Wahlbrühlerin frisch gebackene NRW-Meisterin
„Boxen passt gut nach Vochem“
Brühl - (rmm) Die zehnjährige Margarita steht mit neun anderen Kindern in
einer Reihe. Ihre rechte Faust, die „Schlaghand“ ist fest ans
Jochbein gedrückt und ihr Ellbogen an den Körper. Ihre Füße
springen immer im gleichen Abstand vor und zurück und ihre Linke, die
„Führungshand, schlägt mit jedem Sprung nach vorne pfeilgerade in
die Luft. Die Trainerin geht die Reihe entlang und korrigiert die
Schlagtechnik jedes Einzelnen. Dann lässt sie die Kinder der Reihe
nach in die „Pratzen“ schlagen. Zwischen Erwärmung,
Schattenboxen, Partnerübungen, Seilspringen und Schrittschule ist die
Wiederholung einzelner Schläge mit Fokus auf einer sauberen Technik,
sehr wichtig.
Margarita ist konzentriert und arbeitet hart. Nur so kann sie im
Sparring - ihrer Lieblingsaufgabe im Boxtraining - die Technik auch
abrufen. Denn wilde und brutale Schlägerei ist Boxen entgegen der
Meinung vieler Laien sicher nicht. „Ohne Schutzausrüstung darf bei
uns kein Sparring gemacht werden. Mundschutz, Kopfschutz und
natürlich Boxhandschuhe sind Pflicht.“ erklärt die Training Lisa
Prui.
Eigentlich hatte die Wahlbrühlerin nachdem sie 2016 im 50. Kampf
ihrer Laufbahn erneut den deutschen Meistertitel erkämpfen konnte,
mit der aktiven Boxkarriere abgeschlossen. Sie wollte sich vermehrt
auf Familie, Beruf, Studium und ihre Trainerjobs konzentrieren.
Doch durch „Corona“ kam alles anders. Der Sport im Boxverein war
monatelang lahmgelegt und so bearbeitete sie jeden Tag im Keller den
Sandsack, während ihre Kinder im hinteren Teil des Raums spielten.
Und sobald Kontaktsport wieder erlaubt war, trainierte Puri
zusätzlich boxbegeisterte Jugendliche aus dem Viertel. Natürlich
draußen und unter anderem auf dem Sportplatz in Vochem. Der
Pandemiestatus hemmte aber viele der Sportler, und so blieben die
Boxer im kleinen Kreis, wodurch auch Lisas Training nicht zu kurz kam.
Schnell hatte die Bantamgewichtlerin (bis 54 kg) ihre alte Form
zurück und meldete sich kurzerhand nochmal für die Wettkampfsaison
an. Das Ziel wäre die Deutsche Meisterschaft im Dezember gewesen.
Doch die wurde abgesagt, sodass der höchste zu erreichende Titel für
Lisa dieses Jahr der der NRW-Meisterin war.
Und den holte sie nach vier Jahren Ringabstinenz souverän mit einem
dominanten Finalsieg über die deutsche Vizemeisterin aus Köln, in
die Schlossstadt. Lisa kann mit ihren 34 Jahren sportlich durchaus
noch mit den aktiven Boxerinnen mithalten.
Prinzipiell spräche also nichts gegen eine Fortsetzung des Comebacks
der Faustkämpferin, aber sie hat den Kids versprochen sich nach der
Meisterschaft sportlich ganz auf sie zu konzentrieren.
Lisa und ihr Mann Karan Puri sind seit fünf Jahre beim Boxverein
engagiert. Seit Heinz Czech, der legendäre Boxmeistermacher aus
Brühl sein Amt niedergelegt hatte, hatte es in Brühl 15 Jahre weder
aktive Wettkämpfer, noch Boxveranstaltungen gegeben.
Familie Puri brachte den Wettkampfbetrieb nach Brühl zurück,
generierte einen Jugend-NRW und zwei Mittelrheinmeister und stand bei
über 20 Wettkämpfen in der Ringecke.
In Kooperation mit der Uni Köln gab es eine Hochschulmeisterschaft
und ein Brühler Nachwuchsturnier. Letzteres widmeten sie, zusammen
mit seinem alten Verein, dem verstorbenen Heinz Czech, der
überregional für seine engagierte Jugendarbeit und eine offenherzige
Vereinskultur bekannt war.
Spezielle Lauf- und Boxeinheiten neben den Wettkämpfen an den
Wochenenden sowie die private Nachhilfe oder das Schreiben von
Bewerbungen mit den Sportlern am eigenen Küchentisch leistet das
Sportlerpaar auch noch, dazu kommen Beruf und Abenstudium sowie viel
ehrenamtliches Engagement in der überregionalen Boxszene.
Die Nachfrage nach Boxsport in Vochem war sehr hoch und nach wenigen
Wochen hatte sich die kleine private Sommergruppe vergrößert und die
Vochemer Jugendlichen wünschten sich eine Fortsetzung des Trainings
in ihrem Bezirk. Deshalb beschloss das Trainerehepaar selbst einen
Verein zu gründen, natürlich einen mit Gemeinnutz und offen für
alle mit Wohnsitz in Vochem.
Gemeinsam mit Hassan Fikes, Sozialarbeiter der Stadt Brühl und
Gründer des Jugendtreffs „Klasse“, wollen sie sich ganz dem Sport
in ihrem Stadtteil widmen.
„Boxen passt gut nach Vochem. Die Kinder und Jugendlichen
interessieren sich dafür und finden es cool”, freute sich Hassan
Fikes, der vorübergehend seine Hallenzeiten in Vochem mit den Puris
teilt.
Fünf mal die Woche gibt es Training und um den Sport aiuch
versicherungstechnisch abdecken zu können und ab Anfang 2021 im
Wettkampfbetrieb des Deutschen Boxsport Verbandes (dbv) starten zu
können, muss die Gründung des e.V.’s nun zügig in Angriff
genommen werden.Perspektivisch wäre ein weiterer Trainer als
Unterstützung sinnvoll, sagen die Puris, die auch zugeben, dass es
darüber hinaus noch an vielem fehle. Die Ausstattung für das
regelmäßige Training in Vochem stammt im Moment noch aus der Garage
vom Familie Puri und wird täglich von einem der Trainer im
Lastenfahrrad zur Sporthalle der Regenbogenschule transportiert.
Geplant ist neben Jugend- und Wettkampfsport Boxen als Fitness- und
Breitensport anzubieten, sowie Workshops für Frauen angeboten. Denn
neben der Fitness, wird auch das Selbstbewusstsein gestärkt. Und
nicht zuletzt der Stadtteil. Potential gebe es in Vochem genug.
„Viele kleine Fäuste, die das Boxen lernen wollen“, sagt Lisa
Puri.Auf der Instagram Seite boxen_in_bruehl, teilen die Jugendlichen
bereits Einblicke in ihre sportliche Entwicklung. Sobald die
Vereinsgründung abgeschlossen ist, wird es zusätzlich eine Facebook
Seite und eine Homepage geben.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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