Rebellin im Vorgebirge
Frauen-Netzwerk feiert seinen fünften Geburtstag
Bornheim (red). Der Vorgebirgsrebell Wilhelm Maucher, der sich für Gerechtigkeit, Toleranz und Frieden eingesetzt hat, brachte es in der Region zur Berühmtheit. Ganz anders verhält es sich mit der nicht weniger engagierten Johanna Elberskirchen, die zwischen 1904 und 1909 auf der Burg Hemmerich und im Görreshof in Alfter gelebt hat. Über das Leben dieser unerschrockenen Vorkämpferin für Frauenrechte hat die Historikerin Ingeborg Boxhammer aus Bonn bei einer Veranstaltung des Frauen-Netzwerk-Bornheim in Kooperation mit der Stiftung St. Evergislus referiert.
Noch ein NischenthemaDas Frauen-Netzwerk feierte mit diesem Vortrag sein fünfjähriges Gründungsjubiläum. Im gut besetzten Vortragssaal freute sich die Vorsitzende Stefani Hachenberg, der Bornheimer Öffentlichkeit eine hochkarätige Referentin mit einem Thema mitten aus der Gesellschaft vorstellen zu können. „Frauenrechte sind und waren noch nie ein Nischenthema. Umso wichtiger ist es, dass wir die grundlegenden Arbeiten der Frauen früherer Generationen nicht aus dem Blick verlieren, damit wir das Rad nicht immer wieder neu erfinden müssen.“
Ein vermuteter Grund, weshalb Elberskirchen im kollektiven Bewusstsein des Vorgebirges keine Rolle zu spielen scheint, sei wohl die Tatsache, dass sie eine der wenigen offen lesbisch lebenden Frauen der Alten Frauenbewegung war. Zudem hat sie Schriften über die Sexualität beider Geschlechter verfasst. Sie ging gegen Sexismus und Frauenfeindlichkeit an, und entgegen dem herrschenden Frauenbild fand sie: „Sagen wir Ja zu unserem Sexualtrieb, ein fröhliches, heiteres, ein heiliges Ja“.
Polemisch und provokantFast vergessen ist auch das Nachschlagewerk „Die Mutter als Kinderärztin“, das sie während ihrer Zeit im Vorgebirge gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin Anna Eysoldt schrieb. Elberskirchen hatte in der Schweiz unter anderem Medizin studiert, hatte aber keinen Abschluss und war von daher keine approbierte Ärztin. Sie inserierte jedoch im General-Anzeiger und bot Rat und Hilfe in allen körperlichen, pädagogischen und seelischen Fragen der Mutterschaft an. In späteren Jahren hat sie als Naturärztin gearbeitet und auch eine homöopathische Praxis betrieben.
Parallel zu ihrem Broterwerb hat Elberskirchen immer wieder polemisch und provokant zu Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und auch zum Frauenstimmrecht geschrieben. Sie forderte ein allgemeines Wahlrecht für Frauen ein, statt nur die Damen der gehobenen Klassen damit auszustatten.
Auch im General-Anzeiger hatte Elberskirchen sich lautstark zu Wort gemeldet, als es um die inhaftierten Suffragetten in England ging. Die Frauen, die sich genau wie Elberskirchen für das Wahlrecht ihrer Geschlechtsgenossinnen einsetzten, wurden während eines Hungerstreiks auf brutale Weise zwangsernährt. Dagegen sowie gegen die verharmlosenden Schilderungen des Journalisten Eduard Goldbeck, der im GA berichtete, legte Elberskirchen Protest ein.
Aus der SPD raus geflogenIhr Engagement im Preußischen Landesverein für Frauenstimmrecht kostete sie allerdings die Mitgliedschaft in der SPD, aus der sie 1913 ausgeschlossen wurde. Sie blieb der Partei dennoch treu und engagierte sich in der Weimarer Republik in ihrem Ortsverband bei Berlin.
Unter den Nazis fielen Elberskirchen und ihre zweite Lebenspartnerin Hildegard Moniac jedoch unter das Berufs- und Schreibverbot. Elberskirchen starb 1943 zurückgezogen und in ärmlichen Verhältnissen.
Die Mitglieder und Gäste des Frauen-Netzwerk-Bornheim und der Stiftung St. Evergislus stellten eine Reihe von Fragen und suchten Erklärungen, weshalb Elberskirchen so lange Zeit auf der Burg Hemmerich „auf Besuch“ war, wie es in den offiziellen Anmeldeunterlagen der Bürgermeisterei Waldorf heißt. Heimatforscher Horst Bursch, der in Hemmerich aufgewachsen ist, wusste aus Erzählungen seiner Großmutter die eine oder andere Anekdote beizusteuern. Baronin Ada, die seinerzeit auf der Burg die Gastgeberin von Elberskirchen und Eysoldt war, galt als exzentrische Persönlichkeit. Vielleicht sei der Status des Sonderlings eine verbindende Gemeinsamkeit zwischen den Frauen gewesen.
Möglicherweise sei aber auch die Zugehörigkeit zur evangelischen Religion das Bindeglied, mutmaßte Bursch.
Übrigens gibt es am Geburtshaus von Elberskirchen in Bonn seit 2005 eine Gedenktafel, an deren Erstellung und Einweihung die Referentin Boxhammer maßgeblich beteiligt war. Das Frauen-Netzwerk beabsichtigt, die kompromisslose Sozialrechtlerin Elberskirchen mit einer Station auf dem Frauenspazierweg zu würdigen, an dem die Netzwerkerinnen derzeit arbeiten.
Redakteur/in:Ulf-Stefan Dahmen |
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