Überraschung beim Gebäudeabriss
Bauherr übergab ein Stück Stadtgeschichte

Bauherr Hendrik van Elst (rechts) übergab an Bürgermeister Stefan Caplan ein „Stück Stadtgeschichte“. | Foto: Stadt Burscheid
  • Bauherr Hendrik van Elst (rechts) übergab an Bürgermeister Stefan Caplan ein „Stück Stadtgeschichte“.
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Burscheid - „Das ist schon etwas Besonderes, wenn einem ein Stück
Stadtgeschichte überreicht wird“, freute sich Bürgermeister Stefan
Caplan über ein Geschenk des neuen Eigentümers des ehemaligen
Jugendzentrum-Geländes in Sträßchen. Hendrik van Elst überreichte
im Rathaus den beim Gebäudeabriss entdeckten Grundstein mit dem
eingeprägten Datum 27.07.1951. Und nicht nur das: Gefunden wurde auch
eine unter dem Grundstein verborgene Kupferhülse mit spannendem
Inhalt.

Spannender Rückblick in frühere ZeitenEine Urkunde, datiert vom 27.
Juli 1951 und unterzeichnet von den damaligen Stadtvertretern
Bürgermeister Jung und Stadtdirektor Schmitz, beschreibt den
Beweggrund der Grundsteinlegung so:

„Das in den Jahren 1816/1817 errichtete Schulgebäude in Sträßchen
entsprach schon längst nicht mehr den Anforderungen, die an ein
modernes Schulhaus gestellt werden müssen. Bereits 1915 bestand der
Plan, ein neues Schulhaus zu errichten, doch der von 1914 - 1918
dauernde 1. Weltkrieg verhinderte seine Ausführung. Im Jahr 1919
wurde der Architekt Kegel aus Markusmühle beauftragt, neue Planungen
durchzuführen. Diesmal machte der am 1. September 1939 ausgebrochene
2. Weltkrieg der bis zum 8. Mai 1945 die Welt erzittern ließ, das
Friedenswerk unmöglich…“. Die Urkunde endet mit dem Satz: „Wir
wünschen und hoffen, dass das neue Schulhaus eine lichte
Bildungsstätte für die Kinder des Schulbezirks Sträßchen wird, in
der sie zu guten und ehrenhaften deutschen Menschen erzogen werden.
Möge diese neue Kulturstätte an der alten bergischen Landstraße den
kommenden Generationen zum Nutzen und Segen gereichen“.

Der Burscheider Eberhard Kotthaus, der bei der Übergabe im Rathaus
leider nicht dabei sein konnte, kann sich noch gut erinnern: „ Als
Schüler habe ich bei dem Festakt zur Grundsteinlegung mit meinem
Schulchor gesungen. Das war schon besonders“.

Neben der Urkunde befanden sich in der Kupferhülse eine Ausgabe der
Heimatzeitung Bergischer Volksbote vom 2./3. Juni 1951 sowie eine
ausführliche zusammenfassende Beschreibung der Burscheider Situation
zur Zeit der Grundsteinlegung. Niedergeschrieben wurde z. B. die
Zerrissenheit in einen östlichen und einen westlichen Teil
Deutschlands, die verwaltungsmäßige Organisation mit der damaligen
Zugehörigkeit zum Rhein-Wupper-Kreis, die Besetzung Burscheids durch
amerikanische und britische Truppen, die Sorge, ob die D-Mark-Währung
stabil bleibt. Interessant dargestellt wurde auch ein Preisvergleich
zwischen den Jahren 1914 und 1951: so kostete beispielsweise ein
dreipfündiges Schwarzbrot 1914 35 bis 38 Pfennige, 1951 schon 84
Pfennige; 50 Kilogramm Speisekartoffeln kosteten 1914 2,50 D-Mark und
1951 bereits 6 D-Mark.

Auch die Kurzarbeit in den Burscheider Firmen Frankenstein
(Schuhfabrik) und den mechanischen Webereien Albert Peters in
Burscheid und Oskar Pott in Hilgen wird beschrieben. In der
Metallbranche (Firma Friedrich Goetze) dagegen wurde mit verstärkter
Belegschaft und teils mit Überstunden gearbeitet, heißt es.

Interessant sind auch die Darstellung des Burscheider Gemeindegebietes
und die Einwohnerzahl: 1914 betrug die Flächengröße Burscheids
2.425 ha und die Einwohnerzahl 6.882. 1951: 2.750 ha Flächengröße
und 11.843 Einwohner – darunter 2.517 Vertriebene.

Die weiteren Aufzeichnungen betreffen die großen ortsansässigen
Industriebetriebe, den Personalbestand der Stadtverwaltung,
Beschädigungen im 2. Weltkrieg, den Öffentlichen Nahverkehr, die
Wasserversorgung, Krankenhaus, Musik- und Sportvereine, Ehrenbürger,
Wohnungsnot und deren Behebung durch neue Siedlungshäuser auf dem
Griesberg und in Hilgen-Dünweg, die Feuerwehr und nicht zuletzt das
Burscheider Schulwesen.

Der umfassende Bericht endet mit dem Text: „Die Nachwelt wird aus
vorstehenden kurzen Aufzeichnungen sich ein Bild von den
gegenwärtigen Verhältnissen machen können. Sie wird aber auch
daraus entnehmen, wie sehr wir noch unter den Folgen des letzten
Weltkrieges leiden. Trotz aller Schwierigkeiten aber wollen wir uns
nicht unterkriegen lassen und nicht müde werden, nach besten Kräften
zum Wohle der Allgemeinheit zu wirken...“.

Bereits 1953, also zwei Jahre nach Baubeginn, konnte der Unterricht in
dem neuen Schulgebäude nach dem „Freyburger System“ begonnen
werden. Ende des Jahres 1966 ging diese Ära jedoch zu Ende und die
Schule wurde geschlossen. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude dann
einer neuen Bestimmung zugeführt und auf Privatinitiative
Jugendlicher und junger Erwachsener als Jugendzentrum „Megaphon“
genutzt.

Bereicherung für das StadtarchivBürgermeister Caplan: „Die
geborgenen Aufzeichnungen werden unser historisches Stadtarchiv
bereichern. Und für den alten Grundstein haben wir bereits einen
geeigneten Platz im Auge“.

Auch Stadtarchivar Sascha Kempf freut sich über den Fund und hat ihn
inzwischen in den Archivbestand aufgenommen. „Interessenten können
gerne Einblick nehmen. Hierfür ist eine vorherige Terminabsprache
unter Tel. 02174 670-341 oder per E-Mail unter bildung@burscheid.de
erforderlich“, räumt der Stadtarchivar ein.

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