Mario Scholten, 42 und kerngesund
Mann wie ein Baum erlebt Corona-Albtraum

Bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus gelang es Mario Scholten nicht, auch nur eine Kugel ein klein wenig mit seiner Atmung zu bewegen. Die Auswirkungen der Corona-Infektion sind bei ihm bis heute noch zu spüren. | Foto: Scholten
  • Bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus gelang es Mario Scholten nicht, auch nur eine Kugel ein klein wenig mit seiner Atmung zu bewegen. Die Auswirkungen der Corona-Infektion sind bei ihm bis heute noch zu spüren.
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Erftstadt - Mario Scholten steht mitten im Leben, ist Familienvater, 42 Jahre
alt und eigentlich kerngesund. Deshalb hätte der Erftstädter nie
damit gerechnet, dass eine Corona-Infektion Ende November vorigen
Jahres für ihn persönlich so gravierende Konsequenzen haben würde.
„Ich war tagelang ein Wrack, und als es eigentlich besser werden
sollte, haben mich die Folgen der Infektion noch einmal eiskalt
erwischt!“ Volker Düster sprach mit dem Polizisten über seine
Erkrankung, die Folgen und seine Lehren aus dem Erlebten:

Hallo Herr Scholten, wie geht es Ihnen?

Mario Scholten:Danke, im Großen und Ganzen geht es langsam
wieder. Auch wenn die Corona-Infektion und die Folgen mittlerweile
mehr als einen Monat zurückliegen, merke ich dennoch des Öfteren,
dass noch lange nicht alles wieder in Ordnung ist.

Sie sind mit fast zwei Metern Länge und Ihrer Konstitution „ein
Kerl wie ein Baum“ – was ist mit Ihnen passiert?

Mario Scholten:Ich war ganz ‚normal‘ im Alltag
unterwegs. Ich bin zur Arbeit gegangen und habe neben meinem Umbau
noch bei einem Umzug geholfen. Beides hat mich wohl körperlich
gefordert, zumal der Umzug - wie mein Polizeidienst - komplett
Corona-gerecht mit Maske, bei offenen Fenstern und mit leichtem
Durchzug über die Bühne ging: durchgeschwitzt und das bei den ersten
frostigen Temperaturen, da hat wohl alles angefangen.

Dann haben Sie sich dort mit Corona angesteckt?

Mario Scholten:Nein, dort auf keinen Fall, das passt von
den Daten nicht. Die tatsächliche Infektion konnte nicht mit
Sicherheit nachvollzogen werden. Wahrscheinlich ist es letztlich auf
der Arbeit passiert, obwohl wir im Polizeipräsidium auch im Gebäude
verfügungsgemäß ständig Maske tragen. Aber durch die Baustelle und
den Umzug war mein Immunsystem wohl angegriffen, dann hatte ich eine
Erkältung und das hat das Corona-Virus ausgenutzt.

Wie hat sich die Corona-Erkrankung denn bemerkbar gemacht?

Mario Scholten:Ich hatte zunächst stärkere
Erkältungssymptome und dann, auf einmal, als hätte jemand auf einen
Knopf gedrückt, ging gar nichts mehr. Mir hat alles wehgetan,
wirklich alles – von den Haarspitzen bis runter in die Zehen.
Kopfschmerzen, als steckte ich in einem Schraubstock, am ganzen
Körper Muskel- und Sehnenschmerzen, selbst meine Augen haben
geschmerzt, wenn ich zur Seite geschaut habe.

Da sind Sie dann sofort zum Arzt gegangen?

Mario Scholten:Ja, umgehend am nächsten Tag – auch um
Gewissheit zu haben. Zu Hause die Familie und auch die Kollegen waren
ja potenzielle Erstkontakte. Gott sei Dank war ich bei meinem Hausarzt
Dr. Brüne - langjähriger Leitender Notarzt des Rhein-Erft-Kreises -
in den besten Händen. Er konnte die Auswirkungen auch nur mit
Erstaunen zur Kenntnis nehmen und im Austausch mit Kollegen versuchen,
die beste Medikation zusammenzustellen, denn es gab ja kaum
Erfahrungswerte. Mein Arzt sagte mir nur: Sie sind bislang der erste
schwere Verlauf in der Praxis seit Beginn der Pandemie, unser
härtester Fall! (lacht)

Und wie ging es dann weiter?

Mario Scholten:Das Ganze hat acht Tage gedauert, in denen
trotz immer stärker werdender Schmerzmittel zunächst überhaupt
keine Besserung eingetreten ist. Am 6. Tag dachte ich morgens, okay,
es geht aufwärts, bevor es nachmittags wieder so schlimm war wie
zuvor. Tatsächlich erst am 8. Tag war es - wieder wie per Knopfdruck
– vorbei, allerdings nur mit den Schmerzen.

Was meinen Sie damit?

Mario Scholten:Für mich begann da ja erst die weit
folgenreichere Phase. Seit dem sechsten Tag fiel mir das Atmen immer
schwerer – resultierend aus der ganzen schmerzhaften Husterei. Ich
konnte nicht mehr richtig durchatmen, war extrem kurzatmig. Auch das
Sprechen fiel mir immer schwerer. Dazu kam, dass ich immer wieder
blutiges Sekret abhustete. Da hat meine Lebensgefährtin erneut Dr.
Brüne kontaktiert, der sich auch die Tage zuvor schon täglich nach
meinem Zustand erkundigt hatte. Er veranlasste dann, mich mit dieser
Symptomatik umgehend ins Krankenhaus nach Erftstadt-Frauenthal bringen
zu lassen. Die Rettungskräfte kamen dann in Schutzanzügen, und ich
bin wie eine alte Oma zum Rettungswagen geschlichen. Dann ging es
direkt in die Isolierstation des Marien-Hospitals. Alle umliegenden
Krankenhäuser waren da schon gut belegt, in Frauenthal war noch
Platz.

Wie ging es in Frauenthal weiter?

Mario Scholten:Dort hat man mich natürlich komplett auf
den Kopf gestelllt, zwei Corona-Tests, großes Blutbild, sofort an den
Tropf und alles, was dazu gehört. Ich wurde zudem direkt mit
Sauerstoff versorgt, weil meine Sauerstoffsättigung schon extrem
niedrig war. Ich musste zwar nicht beatmet werden, hatte aber
Schläuche in der Nase, um die Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten.

Wieso war Ihre Sauerstoffversorgung nicht mehr gegeben?

Mario Scholten:Es war wohl so, dass sich die Corona-Viren
auch in der Lunge ausgebreitet hatten, weil ich durch die Erkältung
geschwächt war und wegen des Hustens auch nicht mehr komplett
durchgeatmet habe. Das wurde durch eine CT-Aufnahme festgestellt. Die
Lungenbläschen waren quasi auf dem Rückzug und konnten nicht mehr
genügend Sauerstoff aufnehmen. Ich konnte bei meinem ersten
Lungenfunktionstest im Krankenhaus die drei kleinen Bällchen in
diesem Atemrohr keinen Millimeter bewegen. Da tat sich nichts. Gott
sei Dank kriege ich nach einigem Training heute wieder alle normal
bewegt.

Wie lange mussten Sie mit Sauerstoff im Krankenhaus versorgt
werden?

Mario Scholten:Nach zwei Tagen und zwei Nächten hatte sich
die Sauerstoffsättigung wieder soweit normalisiert, dass eine
Unterstützung nicht mehr nötig war. Das war neben meiner zuvor sehr
guten körperlichen Konstitution eine Grundvoraussetzung, dass ich das
Krankenhaus nach vier Tagen wieder verlassen durfte. Was allerdings
nicht bedeutete, dass ich danach wieder komplett genesen war. Mein
Körper hatte einen Gewaltmarsch hinter sich. An den Folgen merke ich
auch heute noch, wie unberechenbar dieses Virus ist! Und genau das
zwingt mich auch heute noch, zu Hause sehr viel ruhiger zu treten als
vor der Infektion.

Apropos zu Hause: Was hat diese Zeit für Ihre Familie bedeutet?
Haben Sie auch Familienmitglieder mit dem Corona-Virus angesteckt?

Mario Scholten:Für meine Familie war das eine in doppelter
Hinsicht echt harte Zeit. Meine Lebensgefährtin Nadine musste sich um
alles alleine kümmern und unseren Haushalt und unsere mehr als
14-tägige Quarantäne samt Homeschooling organisieren. Dazu hat sie
mich versorgt und war dabei selbst auch Corona-positiv, ebenso eine
der drei Töchter unserer Patchwork-Familie. Die Kinder hat mein
Zustand schon sehr beängstigt. Und auch das musste meine
Lebensgefährtin auffangen – trotz eigener Angst und Befürchtungen.
Ebenso waren zahllose Telefonate mit dem Gesundheitsamt zu absolvieren
und die Kontaktnachverfolgung für drei Personen sicherzustellen. Also
allein organisatorisch eine riesige zusätzliche Belastung.

Wie war bei Ihrer Tochter und Ihrer Lebensgefährtin der Verlauf
der Erkrankung?

Mario Scholten:Komplett unterschiedlich. Unsere Große,
Luisa, hatte keine Symptome, Nadine im Grunde eine Erkältung, aber
leider auch keinen Geruchs- und Geschmacksinn mehr, was auch echt
gefährlich hätte werden können.

Was meinen Sie?

Mario Scholten:Sie hat eines Abends gekocht und nebenbei
gespült. Luisa kam kurz darauf in die Küche und machte Nadine auf
den mittlerweile angebrannten Topfinhalt aufmerksam, den sie bis in
ihr Zimmer gerochen hatte – Nadine, einen Meter neben dem
geschlossenen Topf, eben nicht. Das hätte auch anders ausgehen
können...

Haben all diese Erlebnisse Ihre Einstellung zu den
Corona-Schutzmaßnahmen verändert?

Mario Scholten:Ja, definitiv. Ich konnte mir vorher absolut
nicht vorstellen, dass mich persönlich das Corona-Virus so hart
treffen würde – erst recht, weil wir uns an sämtliche
Infektionsschutzvorgaben gehalten hatten. Die körperlichen
Auswirkungen und die Angst, nicht wieder richtig gesund zu werden, das
war eine enorme Belastung – für die ganze Familie. Die Kinder haben
mich so ja auch noch nie erlebt und schnell gemerkt, dass da etwas
ganz und gar nicht stimmt. Also ich werde mich jetzt auf jeden Fall
impfen lassen, sobald es möglich ist.

Das hört sich so an, als hätten Sie darüber bis vor kurzem noch
anders gedacht…

Mario Scholten:Ja, das gebe ich offen zu. Wir haben
gedacht, lass uns erst mal abwarten. Wer weiß, was mit dem Impfstoff
vielleicht für Beschwerden kommen. Nach meinen Erfahrungen kann ich
nur sagen: Eine Corona-Erkrankung kann niemand wollen. Man weiß ja
nicht, in welcher Lage sie einen erwischt und wie heftig der Verlauf
ist. Da bin ich mit meinen 42 Jahren doch das beste Beispiel. Und nach
dem, was ich erlebt habe, kann ich jedem nur dazu raten, sich
ebenfalls impfen zu lassen – für sich selbst und für die gesamte
Gesellschaft.

Vielen Dank für das offene Gespräch und gute Genesung!

Mario Scholten:Vielen Dank!

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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