Gezielte Falschinformationen sollen verunsichern
Sicher in Brühl?
„Die Täter schrecken selbst am hellichten Tag nicht davor zurück, wehrlose Menschen, wie Senioren zu überfallen und sich mit deren Handtaschen zu bereichern.“ So konnten es Brühler und Brühlerinnen am 23.07.24 im Brühler Schlossboten lesen.
Viele waren beunruhigt. Und verunsichert.
Genau das ist beabsichtigt….
Eine anderes Zitat aus derselben Quelle: „Die Kriminalität bei Jugendlichen steigt, so dass man mittlerweile Angst um seine Kinder und um sich selber haben muss.“
Die Strategie hinter solchen Sätzen: das Gefühl von Sicherheit erschüttern. Denn aus Verunsicherung lässt sich leicht politisches Kapital schlagen. Und wer Angst hat, lässt sich leicht beeinflussen. Genau darum geht es.
Gewaltbereite Jugendliche an jeder Straßenecke? Skrupellose Täter überfallen wehrlose Opfer und berauben sie? Unweigerlich stellten sich viele die Frage: bin ich in Brühl noch sicher? Wer sorgt für meine Sicherheit?
Was also ist dran an diesen Behauptungen? Sind Brühler und Brühlerinnen heute gefährdeter als früher? Müssen die Menschen mit der allgegenwärtigen Angst leben, jederzeit überfallen und ausgeraubt zu werden? Fragen wir einen, der es wissen muss. Unseren Bürgermeister Dieter Freytag (SPD):
„Ein ganz klares Nein! Solche Behauptungen sind reine Panikmache“, sagt Freytag. Der Artikel, der für Angst und Schrecken in Brühl sorgen sollte, zeigte ein Foto der Unterführung zwischen Balthasar-Neumann-Platz und Carl-Schurz-Straße. Ein dunkles, schwarzes Loch starrt den Betrachter an. Doch von einem dunklen Abgrund ist in Wahrheit weit und breit nichts zu sehen. „Vor Jahren“, sagt Dieter Freytag, „haben wir genau diese Unterführung umgestaltet. Wir haben uns für ein helles, freundliches Lichtkonzept entschieden. Und gerade von älteren Menschen, die in der Nähe wohnen und die Unterführung oft nutzen, habe ich sehr positives Feedback bekommen. Sie sind ausgesprochen zufrieden.“
Aber Freytag leugnet auch bestehende Probleme nicht. Ende August wurde ein Mann mit Messer am Heider Bergsee beobachtet. Die Unruhe war groß, denn nur Tage vorher starben 3 Menschen bei einer Messerattacke in Solingen, acht wurden verletzt. In Brühl blieb es ruhig. Es gab jedoch den Fall, bei dem Jugendliche auf dem Balthasar-Neumann-Platz abgezockt wurden: „Definitiv ein Fall zu viel,“ sagt der Bürgermeister dazu. Inzwischen gibt es zwei Streetworker, die auf die Jugendlichen zu gehen, Gesprächsangebote machen, einfach mal quatschen. In einem Spieletreff können sie zusammen abhängen. Und es gibt die Fälle auf Brühler Friedhöfen. Viele regen sich darüber auf, dass an Orten, wo Brühler und Brühlerinnen um ihre Lieben trauern, geklaut wird. Aus Fahrradkörben wurden Taschen gestohlen, selbst Grabschmuck ist vor Dieben nicht sicher. Die Folge: der Brühler Ordnungsdienst patrouilliert mehrfach am Tag an den einschlägig bekannten Plätzen. „Wir haben den Ordnungsdienst deutlich aufgestockt“, erklärt Dieter Freytag. „Früher gab es drei Stellen, heute beschäftigen wir 10 Kollegen und Kolleginnen“. Und es gibt die mobile Wache, die mögliche Problembereiche regelmäßig anfährt und kontrolliert.
Tatsächlich wäre es fahrlässig, Probleme klein zu reden. Bundesweit sorgen Zahlen wie diese für Unruhe: die Zahl registrierter Straftaten in Deutschland stieg im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent auf fast sechs Millionen. Damit ist sie so hoch wie seit 2016 nicht mehr. 923 269 der Tatverdächtigen besaßen keinen deutschen Pass, davon waren 402 514 Zuwanderer, etwa Asylbewerber, Flüchtlinge oder illegal nach Deutschland eingereiste Menschen. Das wäre ein Anstieg von Straftaten durch zugewanderte Tatverdächtige von knapp 30 Prozent im Vergleich zu 2022. Bedeutet: wir müssen über Ausländerkriminalität reden. Dürfen nicht leugnen. Laut öffentlichen Statistiken kam es 2023 bundesweit zu 8951 Messerattacken. Ein Anstieg um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Wir müssen also hinsehen, uns die Hintergründe und Ursachen dieses unerfreulichen Phänomens klar machen:
1. Wir wachsen: immer mehr Menschen leben in Deutschland. Rund eine Million Geflüchtete aus der von Russland überfallenen Ukraine, mehr Menschen aus dem Osten Deutschlands, mehr Geflüchtete vor den Terrorregimes in Afghanistan und Syrien und anderen Ländern. Mehr Menschen in einem Land führen unweigerlich zu steigenden Kriminalitätszahlen
2. Es gibt zweifelsfrei mehr Tatverdächtige ohne deutschen Pass. Warum ist das so? Viele Geflüchtete sind durch die Flucht traumatisiert, seelisch verletzt. Sie leben beengt und ohne sichere Perspektive. Das fördert Unsicherheit. Aus Unsicherheit wächst Aggression und damit Gewaltbereitschaft. Ein Funke reicht manchmal. Das ist nicht zu entschuldigen. Belegt ist jedoch auch, dass Tatverdächtige nicht immer gleich Täter*innen sind. „Fremde“ werden deutlich häufiger angezeigt als Menschen, die einheimisch aussehen. Was kann verbessert werden? Die Integration, also das Einbeziehen geflüchteter Menschen in unsere Gesellschaft beispielsweise durch Sprachkurse, scheint nicht gut zu funktionieren. Sie dauert länger als in anderen europäischen Ländern. Es gibt zu wenig qualifizierte Lehrkräfte.
3. Syrer und Afghanen sind unter den Tätern unterrepräsentiert. Warum? Asylanträge von Geflüchteten aus diesen Ländern werden meistens anerkannt. Statt von Duldung zu Duldung zu leben, haben diese Menschen also eine gewisse Sicherheit. Sie werden seltener straffällig. Nicht die Herkunft, Hautfarbe oder die Religion lässt Menschen kriminell werden, sondern Armut und Perspektivlosigkeit.
4. Die Fälle von Straftaten der organisierten Kriminalität aus dem benachbarten Ausland.steigt. Viele Wohnungseinbrüche gehen auf das Konto von Tätern aus den umliegenden Ländern. Geldautomaten werden gesprengt, die Täter entkommen über nahe Grenzen. Verfeindete Rauschgiftgangs liefern sich Auseinandersetzungen in NRW. Auch dies treibt die Zahl der Gewaltdelikte von Tatverdächtigen ohne deutschen Pass in der Statistik nach oben.
5. Die Spaltung der Gesellschaft nimmt zu. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Damit verbunden: sind Sorgen um die persönliche Perspektive, Hoffnungslosigkeit und Pessimismus. Das lässt Hemmungen sinken. Die Folge: eine „Ich nehme mir, was ich will“- Haltung. Auch das unentschuldbar.
Ein Vergleich bundesdeutscher Länder ist aufschlussreich. Das Innenministerium NRW meldet für unser bevölkerungsreichstes Bundesland für 2023 einen Anstieg an Gewaltdelikten um 3,4 Prozent. Im Vergleich dazu Sachsen: ein Plus von 10,9 Prozent, Sachsen-Anhalt ein Plus von 8,4 Prozent, Brandenburg plus 9,4 Prozent. Interessant dabei: dort leben sehr viel weniger Menschen ohne deutschen Pass.
Und Brühl? „Durch die ständige Präsenz des Brühler Ordnungsdienstes sowie auch der Streetworker hat sich die Situation am Balthasar-Neumann-Platz deutlich ins Positive verändert, sagte Bürgermeister Dieter Freytag in seiner Haushaltsrede 2023, „die Gruppenbildung der Trinkenden hat sich nach und nach aufgelöst. Inzwischen sind dort lediglich vereinzelt bekannte Gesichter anzutreffen.“
„Die Anzahl von Übergriffen mit Diebstahl ist in den letzten Jahren extrem gestiegen“, hieß es ebenfalls im Brühler Schlossboten vom 23.07.24. Natürlich gibt es auch in Brühl Fälle von Diebstahl. Doch kein Ansprechpartner bei der Stadt kann einen extremen Anstieg bestätigen.
Interessant scheint zum Thema Kriminalität folgende Meldung des NRW-Innenministeriums: mehrere Tötungsdelikte aus den letzten Jahrzehnten wurden durch das Landeskriminalamt NRW "nachträglich als Taten mit rechtsextremistischer Motivation" eingestuft. Darunter sind unter anderem rechtsmotivierte Tötungsdelikte aus den Jahren 1995, 1997 und 2005 sowie weitere Fälle. Die Mutter aller Nachrichtensendungen, die „Tagesschau“, meldete am 24.08.2024: „Die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten in Deutschland nimmt rasant zu. Die erst kürzlich aufgestellte Rekordzahl wurde im ersten Halbjahr 2024 noch einmal überschritten - um etwa 3.000 Fälle. Fast 10.000 registrierte Fälle im ersten Halbjahr 2024: die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund hat ein neues Hoch erreicht.“ Das seien laut Bericht "so viele rechte Straftaten wie noch nie".
Diese Fakten unterschlagen pauschale Schuldzuweisungen wie: „Sich sicher fühlen, auf dem Heimweg, im Park, in der Unterführung, das ist leider Vergangenheit.“ (Quelle: Brühler Schlossbote vom 23.07.2024).
Wir sollten uns nicht verunsichern lassen. Behauptungen ohne Angabe von Quellen müssen wir hinterfragen, kritisch betrachten, prüfen, und uns nicht manipulieren lassen. Also: hinsehen, aufpassen, aufeinander achten. Und im Notfall die Polizei rufen.
LeserReporter/in:Susanne Bourier aus Brühl |
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