"Von wegen Heilige Nacht"
Wann wurde Jesus wirklich geboren?
Bonn (red). Die traditionelle Weihnachtsgeschichte, wie sie uns seit Kindertagen vertraut ist – mit Maria, Josef, dem Jesuskind in der Krippe, Engel, Hirten und dem Stern von Bethlehem – wird von vielen als historische Wahrheit geglaubt. Doch was stimmt wirklich? Diese Frage hat der Bibelwissenschaftler Professor Dr. Simone Paganini in einer Online-Veranstaltung des Forum Pauluskirche aufgeworfen und die Weihnachtsgeschichte einem gründlichen Faktencheck unterzogen.
Paganini, Professor für Biblische Theologie an der Universität Aachen, beleuchtete die Geschichte der Geburt Jesu aus einer wissenschaftlichen Perspektive und stellte dabei zahlreiche festgehaltene Traditionen infrage. In seinem Vortrag unter dem Titel „Von wegen Heilige Nacht … oder: Wann wurde Jesus wirklich geboren?“ zeigte er, dass viele Elemente der bekannten Erzählung eher auf späteren Legenden und Traditionen basieren als auf historischen Fakten.
So sei es, so der Professor, nahezu unmöglich, den genauen Zeitpunkt von Jesu Geburt festzulegen. Historische Hinweise deuteten jedoch darauf hin, dass die Geburt des Jesuskindes zwischen 8 und 6 vor Christus stattgefunden habe – ein weit größerer Zeitraum als der Tag, der heute weltweit gefeiert wird. Auch die biblischen Quellen, namentlich die Evangelien des Matthäus und Lukas, stimmen in vielen Details nicht überein. Während in beiden Evangelien Maria, Josef und das Kind präsent sind, variieren die Erzählungen erheblich, was die Szenerie betrifft: War es eine Krippe oder doch ein normales Haus? Woher kamen die Engel und Hirten? Und was hat es mit dem Stern von Bethlehem auf sich?
Besonders spannend war Paganinis Aufklärung über die uns bekannte „Krippe“. Die Darstellung von Ochse und Esel, die häufig in Krippendarstellungen auftauchen, habe ihren Ursprung in einem Übersetzungsfehler und sei in keinem Evangelium zu finden. „Die Tiere sind ein späterer Zusatz, der keine historische Grundlage hat“, so der Bibelwissenschaftler. Zudem ging Paganini davon aus, dass Jesus mit hoher Wahrscheinlichkeit in Nazareth und nicht in Bethlehem geboren wurde.
Eine weitere überraschende Information war der Ursprung des Weihnachtsfestes selbst: Weihnachten, wie wir es heute kennen, wurde erst im 4. Jahrhundert n. Chr. eingeführt. Der Anlass war das Konzil von Nicäa 325, bei dem beschlossen wurde, dass Jesus und Gott von derselben Wesenheit seien. Dieses Dogma war für die breite Bevölkerung jedoch schwer verständlich, und so wurde die Weihnachtsgeschichte erschaffen – nicht aus historischer Präzision, sondern als ein identitätsstiftendes, einprägsames Ereignis.
Trotz dieser wissenschaftlichen Entmythologisierung der Weihnachtsgeschichte war das Fazit von Professor Paganini alles andere als desillusionierend. Die historische Genauigkeit sei zwar zweifelhaft, aber die Bedeutung der Erzählung bleibt ungebrochen. Die Botschaft von der Geburt Jesu, die das Leben und Denken der westlichen Welt tief geprägt hat, sei und bleibe ein faszinierendes Geheimnis, das Menschen aller Altersgruppen berühre und in seinen Bann ziehe. „Es geht nicht um historische Fakten“, so Paganini abschließend, „sondern um die Botschaft, dass Gott Mensch geworden ist und uns nahe sein will.“
Die rund 40 Teilnehmer der Veranstaltung erhielten durch Paganinis unterhaltsame und tiefgründige Ausführungen einen neuen Blick auf die Weihnachtsgeschichte – eine Geschichte, die auch heute noch ihre Faszination nicht verloren hat.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.