haben wir ohnehin andere Sorgen: Denselben Weg
wie runter müssen wir nämlich jetzt wieder rauf. Dazu nur eine
Bemerkung von einem, der dabei war: „Die Dusche hinterher war nicht
nur wegen des Schweißes und des Staubes notwendig, sie trug auch
geruchstechnisch erheblich zum Familienfrieden bei...

 

- Harald Weller

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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