Die Verantwortung sich zu erinnern
Anita Lasker-Wallfisch sprach über den Holocaust

Wider das Vergessen: Anita Lasker-Wallfisch las aus ihrer Biographie und antwortete offen auf die Fragen der jungen Zuhörerinnen und Zuhörer. | Foto: Frank Engel-Strebel
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Bornheim-Hersel - (fes) Für Karl Kühling, Rektor des Gymnasiums der Herseler
Ursulinenschule, war es „eine große Ehre“ Anita Lasker-Wallfisch
in Hersel begrüßen zu dürfen: „Für uns ist es eine einmalige
Chance von einer Zeitzeugin zu hören, wie barbarisch dieser
furchtbare Horror des Holocausts gewesen ist.“

Dass die heute 92-Jährige überhaupt im Aegidiussaal an der
Ursulinenschule (USH) im Rahmen der Vortragsreihe „USH trifft …“
las, war keine Selbstverständlichkeit. Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges ging sie nach London und beschloss nie wieder deutschen
Boden zu betreten. Erst Mitte der neunziger Jahre, als sie noch einmal
nach Bergen-Belsen fuhr, wo sie nach Auschwitz inhaftiert war,
änderte sich ihre Meinung. Seitdem unternimmt sie Vortragsreisen und
sprach dabei unter anderem Anfang 2018 im Deutschen Bundestag zum
Thema Antisemitismus.

Schonungslos las Lasker-Wallfisch Auszüge aus ihrer Biographie, in
der sie die erlebten Gräuel als deportierte Jüdin zunächst in
Auschwitz und später in Bergen-Belsen schilderte. Den Tod entkam zu
sie vermutlich nur, weil sie Cello spielen konnte und für das
Mädchenorchester im KZ Auschwitz gebraucht wurde. Bereits Monate
zuvor wurden ihre Eltern deportiert. Seitdem hat sie sie nie wieder
gesehen. Ihre ersten Eindrücke von Auschwitz schilderte
Lasker-Wallfisch folgendermaßen: „Schwarze Gestalten in Umhängen,
bellende Hunde, entsetzliches Geschrei und ein entsetzlicher
Gestank.“ Am 15. April 1944 war der Terror zu Ende. Englische
Alliierte befreiten das Lager. Die damals 19-jährige Lasker-Wallfisch
und ihre Mithäftlinge bezeichneten diesen Tag als „Rebirth“, ihre
Wiedergeburt. In den Jahren nach 1945 wanderte sie zunächst nach
Belgien und dann nach Großbritannien aus und machte als Cellistin
erfolgreich Karriere und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Mahnende Worte fand sie für die jungen, sehr interessierten Zuhörer,
Schülerinnen der Geschichtsklassen der 10. Jahrgangsstufen von
Realschule und Gymnasium der USH, Schüler des Collegium Josephinum
Bonn und der befreundeten Realschule aus Blankenheim. „Sie als
Europäer haben eine besondere Verantwortung, sich an den Holocaust zu
erinnern.“ Bereitwillig und ehrlich antwortete sie auf die
zahlreichen Fragen der Schülerinnen und Schüler. Ob sie an Gott
glaube? Nein, sie sei nicht gläubig im normalen Sinne. „Ich glaube
an die Menschen und nicht daran, dass da oben jemand sitzt, der alles
in Ordnung bringt. Das ist mir zu simpel.“ Mit der Aufarbeitung des
Holocausts in Deutschland zeigte sie sich im Großen und Ganzen
zufrieden. Doch was derzeit in Deutschland passiert, entsetze sie. Auf
die Frage, weshalb rechtspopulistische Parteien so einen starken
Zulauf hätten meinte Lasker-Wallfisch: „Weil es furchtbar viele
dumme Menschen gibt. Dummheit ist der größte Feind der
Menschheit.“ Eine klare Haltung hatte sie auch zur aktuellen
Situation in Israel: „Glauben Sie nicht, dass alle Juden begeistert
von dem sind, was dort passiert. Juden sind wie alle Menschen, auch
unter ihnen gibt es kluge und dumme.“

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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