Nacht-und-Nebel-Aktion
Kiewer-Jugendkicker fliehen ins Rheinland

Die Jugendlichen aus der Kiewer Fußball-Akademie sollen im Rheinland einen möglichst "normalen" Fußball-Alltag erleben, um sie auf andere Gedanken zu bringen. | Foto: privat
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Die Geschichte der U17 einer Kiewer Fußball-Akademie ist ein unfassbares Beispiel dafür, wie sehr der grausame Ukraine-Krieg die Menschen berührt und auch im Rheinland Wellen schlägt, Wellen der Hilfsbereitschaft - angesichts unglaublicher persönlicher Schicksale. In diesem Fall begann alles mit einer Nacht-und-Nebel-Aktion.

26 Jugendliche, alle im Alter um die 16 Jahre, starteten Mitte März von einem Moment auf den anderen eine Fahrt ins absolut Ungewisse. Alle sind Fußballspieler einer Kiewer Akademie. „Ihr Sportdirektor hat die Jungs ad hoc in einen Bus gesetzt und ihnen erklärt, dass sie jetzt noch die Chance hätten, dem Krieg zu entfliehen, bevor ihnen wohl bald selbst eine Waffe in die Hand gedrückt wird“, erläutert Stefan Rönz.

In Sicherheit: Die Mannschaft kam am Bahnhof in Siegburg an und wurde dort von Stefan Rönz' Helfer-Team in Empfang genommen. | Foto: privat
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Meckenheimer Stefan Rönz organisiert Hilfe

Der fußballbegeisterte Meckenheimer kennt den ukrainischen Sportdirektor seit Jahren, der ihm erzählte, dass die Jungs jetzt - nur begleitet von zwei Müttern - auf dem Weg nach Prag seien. Der Mannschaftskapitän diente per Handy auf Englisch als Ansprechpartner. „Ich habe dann kurzerhand um 23 Uhr für das Team noch schnell Bustickets von Prag nach Dresden geordert. Von dort ging es dann weiter per Zug bis zum Bahnhof nach Siegburg“, fasst Stefan Rönz in kurzen Worten eine stundenlange Odysee für die Jugendlichen zusammen.

Spontane Hilfe für die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geflüchteten Jugendkicker aus Kiew organisierte Stefan Rönz, der zunächst auch das Training und die Leitung der Mannschaft übernahm. | Foto: privat
  • Spontane Hilfe für die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geflüchteten Jugendkicker aus Kiew organisierte Stefan Rönz, der zunächst auch das Training und die Leitung der Mannschaft übernahm.
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Während die Mannschaft auf dem Weg raus aus dem Kriegsgebiet und rein ins Rheinland war, wurde hier bereits kräftig organisiert. „Wir brauchten quasi über Nacht Möglichkeiten, wo wir die Jungs unterbringen können“, erklärt der Meckenheimer. Binnen Stunden war es nach unzähligen Telefonaten geschafft.

Hilfe aus Erftstadt von Markus Schenk und Ilja Jenniges

Stefan Rönz‘ Netzwerk reichte dabei vom Bonner Raum bis nach Erftstadt. Hier hörten Markus Schenk, A-Jugend-Trainer des SC Ville Erftstadt, und Ilja Jenniges, Trainer der 3. Mannschaft des VfB Blessem, am frühen Abend von der Flucht der Jugendmannschaft. „Für uns stand sofort fest, dass wir helfen möchten“, erklärt das Duo aus Erftstadt-Liblar. „Die Stadt Erftstadt konnte kurzfristig nicht helfen und auch andere Ideen für eine gemeinsame Unterbringung aller Jungs waren auf die Schnelle nicht zu realisieren. Also mussten wir mehrere private Unterkünfte suchen. Drei der Jungs konnten wir in Erftstadt unterbringen. Nachts um 1.30 Uhr war für alle Jugendlichen ein ‚Zuhause‘ gefunden.“

Tatkräftige Hilfe erhielt Stefan Rönz auch aus Erftstadt, wo Ilja Jenniges (l.) und Markus Schenk ihr Netzwerk aktivierten. | Foto: privat
  • Tatkräftige Hilfe erhielt Stefan Rönz auch aus Erftstadt, wo Ilja Jenniges (l.) und Markus Schenk ihr Netzwerk aktivierten.
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Den Großteil der Mannschaft konnte Stefan Rönz in Bonn, Alfter, Meckenheim und Bad Honnef unterbringen. Am nächsten Morgen standen die „Gastfamilien“ dann bereits um 11 Uhr am Siegburger Bahnhof bereit, um die Kiewer Jugendlichen nach ihrer strapaziösen Flucht in Empfang zu nehmen. „Da ging die ­Arbeit aber erst richtig los“, erläutert das Trio, „die meisten hatten ja nur eine notdürftig gepackte Sporttasche mit.“ Fortan wurde sich entsprechend um Anziehsachen, Schuhe und Fußballequipment gekümmert – und um Trainingsmöglichkeiten, um dem Team in dieser schwierigen Zeit ein wenig Normalität bieten zu können. Stefan Rönz, lizensierter DFB-Trainer, übernahm die Leitung der Mannschaft.

„Peace“-Trikotsatz in den ukrainischen Farben

In Erftstadt arbeiteten Ilja Jenniges und Markus Schenk derweil daran, das Team nach Kräften zu unterstützen. Sie fuhren die drei Jungs aus Erftstadt zu den Einheiten in Richtung Bonn und streckten parallel ihre Fühler aus: „Wir haben Spenden gesammelt und Sponsoren gesucht, um die Jungs neu ausstatten zu können. Ein großer Dank gilt der Malereinkauf MEG West-Südwest und Mobau Selbach, aber auch allen anderen privaten Gönnern“, erklärt das Erftstädter Duo. Dank der Unterstützung konnte Ilja Jenniges einen neuen Trikotsatz in den ukrainischen Farben organisieren, damit das Team auch Spiele bestreiten kann.

Geld wurde auch bei einem kurzfristig angesetzten Benefizspiel zwischen Ilja Jenniges‘ 3. Mannschaft des VfB Blessem und der A-Jugend von Germania Lechenich auf der Sportanlage in Köttingen gesammelt, wo der SC Ville Erftstadt für das leibliche Wohl der Besucher sorgte. Dank der vom VfB-Team und vom SC gespendeten Lebensmittel konnte der komplette Erlös der Kiewer Mannschaft zu Gute kommen, zu der mittlerweile noch zwei weiter geflohene Spieler stießen.

Die Jugendabteilung des SC Ville organisierte zudem einen weiteren, besonderen Trikotsatz. Markus Schenk: „Der wird von SC-Jugendleiterin Kirstin Wollsiefer bedruckt, die extra eine Presse gekauft hat - mit einem Peace-Zeichen und ­einem ‚Händereichen‘ sowie der Aufschrift ‚friendship Kiew – Erftstadt‘.“

SC-Jugendleiterin Kirstin Wollsiefer, die extra eine Presse kaufte, bedruckte selbst den neuen Trikotsatz - mit einem Peace-Zeichen und ­einem ‚Händereichen‘ sowie der Aufschrift "friendship Kiew – Erftstadt". | Foto: privat
  • SC-Jugendleiterin Kirstin Wollsiefer, die extra eine Presse kaufte, bedruckte selbst den neuen Trikotsatz - mit einem Peace-Zeichen und ­einem ‚Händereichen‘ sowie der Aufschrift "friendship Kiew – Erftstadt".
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Benefizturnier am 8. Mai in Brühl

Ein Freundschaftsspiel konnte schnell gegen die U17-Bundes­liga-Mannschaft des FC Hennef organisiert werden. Die 05er sagten dem Kiewer Team ebenfalls ihre Unterstützung zu. Mit vereinten Kräften konnten Stefan Rönz, Ilja Jenniges und Markus Schenk, Vereinsvertreter und sonstige Helfer die gesamte Mannschaft dann nach knapp einer Woche wieder vereinen: „Bis auf Weiteres sind die Jungs jetzt in der Sporthochschule Hennef untergebracht, wo sie verpflegt und trainiert werden. Das ist wirklich super, wir sind sehr dankbar dafür!“

Ankunft im vorläufigen neuen Zuhause, der Sportschule Hennef, wo alle mittlerweile 28 Jungs wieder vereint werden konnten. | Foto: privat
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Stefan Rönz, Ilja Jenniges und Markus Schenk organisieren aber weitere Aktionen für das Team, zum Beispiel Freundschaftsspiele, unter anderem gegen Bayer 04 Leverkusen (U17) und den 1. FC Köln (U16), oder am 8. Mai auch ein großes Benefiz-Turnier im Schlosspark-Stadion in Brühl, um die Jungs ein wenig auf andere Gedanken zu bringen.

„Sie sagen, alles ist okay, aber ich weiß: Das ist nur Gerede!“

Denn auch, wenn die Jugendlichen hier in Sicherheit sind und einen für sie „gewohnten“ Fußball-Alltag erleben, mit den Herzen sind sie in Kiew: „Es ist hart, sehr hart für alle Jungs, hier ohne die Eltern zu sein. Aber es war Zeit, wegzugehen - unter diesen Umständen. Wir hoffen, dass der Krieg so schnell wie möglich vorbeigehen wird“, erklärt Mykola, der Kapitän des Teams. Und einer seiner Kollegen, Yehor, ergänzt auf die Frage nach seinen Eltern: „Ich spreche immer mit Ihnen. Sie sagen, dass alles okay ist, aber ich weiß, dass die Lage nicht okay ist. Das ist nur Gerede!“

Und so bleibt – nicht nur bei den Kiewer Jugendlichen – die Hoffnung, dass der Krieg in ihrer Heimat schnell beendet wird. Solange ist, zumindest vorerst, die „sichere“ Sporthochschule Hennef ihr „Zuhause“ – dank der Organisation von Stefan Rönz und seinem Team, unter anderem mit den Erftstädtern Ilja Jenniges und Markus Schenk.

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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