LebEKa
Wieviel braucht man zum Leben?

Foto: Frank Engel-Strebel

Vorgebirge - Bornheim/Alfter (fes). Reichen 416 Euro im Monat für ein
menschenwürdiges Leben? Versagt am Ende sogar der Sozialstaat, wenn
Millionen Bedürftige in einem reichen Land wie Deutschland um
Lebensmittel anstehen müssen, um über die Runden zu kommen?

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Durch die Essener Tafel, die vorübergehend keine Flüchtlinge mehr
annahm, entbrannte eine Diskussion um Armut und Hunger in Deutschland.
Doch wie ist die Situation im Vorgebirge? Das Schaufenster fragte bei
der LebEKa nach.

Man muss schon Spitz auf Knopf rechnen, wenn man auf Hartz IV
angewiesen ist. 416 Euro stehen derzeit einem alleinstehenden
Erwachsenen monatlich an Grundsicherung zur Verfügung, exakt 145,04
Euro (oder 34,86 Prozent) sind für Lebensmittel vorgesehen. Reicht
das aus, um im Monat über die Runden zu kommen? Darüber streitet
derzeit die Politik.

Im Vorgebirge gibt es seit 2004 die Lebensmittelausgabe der
Evangelischen und Katholischen Kirchen, kurz LebEKa für Menschen mit
geringen Einkommen, zunächst für die Stadt Bornheim, sechs Jahre
später kam eine Ausgabestelle im katholischen Pfarrzentrum in
Oedekoven dazu. Drei Ausgabestellen gibt es im Bornheimer Stadtgebiet,
in Hersel, Kardorf und Bornheim. Insgesamt, so Koordinator Alfons
Fischer-Reuter versorgt die LebEKA bis zu 280 Haushalte, in
Spitzenzeiten waren es schon mal 350. In absoluten Zahlen sind dies
etwa 1.300 Personen, davon 300 Kinder. Zu den Kunden zählen neben
Hartz IV-Empfängern auch Aufstocker, Alleinerziehende mit Kindern,
Rentner und Flüchtlinge.

Waren es in den Anfangszeiten drei Sponsoren, sind heute über 50
Supermärkte, Discounter, aber auch Landwirte oder Bäcker beteiligt,
die entweder abgelaufene Ware oder Produkte, die nicht mehr verkauft
werden können, an die LebEKa spenden.

Armut und Bedürftigkeit sorgen immer für Konfliktpotenzial, das
bleibt nicht aus, schildern Alfons Fischer-Reuter und Diakonin
Stefanie Schmelzer von der Evangelischen Kirchengemeinde Vorgebirge.
Damit es bei der Verteilung gerecht zugeht, werden vor der Ausgabe
Nummern verteilt. Allerdings gilt hier nicht, wer zuerst kommt, mahlt
zuerst: Die Nummern werden wie in einem Losverfahren gezogen und dann
aufgerufen: „Das ist aus unserer Sicht das fairste System“, meint
Fischer-Reuter.

Auch er sieht es kritisch, dass sich der Sozialstaat hier aus der
Verantwortlichkeit stiehlt und erinnert daran, dass die Tafeln
ursprünglich eingerichtet worden waren, damit überschüssige
Lebensmittel nicht weggeschmissen, sondern an Menschen verteilt
werden, die aus dem sozialen Netz herausgefallen sind. Als die ersten
Tafeln vor rund 20 Jahren aufkamen, dachte man hier vor allem an
Obdachlose. „Für unser Land ist es beschämend, dass es Tafeln
überhaupt gibt“, so der Koordinator.

Die Verteilung der Lebensmittel ist die eine Sache, die andere, und
die geschieht vielfach im Verborgenen, ist die Logistik. Jeden Tag
sind Fahrer im Außendienst mit den Sprintern der LebEKa unterwegs, um
Lebensmittel abzuholen. Auch dies geschieht alles ehrenamtlich: „Die
festen Touren sind logistisch durchgeplant mit festen Uhrzeiten, damit
sich unsere Sponsoren darauf verlassen können, dass wir auch
kommen.“

Hier gibt es derzeit einen Engpass. Dringend benötigt die LebEKa
ehrenamtliche Fahrer, die mit den Sprintern Lebensmittel abholen.
„Wir brauchen nicht nur Menschen mit einem Führerschein, sie
müssen auch anpacken können“, erklärt Fischer-Reuter.
Grundsätzlich sind die Fahrer zu zweit unterwegs. Gefahren wird jeden
Tag.

Und es geht nicht nur um Lebensmittel, auch Kleidung oder Möbel
werden benötigt. Schnell kommen Bedürftige an ihre finanziellen
Grenzen, wenn beispielsweise mal die Waschmaschine kaputt geht. Mit
den vorgesehen 25,64 Euro monatlich (oder 6,16 Prozent) für
Haushaltsgeräte sind keine großen Sprünge zu machen. Oft bleibt da
nur ein Kredit bei der Arge, der Weg ins Möbellager der LebEKa nach
Waldorf oder für gebrauchte Baby- und Kinderkleidung zur
„Hängematte“.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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