Aus dem Heli in die Flut
Verrückte Handtaschen-Geschichte mit Happy-End
Derkum / Weilerswist / Bliesheim - In Erftstadt-Bliesheim sind nach der Flutkatastrophe weiterhin
fleißige „Clean up“-Helferinnen dabei, Müll, den das Hochwasser
angeschwemmt hat, einzusammeln und zu entsorgen. Doch diesmal sorgte
der „Müll“ für echte Freudentränen – kein Wunder! Die
verrückte Geschichte hinter einer Handtasche:
Es war am Morgen nach dem großen Regen. Gegen 7.30 Uhr erhielt
Angelika Faßbender am Donnerstag, 15. Juli, in ihrer Wohnung in
Derkum einen Anruf ihres damaligen Arbeitgebers, des Fahrdienstes
Weilerswist: „Mein Chef rief mich an und sagte, ich soll besser mal
mein Auto holen kommen, weil das Wasser der Swist unterhalb des
Swister Bergs immer weiter ansteige. Also habe ich mich mit meinem
Freund auf den Weg nach Weilerswist gemacht“, beginnt Angelika
Faßbender ihre Geschichte, die sie sicher nie vergessen wird – aus
gutem Grund: „Zum Auto hin sind wir noch gekommen. Das stand in
Richtung Brühl vor der Swist auf dem Schotterparkplatz. Als wir aber
wieder weg wollten, war dann schon so viel Wasser in den
Fahrbahnsenken in Richtung Brühl und zurück in Richtung Weilerswist,
dass wir mit dem Auto nicht mehr durch die Wassermassen fahren
konnten“, erinnert sich Angelika Faßbender. „Ein BMW hat es noch
versucht, blieb aber stecken und trieb später in eine Hecke ab“,
fügt ihr Freund Marcel Schmitz hinzu - und Angelika Faßbender
ergänzt: „Die Wassermassen wurden rasend schnell zu einem
reißenden Strom, unfassbar.“
"Völlig verrückt" - und dann kam der Helikopter
Danach begann für die Beiden das große Warten: „Wir haben mit
insgesamt fünf Personen in diesem Bereich gestanden, bestimmt vier,
fünf Stunden lang“, erinnert sich das Paar an eine unfassbare
Situation zurück: „Wir waren da wie auf einer Insel, und das Wasser
stieg ja noch weiter. Das Ganze war völlig verrückt, denn an dem
Morgen schien ja die Sonne. Da war eine riesen Luftfeuchtigkeit –
und ohne Ende Mücken und Insekten!“ Für Angelika Faßbender stand
das Schlimmste aber noch bevor, „denn dann kam der Helikopter.“
Die eigentliche Rettung verursachte bei der Derkumerin echte Panik:
„Ich habe tierische Höhenangst“, gesteht Angelika Faßbender.
„Mein armer Retter, Kai, hieß er, tut mir heute noch leid und ich
entschuldige mich immer noch. Ich habe ihn dermaßen angeschrien. Mir
kam der Flug bis hoch zum Swister Berg wie eine Ewigkeit vor“,
schildert Angelika Faßbender - in Gedanken noch einmal in
beängstigend luftiger Höhe.
Ganz anders die Ausgangslage bei ihrem Lebensgefährten: „Unter
anderen Umständen wäre der Heli-Flug sicher super gewesen“, lacht
er. Aber Marcel Schmitz war der Letzte, der gerettet wurde: „Ich
stand mittlerweile bis zu den Knien in der Flut. Der Heli hatte bei
den ersten beiden Rettungsflügen, bei denen jeweils zwei Personen
weggeflogen wurden, so viel Wasser aufgewirbelt, dass ich inzwischen
von Kopf bis Fuß klatschnass war. Und mir war eiskalt.“
Die Rettung, aber ohne Handtasche
Und dann war da ja auch noch die Handtasche: „Angelika hatte mir die
vor ihrem Flug gegeben. Wir hatten da unsere Portmonees samt Geld,
Bankkarten, Personalausweisen und so drin, drei Handys und noch
mehr“, fasst Marcel Schmitz zusammen und betont: „Unten hatte ich
sie noch über der Schulter. Als wir am Heli angekommen waren, saß
ich an der Kante und dachte noch: geschafft! Dann hat mich plötzlich
jemand in den Heli reingezogen. Ich vermute, dass ich sie dabei
verloren habe.“
Wieder am Boden wurde er dementsprechend erst einmal gar nicht so
freudig von seiner Freundin empfangen: „Ich habe sofort gesehen, da
fehlt doch was“, erklärt Angelika Faßbender, „und ich konnte nur
die Achseln zucken“, schmunzelt Marcel Schmitz heute. Seinerzeit
brachen aber bei seiner Freundin alle Dämme: „Ich habe geheult wie
ein Schlosshund. Neben dem privaten Zeug und Geld war da ja auch noch
das Taxigeld vom Vortag drin. Ich war in dem Moment völlig fertig.“
"Können uns nur bei allen Helfern am Swister Berg bedanken!"
Marcel Schmitz musste derweil auf Grund seiner Unterkühlung zunächst
einmal behandelt werden. Danach kümmerten sich Anwohner vom Swister
Berg um die Beiden: „Die waren wirklich alle super nett! Man hat uns
Klamotten gegeben und erstmal aufgenommen. Das war wirklich toll, wir
können uns nur noch einmal bei allen Helfern bedanken!“
Nach der Flut begann dann die Handtaschen-Suche – zum einen vor Ort
an der Swist, zum anderen in den sozialen Medien - aber erfolglos.
„Ich habe nicht gedacht, dass ich die Tasche noch einmal wiedersehe.
Wir haben dann alles neu beantragt.“
"Ich musste die Nachricht fünfmal lesen!"
Doch dreieinhalb Monate später erhielt Angelika Faßbender eine
Nachricht auf ihr Handy: „Ich habe zuerst gedacht, dass ist wieder
so eine Werbenachricht, doch da stand, dass man meine Handtasche
gefunden habe, in Bliesheim! Ich musste das fünfmal lesen, bis ich es
glauben konnte.“
"Nachdem ich samstags in Derkum keinen angetroffen hatte, hinterließ
ich eine Nachricht im Briefkasten. Als ich sonntags noch keine
Reaktion hatte, habe ich es per Handy-Nachricht versucht", berichtet
Heike Schoodt und Angelika Faßbender gesteht: "Ich war samstags nicht
mehr am Briefkasten."
Heike Schoodt ist, wie Sandra Sielaff, eine der „Clean up“-Damen
aus Bliesheim. Mit weiteren Helferinnen waren die beiden hinter der
Autobahn, kurz, nachdem sich die Swist mit der Erft vereint, unter
anderem in einem kleinen Wäldchen in Bliesheim dabei, allen
erdenklichen Müll aus den Tannen zu ziehen - bis auf einmal eine
Handtasche im Unterholz auftauchte. „Wir haben die dann gemeinsam
geöffnet, um zu sehen, wem sie gehört. Da haben wir zuerst gedacht:
Nicht, dass die von einem Taschendieb ist - drei Handys, zwei
Portmonees, unterschiedliche Namen auf den Personalausweisen“,
berichten die beiden Bliesheimerinnen lachend. Weit gefehlt, Angelika
Faßbender konnte alles erklären.
Blumen für Heike Schoodt und Sandra Sielaff
Und nach so viel Aufregung rund um den schmerzlichen Verlust der
Handtasche, kullerten bei der Übergabe dann noch einmal die Tränen.
Sandra Sielaff und Heike Schoodt wurden bei einem Treffen am Fundort
mit einem dicken Blumenstrauß belohnt. „Auch wenn die Tasche
saudreckig und vieles darin kaputt ist, bin ich doch sehr froh, sie
wieder zu haben“, strahlte Angelika Faßbender, die sich auch bei
ihrem ehemaligen Chef bedankt: "Er hat mir damals sogar ein Auto
geliehen, obwohl er selbst komplett abgesoffen ist. Das war wirklich
super nett und hat mir sehr geholfen!“
Und so schließt diese außergewöhnliche Flut-Geschichte mit dem
Credo: „Ende gut, alles gut!“
Redakteur/in:Düster Volker aus Erftstadt |
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