Warum dauert das so lange?
Interview zur Situation an den Autobahnen A1, A61 und A553
Rheinland - Mitte Juli sorgte das Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen
dafür, dass kleine Bäche und Flüsse zu reißenden Strömen wurden.
Die Wassermassen beschädigten Häuser, Brücken, Straßen und auch
die Autobahnen im Rheinland – ganz besonders im Bereich der A1 und
A61 in Köln, im Rhein-Erft- und Rhein-Sieg-Kreis. Volker Düster von
den Rheinischen Anzeigenblättern hat rund zwei Monate nach der
Katastrophe mit Sebastian Bauer von der Autobahn GmbH des Bundes,
Niederlassung Rheinland, den Stand der Dinge besprochen:
Herr Bauer, die drängendste Frage, die überall diskutiert wird,
gleich vorneweg: Warum dauert die Behebung der Schäden so lange?
Sebastian Bauer:„Man muss zunächst die Gesamtlage
betrachten: An der gesamten Infrastruktur im südlichen Rheinland sind
insgesamt Schäden in Milliardenhöhe entstanden. Neben den
zerstörten Straßen- und Schienenwegen wurden mehr als 100
Straßen-Bauwerke beschädigt: Brücken, Tunnel, Lärmschutzwände und
Stützwände. Dazu kommen zahlreiche Hangrutsche, die die Straßen
destabilisiert haben. Allein an der A1, A61 und A553 zählen wir rund
20 solcher massiver Erdbewegungen. Zwölf Brücken müssen komplett
abgerissen und neu gebaut werden, davon zwei Autobahnbrücken. Das
alles dauert.“
Das ist verständlich, aber könnte man nicht deutlich schneller sein,
gerade was die Verkehrsadern A1 und A61 betrifft?
Sebastian Bauer:„Schon freitags, also direkt nach den
verheerenden Unwettern vom Mittwoch und Donnerstag, haben die
Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten begonnen. An nahezu allen Stellen
im weiträumig zerstörten Infrastrukturnetz wird seitdem gleichzeitig
gearbeitet. Die Baufirmen haben alle verfügbaren Mitarbeiter in das
Krisengebiet geschickt, um dort die Arbeiten voranzutreiben,
insbesondere an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten.
Ein konkretes Beispiel: Die Autobahn GmbH arbeitet aktuell mit
Hochdruck daran, die A61 teils provisorisch so herzustellen, dass der
überregionale Verkehr die Strecke zwischen den Autobahnkreuzen Kerpen
und Meckenheim wieder befahren kann. Wir rechnen aktuell damit, dass
gegen Ende des Jahres die meisten Abschnitte zumindest eingeschränkt
wieder befahrbar sein werden. Zwischen den Autobahnkreuzen Bliesheim
und Meckenheim soll der Verkehr bereits in den nächsten Wochen wieder
rollen. Dort hatte ja der Schießbach, der zwischen den
Anschlussstellen Swisttal-Heimerzheim und Miel die Autobahn quert, die
Fahrbahn in voller Breite auf mehreren Metern weggerissen. Inzwischen
wurden provisorisch vier Kanalrohre verlegt, die den Bach zukünftig
unter der Autobahn durchleiten. Ein neues Brückenbauwerk wird später
in einer geplanten Maßnahme gebaut. Jetzt muss noch die Fahrbahn neu
aufgebaut werden, dann ist diese Lücke vorerst geschlossen.“
Aber diese Baustelle ist im Bereich der A1 / A61 ja nur eine von
vielen: Welche Optionen werden denn geprüft, wie dort die Bauzeiten
verkürzt werden können?
Sebastian Bauer:„Die Autobahn GmbH Rheinland hat eine
Vielzahl an laufenden und geplanten Maßnahmen zu Gunsten all dieser
Baustellen zurückgestellt. Damit wird den Unternehmen, die in der
Region tätig sind, die Gelegenheit gegeben, Reparaturarbeiten auf der
A1, A61 und A553 priorisiert zu bearbeiten und alle Ressourcen
möglichst dorthin zu verlagern.“
Besteht denn nicht die Möglichkeit, diese Baustellen rund um die Uhr
voranzutreiben, auch samstags und sonntags?
Sebastian Bauer:„Diese Möglichkeit haben wir
selbstverständlich geprüft. Wir würden uns natürlich wünschen,
dass auf diesen Baustellen möglichst rund um die Uhr gearbeitet wird.
Das größte Problem ist aber, dass dafür auch genügend Bauarbeiter
verfügbar sein müssen. Unsere Auftragnehmer schöpfen alle
verfügbaren Ressourcen aus. Aber es ist wahnsinnig viel, was wieder
aufgebaut werden muss - auch abseits der Autobahnen.“
Wären keine Behelfslösungen realisierbar, um zumindest einzelne
Fahrstreifen öffnen zu können, während an den Baustellen weiter
gearbeitet wird?
Sebastian Bauer:„Die Öffnung einzelner Fahrstreifen wird
ja – da, wo möglich - umgesetzt. Das ist zum Beispiel auf der A1
zwischen Köln-Lövenich und -Bocklemünd der Fall. Auch in weiteren
Bereichen werden aktuell Behelfslösungen geprüft, wie zum Beispiel
eine provisorische Überfahrt im Dreieck Erfttal (A1/A61).“
Was konnte denn bislang bereits alles an Arbeiten erledigt werden, und
was steht als nächstes auf dem Plan?
Sebastian Bauer:„Nach gut einem Monat konnten von 220
Straßensperrungen bereits 85 Prozent wieder aufgehoben werden.
Trotzdem sind die Schäden zum Teil so massiv, dass die
Wiederaufbauarbeiten stellenweise leider Monate in Anspruch nehmen
werden. Sobald Strecken freigegeben werden können, passiert dies, da
können Sie sicher sein. Aktuell laufen zum Beispiel weiterhin
zahlreiche Böschungssicherungen, viele sind inzwischen auch schon
abgeschlossen. Darüber hinaus werden vor allem die Bauarbeiten in den
Bereichen mit starken akuten Verkehrsbeeinträchtigungen
forciert.“
Damit sprechen Sie die A1 und A61 im Bereich des Autobahndreiecks
Erfttal an?
Sebastian Bauer:„Nicht nur. Infolge des Starkregens war
beispielsweise auch die Böschung entlang der A1 zwischen den
Anschlussstellen Köln-Lövenich und -Bocklemünd in Richtung Dortmund
auf anderthalb Kilometern Länge abgerutscht. Zwischenzeitlich mussten
zwei der drei Spuren auf dem Teilbereich des Kölner Rings gesperrt
werden. Nach wochenlanger Zweispurigkeit, in der ein geotechnisches
Gutachten erstellt wurde, wurde nun eine temporäre Verkehrsführung
eingerichtet. Somit stehen hier aktuell drei eingeengte Fahrspuren zur
Verfügung. Die Planungen zur Sanierung befinden sich in der finalen
Phase. Anschließend wird die Böschung neu aufgebaut und gesichert.
Danach werden entstandene Hohlstellen verfüllt und Schäden an der
Fahrbahn repariert.“
Und wie sieht es an der A1 bei Hürth aus?
Sebastian Bauer:„Fest steht: Diese Baustelle braucht am
meisten Zeit. Die A1 ist ja seit der Flut zwischen der Anschlussstelle
Hürth und dem Autobahndreieck Erfttal in beiden Fahrtrichtungen voll
gesperrt, weil das Brückenbauwerk "Liblarer Mühlengraben" extrem
stark beschädigt wurde. In Fahrtrichtung Dortmund wurde das
Teilbauwerk durch die Fluten gänzlich weggerissen. In Fahrtrichtung
Koblenz stand das Teilbauwerk zwar nach der Flut noch, musste aber auf
Grund der immensen Schäden abgerissen werden. Ein neues Bauwerk ist
notwendig. Für die Arbeiten musste an dieser Stelle dann zunächst
der querende Bach umgeleitet werden. Ein Teil der fehlenden Fahrbahn
wurde zu bautechnischen Zwecken vorübergehend verfüllt. Im nächsten
Schritt werden Bohrpfähle für die Errichtung der Widerlager gesetzt
. Damit beginnt dann der eigentliche Neubau in diesem Monat. Für das
erste Teilbauwerk wird mit einer Bauzeit von voraussichtlich vier
Monaten gerechnet. Im Anschluss benötigt das zweite Teilbauwerk nach
derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich drei Monate Bauzeit.“
Aber auch hier noch einmal die Frage: Warum dauert das so lange?
Sebastian Bauer: „An dieser Stelle können wir leider
nicht mit einem Provisorium arbeiten. Deshalb muss das eigentliche
Brückenbauwerk neugebaut werden. Brücken sind sehr komplexe
Ingenieursbauwerke. Die können nicht ganz so schnell aufgebaut
werden, wie wir uns das wünschen würden."
Das Brückenbauwerk ist aber nicht die einzige Baustelle im Bereich
Erftstadt…
Sebastian Bauer:„Ja, leider. Im Autobahnkreuz Bliesheim
(A1/A61/A553) sind zehn Böschungen abgerutscht. Zudem ist ein Kanal
beschädigt. Hier müssen nun die Böschungen neu gesichert und der
Kanal repariert werden. Derzeit sind nur die Überfahrten von der A61
aus Koblenz kommend auf die A553 nach Köln sowie zwischen der A553
und der A1 von und nach Euskirchen befahrbar.“
Aber auch nur zum Teil…
Sebastian Bauer:„Das ist richtig. Die A553 ist zwischen
dem Autobahnkreuz Bliesheim und der Anschlussstelle Brühl-Süd nur
einspurig befahrbar und an dieser Stelle auch ein gutes Beispiel, weil
hier ebenfalls eine Böschung abgerutscht ist. Die Böschung muss
komplett neu aufgebaut werden. Das erfolgt mit schweren
Wasserbausteinen und grobem Kies, um mehr Standsicherheit zu
gewährleisten. Der forstwirtschaftliche Weg, der oberhalb der
Böschung war, muss ebenfalls wieder hergestellt werden. Zudem wird
eine Entwässerungsmulde parallel zum Weg neu angelegt. Der parallel
zur Autobahn liegende Entwässerungsgraben muss auf etwa 100 Metern
Länge gereinigt, neu profiliert und mit einer neuen sogenannten
Drainageleitung versehen werden. Und darüber hinaus muss dort die
Standspur in Teilbereichen von Grund auf erneuert werden, weil sie bis
zu einem Meter tief abgesackt ist.“
Und das ist räumlich gesehen immer noch nicht die größte Baustelle
im Großbereich des Autobahnknotenpunkts A1/A61/A553…
Sebastian Bauer:„Nein, die liegt in Höhe von Blessem.
Dort sind auf einer Überfahrt im Autobahndreieck Erfttal (A1/A61) die
Lärmschutzwand, der Seitenstreifen und sogar der rechte Fahrstreifen
abgängig. Die Lärmschutzwand ist auf einer Länge von über 100
Metern vollständig in die Erft gestürzt. Die Trümmer wurden nach
der Flut zunächst einmal aus der Erft geborgen. Dort folgt nun die
Sicherung des Hangs, dann wird die Fahrbahn wieder hergestellt.
Derzeit wird auch geprüft, ob die Errichtung einer provisorischen
Überfahrt möglich ist. Die Lärmschutzwände werden in einer
nachgehenden Maßnahme neu errichtet.“
Mit Blick auf die lange Bauzeit sind aber auch schon zusätzliche
Schwierigkeiten absehbar, der Winter naht…
Sebastian Bauer: „Die Wintermonate bringen natürlich mit
sich, dass das Wetter sehr wechselhaft ist. Dadurch sind bestimmte
Arbeiten, wie zum Beispiel das Gießen von Asphalt, nur bedingt
möglich. In der Regel dauern solche Behinderungen aber nur wenige
Tage an und werden dann ausgeführt, wenn die Witterungsbedingungen
dies erlauben.“
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bauer, und die Auskünfte zur
aktuellen Situation.
Redakteur/in:Düster Volker aus Erftstadt |
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