Schule hat begonnen
Unsere Kinder müssen wieder Lehrer und Freunde sehen
Das lief nicht gut für die NRW-Landesregierung in der vergangenen
Woche: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sah sich gezwungen, die
wenige Minuten zuvor öffentlich gewordene 15. Schulmail von
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu kassieren und eine Korrektur
anzukündigen. Von „Wirrwarr“ war anschließend die Rede. Wie
groß der Druck im „System Schule“ zurzeit ist, weiß Frank Rock
nur zu gut. Der 49-Jährige ist schulpolitischer Sprecher der
CDU-Fraktion im Landtag und war bis zu seiner Wahl im Jahr 2017 selbst
Leiter einer Grundschule im Hürther Stadtteil Efferen.
Herr Rock, wie würden Sie das aktuelle Krisenmanagement des
Schulministeriums bewerten?
Frank Rock: Die Arbeit ist sehr viel besser als die
öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt. Zum einen ist die personelle
Situation im Ministerium sehr angespannt. Zum anderen müssen sie
wissen, dass die zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen vieler
Beteiligter zu berücksichtigen sind: 6.000 Schulen, Schulleitungen,
Lehrerkollegien, Schulträger, Schülerinnen und Schüler, deren
Eltern und auch die Politik - sie alle wollen gehört und
berücksichtigt werden. Der Druck im System Schule ist in diesen Tagen
riesengroß.
Alles gut also aus Ihrer Sicht?
Frank Rock: Nein, natürlich nicht. Dass die Kommunikation in
Krisenzeiten nicht einfach ist, darf die zuletzt gemachten Fehler
nicht entschuldigen. Das war sicherlich nicht gut. So bin ich zum
Beispiel der Meinung, dass die viel zitierten Schulmails besser
strukturiert, sehr viel kürzer und vor allen Dingen klarer formuliert
werden müssen. Dann entstehen auch weniger Irritationen. Da muss man
einfach wissen, wie zum Beispiel eine Schulleitung auf eine solche
Mail reagiert. Insbesondere in schwierigen Situationen wie wir sie
jetzt erleben. Aber entscheidend ist, dass am Ende vor Ort in den
Schulen gute Arbeit geleistet wird. Und da bin ich mehr als
optimistisch!
Mit Beginn der Corona-Krise ploppen regelmäßig an vielen Ecken
und Enden Problemfelder der Bildungspolitik auf. Das ist doch mehr als
eine Frage der Kommunikation ...
Frank Rock: Die Kommunen haben als Schulträger in den letzten
fünf Jahren gute Arbeit geleistet. Das möchte ich jetzt nicht klein
reden. Auf der anderen Seite, ja, die Pandemie zeigt uns deutlich die
Versäumnisse der Vergangenheit auf. Und auch die müssen wir offen
ansprechen. So ist zum Beispiel in den allermeisten Fällen die
Investition in die digitale Infrastruktur vergessen worden.
Dafür gab und gibt es doch eigene Programme, wo ist das Geld
denn?
Frank Rock: Der Digitalpakt läuft überhaupt nicht an, weil
die Wege über Schule, Schulträger, Bezirksregierung und zurück zu
lang und kompliziert sind. Und die Mittel aus dem Programm „Gute
Schule 2020“ sind eben leider zu wenig in digitale Projekte
gegangen, sondern meist haben Kommunen damit die Verbesserung der
baulichen Substanz ihrer Schulen finanziert. Klos statt Computer,
sozusagen.
In dieser Woche kommen die Viertklässler wieder in die Schule, vom
kommenden Montag an sollen alle Grundschüler wieder beschult werden.
Alles was man bisher hört, klingt nicht nach ausgeklügelten Konzept.
Wissen Sie mehr?
Frank Rock: Nein, ich weiß nicht mehr. Ich weiß nur, dass es
kein einheitliches Konzept geben wird, das alle Gegebenheiten in allen
Schulen abbilden könnte. Und: Es gibt keine einfache Lösung. Ich
gehe davon aus, dass sich die Situation bis zum Sommer nicht
grundlegend ändern wird. Auf der anderen Seite drängen die Kinder
jetzt wieder in die Schule. Darauf müssen wir reagieren. Also müssen
auch alle Kinder ihre Schule und ihre Bezugspersonen wieder sehen
können.
Wie soll das denn vom kommenden Montag an organisiert und geregelt
sein?
Frank Rock: Das Schulministerium muss einfache, klare Eckpunkte
formulieren und so den roten Faden vorgeben. Die Kompetenz, das im
Einzelfall bestmöglich individuell umzusetzen liegt in den Schulen
vor Ort. Schulleitungen, Lehrerkollegien und die Eltern können das
gemeinsam viel besser als eine Ministerin oder der Landtag.
Wie sehen denn die Eckpunkte aus?
Frank Rock: Eine gleichmäßige Verteilung der Stunden auf alle
Jahrgänge, einheitliche Festlegung auf bestimmte Fächer und
letztlich eine klare, einheitliche Regel für die Leistungsbewertung,
also den Einfluss auf die Zeugnisnoten und mögliche Folgen daraus.
Mit unserer Gesetzesänderung haben wir ja schon viele Schritte getan,
die Nachteile in dieser Situation verhindern.
Die Grünen im Landtag haben die Gesetzesänderungen nicht
mitgetragen, die Landeselternkonferenz hält es gar für
rechtswidrig...?
Frank Rock: Die Grünen wollten den Abiturienten ein Abi ohne
Prüfung versprechen. Aus meiner Sicht ein Unding, weil alle anderen
Bundesländer nach Absprache auch Prüfungen durchführen. Nach allem
was ich höre, laufen die Vorbereitungen in den Gymnasien sehr gut und
für die Prüfungen selbst sind wichtige Änderungen vorgenommen
worden.
Noch einmal zurück in die Grundschulen. Wie sollen Eltern das von
der kommenden Woche an organisieren, wenn ihre Kinder mal ein paar
Stunden in die Schule gehen und dann wieder tageweise zuhause
sind?
Frank Rock: Das ist in der Tat vor Ort für alle eine große
Herausforderung. Aber, ganz ehrlich, ich sehe keine Alternative.
Wie sollen Hygienemaßnahmen vermittelt werden, wenn es an Masken,
Seife und Desinfektionsmitteln fehlt?
Frank Rock: Beim Thema Masken sehe ich in erster Linie die
Eltern der Grundschüler in der Pflicht. Die Schule besorgt ja auch
nicht die Butterbrotdose. Alles andere ist Sache des Schulträgers.
Also der Kommunen. Das Ministerium hat ja die Möglichkeit für
zentrale Materialbestellungen zur Verfügung gestellt. Bestellt haben
dort interessanterweise aber Schulen und nicht die Schulträger. Wenn
nun die Schulleitung befürchtet, die erforderlichen Hygienemaßnahmen
nicht umsetzen zu können, muss die Schule geschlossen bleiben. Aber
das Problem sehe ich bei den Grundschulen eher nicht.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Zeit nach Corona. Welche Lehren
würden Sie gerne ziehen wollen?
Frank Rock: Wir müssen noch stärker als bisher das Kindeswohl
in den Mittelpunkt der Schulpolitik stellen. Das gilt sowohl für die
reine Beschulung der Kinder wie insbesondere auch für die
ergänzenden Betreuungsangebote. Wenn wir ehrlich sind, haben wir uns
da schwer getan, auch wenn es am Ende geklappt hat. Und, keine Frage,
wir müssen die Digitalisierung forcieren. Hardware für Lehrer und
Schüler einerseits, cloudbasierte Lernplattformen andererseits.
Beides kommt ganz nach oben auf meine Agenda als Schulpolitiker!
Herr Rock, wir danken für dieses Gespräch und: Bleiben Sie
gesund!
Redakteur/in:Ulf-Stefan Dahmen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.