DLR plant Reallabor
Umnutzung von Kraftwerk im Rheinischen Revier zum Energiespeicher
Es sind Fragen, die nicht nur im Rahmen der Kohlekommission
kontrovers diskutiert werden: Wie ist die Versorgungssicherheit zu
gewährleisten, wenn der Strom primär aus erneuerbaren Energien
gewonnen wird? Und wie können die starken Schwankungen ausgeglichen
werden? Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in
Köln sind sich sicher, dass der Erfolg der Energiewende von der
Entwicklung neuer Speichertechnologien abhängt.
Die Ausgangslage
Strom, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, unterliegt
erheblichen Schwankungen: Windkraftanlagen sind unmittelbar abhängig
von der Windstärke, bei bewölktem Himmel erzeugt eine Solaranlage
sofort weniger Strom, in der Nacht geht der Ertrag gegen Null. Hier
unterscheidet sich die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien
fundamental von der kontinuierlichen Stromerzeugung in konventionellen
Kohle- und Gaskraftwerken.
"Mit Blick auf die Versorgungssicherheit muss das Energiesystem auf
allen Ebenen stark flexibilisiert werden, um Stromerzeugung und
-nachfrage auch bei hohen Anteilen schwankender Erzeugung erneuerbarer
Energien aufeinander abzustimmen. Dazu gehört auch die Kopplung der
Sektoren Strom, Wärme und Verkehr", sagt Prof. Dr. Karsten Lemmer,
DLR-Vorstandsmitglied für Energie- und Verkehrsforschung.
Die Idee des DLR
Aus Kohlekraftwerken mit hohen Partikel- und CO2-Emissionen werden
"gigantische thermische Akkus"!
An einem Kraftwerksstandort im Rheinischen Revier soll deshalb ein
Wärmespeicherkraftwerk als Reallabor errichtet werden. Ziel des Baus
und Betriebs dieser Pilotanlage ist es, Flüssigsalz-Wärmespeicher
einem umfassenden Praxistest zu unterziehen.
"Thermische Speicher bieten das Potenzial, ideale Energiespeicher im
Gigawattstunden-Maßstab zu sein", erläutert Prof. Dr. André Thess,
Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. "Wir
brauchen leistungsstarke Energiespeicher mit hohem Wirkungsgrad, die
zugleich ortsunabhängig und kostengünstig sind. Sie sind von
existentieller Bedeutung für ein zukünftiges Energiesystem auf Basis
von erneuerbaren Energien." Nur mithilfe der Speicherung können die
starken Schwankungen bei der Produktion umweltfreundlicher Wind- und
Solarenergie ausgeglichen und die - ebenfalls hochdynamische -
Energienachfrage gedeckt werden.
Kraftwerke weiternutzen statt abreißen
Prof. Dr. Bernhard Hoffschmidt, Leiter des DLR-Instituts für
Solarforschung: "Bestehende Kraftwerke zu großen Speicherkraftwerken
umzubauen, bietet gleich mehrere Vorteile. Mit der Nachnutzung kann
ein Großteil der bestehenden – zum Teil noch jungen und sehr
effizienten – Kraftwerkstechnik erhalten bleiben. Und indem die
Infrastruktur aus dem 'ersten Leben' der Kraftwerke zu großen Teilen
in ihr 'Third Life' übernommen werden kann, spart der Umbau enorme
Kosten und Arbeitsplätze können erhalten bleiben".
So kann die bestehende Kraftwerksinfrastruktur wie beispielsweise
Netzanschlüsse und Turbinen weitergenutzt werden. Nur die Zulieferung
des Rohstoffs und die Speicher ändern sich. Als Zwischenschritt auf
dem Weg zum vollständig kohlenstoffdioxidfreien Third Life - nach
einem ersten Leben als Kohle- und dem zweiten als Gaskraftwerk - ist
zunächst ein Hybridkraftwerk denkbar, in dem ein Mix aus
wärmespeicher- und gasbefeuertem Dampf den Strom generiert.
TESIS: DLR-Forschung an Hochtemperaturspeichern mit
Flüssigsalz
Als erfolgsversprechendes Speichermedium stellte sich Flüssigsalz
heraus. Salz wäre in mehrerlei Hinsicht ideal: Es ist kostengünstig,
weltweit verfügbar und kann in flüssiger Form bei Temperaturen
zwischen 170 und 560 Grad Celsius eingesetzt werden. Wärmeenergie in
Flüssigsalz zu speichern, testeten die DLR-Forscher ab September 2017
mit der Testanlage TESIS (Test Facility for Thermal Energy Storage in
Molten Salt) des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik am
Standort Köln.
Auch mit den Forschungsarbeiten des neuen DLR-Instituts für CO2-arme
Industrieprozesse in Cottbus, Zittau und Görlitz sollen neue Impulse
gegeben werden für die Entwicklung der regionalen Wirtschafts- und
Wissenschaftslandschaften, um die Industrie als großen Emittenten
für eine klimafreundliche Produktion zu unterstützen und
Arbeitsplätze zu erhalten.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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