Leserreporter*innen veröffentlichen ihre Beiträge nicht als Mitglied der Redaktion.

Texte der Leserreporter*innen sind nicht von der Redaktion beauftragt und geben deshalb auch nie die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Beiträge von Leserreporter*innen werden im Sinne der freien Meinungsäußerung von der Redaktion nicht zensiert oder redigiert (redaktionell bearbeitet). Es steht den Usern unserer Portale frei, Beiträge im Sinne der AGB zu kommentieren und/oder die Verfasser*innen der Beiträge direkt zu kontaktieren.

Womit wird eigentlich der Berliner geimpft?

Wie ich neulich so mit meinem Einkaufswagen, voll bepackt mit dreilagigem Klopapier, die Kölnstraße entlang schlendere. Weil, auch da bin ich ja so was von verunsichert in diesen Tagen. Wie ich also so was von in Bewegung bin, sehe ich einen jungen Mann und frage mich, ob sein Figürchen mit diesen Zeiten zu tun hat. Zeiten, in denen die Schulen oft geschlossen sind, der Kronprinz selten das Haus verlässt und trotzdem das 1kg-Glas Nutella auf dem Frühstückstisch steht. Eigentlich gibt es ja diese Lebensmittelampeln. Diese Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen, die laut Wikipedia leicht verständlich den Gehalt an gesundheitsrelevanten Nährstoffen wie Fetten, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz signalisiert. Beispiel: ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben der Text: Fett 25 g pro 100 g, darunter noch ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben: gesättigte Fettsäuren 6 g pro 100 g, dann ein gelber Kreis "Mittel", daneben die Angabe: Zucker 12 g pro 100 g, und unten ein grüner Kreis, darin das Wort "Niedrig", daneben: Salz 0,2 g pro 100 g.

Hallo, Prozentrechnung und Kommazahlen! Schon vor Corona mit normalem Schulbetrieb für viele Schüler eine Zumutung. Und selbst wenn der junge Mann eine vage Ahnung von Mathematik hätte, würde er überhaupt auf die Ampel schauen, auf dem 1kg-Glas Nutella? Ich schätze mal nicht, dachte ich so vor mich hin schiebend. Und warum gibt’s solch großes Glas überhaupt zu kaufen, sinnierte ich weiter. Diese Frage stelle ich mir übrigens auch immer, wenn im Werbeprospekt meines Lieblingsdiscounters die "Minions-Motivwurst" feilgeboten wird. Weil, warum soll dem Kronprinz die Wurst durch ein hübsches Motiv schmackhaft gemacht werden? Wenn er kein Fleisch essen mag, ist das doch eher gut. Irgendwie passte das für mich gerade nicht zusammen. Einerseits soll das dicke Kind vor mir weniger Zucker essen und der Fleischkonsum im Allgemeinen reduziert werden. Andererseits darf "Nutella im 1kg(!!!) Glas" und billiges Fleisch mit einem Minion-Gesicht drauf verkauft werden. Irgendwie verlogen, dachte ich. Das mag aber auch an meiner momentanen Disposition liegen, weil, wenn du die ganze Zeit in Bewegung bist.

In dem Zusammenhang kam mir auch der Gedanke, wie vielleicht Defizite in Mathematik durch einen Besuch bei meinem Lieblingsdiscounter leicht behoben werden könnten. Dann könnten wir, was die Mathematik betrifft, die Schulen für immer schließen. Ich stelle mir eine Kleinstgruppe von drei Schülern vor, mit denen ich am Beispiel des Nutella-Glases Prozentrechnung übe. Und wer am Ende am besten die Materie beherrscht, darf sich zur Belohnung solch ein Glas in den analogen Warenkorb legen.

Apropos Nutella, da fällt mir die Sache mit der Marmelade ein. Kürzlich stand ich mit meinem Einkaufswagen, wie erwähnt, vollbepackt mit dreilagigem Klopapier, in der Warteschlange vor meinen Bäcker. Eigentlich war es keine Schlange und ich stand auch nicht wirklich. Weil, erstens war vor mir nur eine Kundin und zweitens war es mehr ein Auf-der-Stelle-Treten - wegen meiner Unsicherheit. Ein paar Sekunden und schon habe ich meine Berliner - dachte ich. Weil: Ob er, der Verkäufer, denn Roggenbrot habe. Da er die Frage offenbar zu einfach, nämlich mit Ja, beantwortete: Ob sie, die Filiale, denn auch Roggenmischbrot habe. Nachdem der Verkäufer alle Formen von Roggenmischbrot aufgezählt hatte, also gefühlt Stunden vergangen waren, teilte die Kundin mit, sie würde das Brot dann bei einem anderen Bäcker kaufen, ob des dortigen besseren Mischverhältnisses. Ob es denn auch Dinkelbrot gebe. Ja. Was er persönlich denn eher empfehlen würde, Dinkel oder Roggen. Sie sei jetzt aber auch ein ganz klein wenig in Eile, wolle aber gerne noch Berliner kaufen.

Die Tüte ist schon verkäuferlicherseits gezückt, da die Frage, was für eine Füllung denn in den Berlinern sei. Sie sei nämlich Allergikerin und könne beim besten Willen Erdbeermarmelade nicht vertragen. Ich hätte mir zu dem Zeitpunkt gewünscht, der Verkäufer hätte über die Theke hinweg "Geh scheißen!" gebrüllt. Was ja österreichisch für "Danke für Ihre Meinung. Ich kann leider nicht vollständig zustimmen und möchte Ihnen stattdessen meinen Standpunkt darlegen" steht. Zumal das mit dem Scheißen ja auch wirklich zupassgekommen wäre, hatte ich doch den ganzen Einkaufswagen voller Klopapier. Leider tat er das nicht. Stattdessen druckte er einen Zettel mit der Zutatenliste aus und entschuldigte sich höflichst, dass es sich um eine Erdbeerfüllung handele. Aus lauter Frackigkeit habe ich dann von hinten gebrüllt, ursprünglich hätte ich Berliner kaufen wollen. Das Tolle an Berlinern sei ja gerade, dass man nicht wisse, auf welche Füllung man treffe. Und diesen Spaß hätten sie mir jetzt gründlich verdorben. Ich bin dann unverrichteter Dinge mit meinem Einkaufswagen weitergezogen. Und vermute mal, dass meine Reaktion auch ein bisschen damit zu tun hatte, dass ich - ganz im Gegensatz zu dem dicken Kind - in der letzten Zeit ununterbrochen in Bewegung bin. Immer häufiger leide ich unter Gleichgewichtsstörungen und habe auch zwischenzeitlich das ein oder andere Kilo abgenommen.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich dieser Tage häufiger so was von ins Fettnäpfchen trete. Erst kürzlich habe ich, meinen Einkaufswagen schuckelnd, eine Frau auf einer Verkehrsinsel, einfach um ins Gespräch zu kommen, auf ihre Haare angesprochen. Im Sinne von, wir zwei Hübschen hätten ja offensichtlich dasselbe Problem. Wie froh auch ich sei, wenn endlich die Frisöre wieder öffneten. Man könne ja schon nicht mehr von einer Frisur sprechen, was sich da auf dem Kopf abspiele. Die Fußgängerampel wurde rot und die Frau sagte, sie trage die Haare immer so, sie käme gerade vom Frisör. Wie gesagt, es mag daran liegen, dass ich ob dieser Unsicherheit unter massiven Schlafstörungen leide. Ja, selbst im Schlaf habe ich das ungute Gefühl, mich bewegen zu müssen - ob des Verweilverbots.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.