Widerstand am Tagebau
Polizei hat mit Räumung von Lützerath begonnen

Polizisten rücken in den von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath vor. | Foto: dpa/Rolf Vennenbernd
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Heute Morgen war es soweit. Nachdem weitere Gerichtsurteile - das Verwaltungsgericht Aachen lehnte am Mittwoch zwei weitere Eilanträge gegen das Aufenthaltsverbot in dem Braunkohleort Lützerath ab - keine Wendung brachten, stand nun die Konfrontation bevor, die sich bereits wochenlang abgezeichnet hatte: Polizeikräfte rückten am Mittwochmorgen in den von Klimaaktivisten besetzten, symbolträchtigen Ort Lützerath  am Tagebaurand im Stadtgebiet von Erkelenz vor.

Damit begann die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleortes Lützerath. Es kam zu ersten Rangeleien, wie dpa-Reporter berichteten. «Die Räumung von #Lützerath hat begonnen. Der Bereich wird umzäunt. Personen im abgesperrten Bereich haben aktuell die Möglichkeit, den Ort ohne weitere polizeiliche Maßnahmen zu verlassen», schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter.

Protest könnte unterschiedlicher kaum sein

Doch bei ersten Aktionen wurden, nach Angaben der Polizei, auch Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen. Auch Molotow-Cocktails seien eingesetzt worden.

Dagegen waren aber auch Klavierklänge, Gebete und geistliche Gesänge zu hören. Einige Aktivisten protestierten bewusst mit leisen Tönen gegen den Polizeieinsatz. Ein Aktivist saß mitten im Regen an einem alten Klavier und spielte. Andere hatten sich um ein Kreuz versammelt, beteten und sangen «Von guten Mächten wunderbar geborgen». Weit oben auf einem Baumhaus saß ein Aktivist und spielte Gitarre.

Die Polizei offerierte eine letzte Möglichkeit, den Ort freiwillig zu verlassen. Andernfalls «müssen Sie mit der Anwendung unmittelbaren Zwangs rechnen», hieß es in einer Durchsage. Erste Aktivisten folgten der Aufforderung und gingen freiwillig. Sie wurden von Polizisten vom Gelände eskortiert. Viele wollen aber weiter Widerstand leisten und das Dorf besetzt halten. «Die Menschen sind fest entschlossen, dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen», sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative «Lützerath lebt». Zu möglichen Verletzten habe sie noch keine Erkenntnisse.

Lage stabilisiert - aber Kinder sind in der Sperrzone 

Nach dem Start der Räumung habe sich die Lage nach Angaben eines Polizeisprechers am Mittwochvormittag stabilisiert. Die Einsatzkräfte hätten den gesamten Bereich abgesperrt, niemand komme mehr unbefugt hinein, hieß es. Nun sei die Polizei auf dem gesamten Gelände aktiv, entferne etwa Barrikaden und bringe Aktivisten nach draußen. Personen könnten sich, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt in dem Areal bewegen.

Unter den Besetzern sind nach Polizei-Angaben aber auch Familien mit kleinen Kindern. Die Einsatzkräfte kritisierten das und forderten die Eltern zum Handeln auf. «Aufgrund weitreichender Gefahren im Einsatzraum, appelliert die #Polizei #Aachen an die Erziehungsberechtigten, den Bereich umgehend mit ihren Kindern zu verlassen», schrieben die Beamten am Mittwoch bei Twitter. Die Polizei helfe dabei, Familien sicher vom Gelände zu begleiten. In einem Nachsatz betonten die Einsatzkräfte ohne weitere Erklärung: «Das zuständige Jugendamt ist vor Ort und kümmert sich.»

So begann die Räumung: Zaun markiert betriebseigenes Gelände

Am Morgen waren Sirenen und Alarmglocken in dem besetzten Ort zu hören gewesen. Einige Aktivisten kletterten auf hohe Monopods und Tripods - zusammengebundene Stämme mit Plattformen. Sie wurden in den vergangenen Tagen errichtet, um es der Polizei möglichst schwer zu machen, an die Aktivisten heranzukommen. «Sie können den Bereich hier jetzt verlassen, ohne dass es weitere Konsequenzen für Sie hat», hieß es in einer Lautsprecher-Durchsage der Polizei.

Der Energiekonzern RWE kündigte an, dass als erstes ein eineinhalb Kilometer langer Zaun um den Ort gebaut werde. «Er markiert das betriebseigene Baustellengelände, wo in den nächsten Wochen die restlichen Gebäude, Nebenanlagen, Straßen und Kanäle der ehemaligen Siedlung zurückgebaut werden. Zudem werden Bäume und Sträucher entfernt», schrieb der Konzern. «Das Unternehmen bedauert, dass der anstehende Rückbau nur unter großem Polizeischutz stattfinden kann und dass Gegner des Tagebaus zu widerrechtlichen Störaktionen und auch Straftaten aufrufen.»

Die Kohle, die unter Lützerath liegt, werde benötigt, um in der Energiekrise Gas für die Stromerzeugung in Deutschland zu sparen, argumentierte RWE. Die Aktivisten bestreiten das.

Polizei rechnet mit "herausfordernstem" Einsatz

Die bevorstehende Räumung des Protestdorfs ist nach Einschätzung des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach einer der herausforderndsten Einsätze der letzten Jahre. Die Polizei erhält dafür Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet. Aktivisten haben etwa 25 Baumhäuser errichtet, einige davon in großer Höhe.

Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegene Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden. (vd/dpa)

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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