Wachstumsmarkt Versandhandel
Details und Auswirkungen
Medikamente, Kleidung, Lebensmittel – im Grunde ist mittlerweile
alles über das Internet zu haben, und seit langem befindet sich der
Versandhandel auf Erfolgskurs: Für den E-Commerce wird ein stetiges
Wachstum verzeichnet – seit Corona sind die Zahlen
überdurchschnittlich stark gestiegen. Wie groß ist der Boom
tatsächlich und welche Folgen ziehen die Veränderungen nach
sich?
Der Bruttoumsatz im Versandhandel ist 2020
auf
83,3 Milliarden Euro gestiegen, was eine Steigerung im
Vergleich zum Vorjahr von 14,6 Prozent bedeutet. In den Innenstädten
hingegen kämpfen Geschäfte seit Jahren gegen den Online-Boom und
beklagen Umsatzverluste durch den Strukturwandel, Verluste, die sich
durch die Pandemie dramatisch gesteigert haben. Viele Marken haben
ihre Filialen bereits geschlossen, und immer mehr kleinere
Einzelhändler geben auf. Nach Angaben des Handelsforschungsinstituts
IFH könnten bis zum Jahr 2023 bis zu 79000 Einzelhändler schließen.
Der E-Commerce gilt als Krisengewinner, denn auch die Einstellung der
Verbraucher dazu hat sich geändert. Bei vielen, die vorher vom
Online-Handel nichts wissen wollten, hat sich die Inanspruchnahme des
Versandhandels mittlerweile etabliert. Eine Tendenz, die sich auch
nach der Pandemie fortsetzen dürfte, wie Experten sagen.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen stationäre Händler
verstärkt nach neuen Verkaufswegen und Online-Vertriebsmöglichkeiten
suchen, heißt es. Digitale Lösungen bieten dazu
ganz
unterschiedliche, neue Möglichkeiten. Für kleine und
mittelständische Firmen könnte E-Commerce als Nachfolger des
klassischen Kataloggeschäfts durchaus eine Chance sein.
Möglicherweise ist es auch eine Pflichtaufgabe. Denn nicht nur die
Internetriesen wie Zalando oder Amazon profitieren von den
Möglichkeiten des Internets. Gerade die Anzahl neuer Kunden lässt
sich über das Medium E-Commerce steigern – zum Beispiel durch eine
verbesserte und zielgerichtete Ansprache der jeweiligen Zielgruppe.
Versandhandel: Enormes Wachstum
Laut
einer Umfrage aus dem Jahr 2020, die vom Bundesverband
E-Commerce (bevh) und Versandhandel initiiert wurde und an der 2500
Verbraucher teilgenommen haben, gaben mehr als 50 Prozent der
Befragten an, bei Gütern des täglichen Bedarfs auch künftig mehr
auf den Online-Handel zurückgreifen zu wollen. Das enorme Wachstum im
Online-Versandhandel wurde der Studie zufolge allerdings nicht nur bei
Alltagsgütern, sondern auch bei der Anschaffung von Haushaltswaren,
-geräten, bei Mode sowie bei Freizeitartikeln verzeichnet.
Reine Online-Händler scheinen danach von der Krise am meisten
profitiert zu haben: Hier wird ein Plus von über 20 Prozent
verzeichnet. Im stationären Handel liegt das Wachstum bei 4,7
Prozent. Die Ursache dieses zunächst geringen Wachstums sieht der
bevh jedoch darin, dass viele stationäre Händler im Corona-Jahr zum
ersten Mal konsequent den Onlinehandel genutzt hätten.
Allerdings sei die hohe Zahl der Bestellungen nicht nur auf die Corona
bedingt geschlossenen Geschäfte zurückzuführen, sondern auch der
Tatsache geschuldet, dass sich die Leistungen von Zustellern und
Händlern gleichermaßen in der Wahrnehmung der Verbraucher verbessert
hätten.
Großes Thema: Nachhaltigkeit
Die Vorteile des E Commerce für Verbraucher liegen auf der Hand: Ein
bequemer Einkauf, der zum Beispiel zu jedem Zeitpunkt und von jedem
Ort getätigt werden kann. Die Waren werden an die angegebene Adresse
geschickt, wo sie nur noch in Empfang genommen werden müssen.
Außerdem steht dem Online-Kunden im Vergleich zum stationären Handel
ein deutlich größeres Warenangebot zur Verfügung.
Als neue Tendenz in der Branche wird das Thema Nachhaltigkeit gesehen,
ein Thema, für das der Verbraucher in der jüngsten Vergangenheit
sensibler geworden ist. In diesem Punkt muss sich der Versandhandel
etwas einfallen lassen: Nicht nur, dass in Deutschland täglich
tausende Lieferwagen Ware von A nach B transportieren und damit für
zusätzliche CO2-Emissionen sorgen – oft wird Ware auch in viel zu
große Pakete oder mehrere Produkte, die an ein und denselben Kunden
geliefert werden, einzeln verpackt. Beispiele, die verdeutlichen, wie
wichtig die Frage danach ist, wie Nachhaltigkeit im E-Commerce
umgesetzt werden kann.
Für die Verbraucherzentrale
ergeben
sich verschiedene Problemfelder, etwa dass immer kürzere
Liefertermine oder Wunschtermine die Transporte deutlich aufwändiger
machen, weil Extra-Touren durch lokale Kurierdienste eingeplant werden
müssen. Eine weitere große Schwäche in Sachen Nachhaltigkeit und
Öko-Bilanz sehen die Verbraucherschützer darin, dass häufig (18
Prozent) mehrere Zustellversuche erfolgen müssen.
Und noch ein Kritikpunkt: Weil gerade Bekleidung sehr oft
zurückgeschickt wird, kommen allein hier etwa 800.000 Pakete täglich
zusammen, die im Grunde umsonst ausgeliefert wurden und für einen
zusätzlichen CO2-Ausstoß von rund 400 Tonnen sorgen, beziehungsweise
255 Autofahrten von Frankfurt nach Peking bedeuten würden.
Um in diesem Bereich für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen, sind neue
Dienstleister auf den Markt gekommen. Ihr Angebot: Die Reduzierung
oder der Ausgleich des CO2-Ausstoßes, der für den Versand von
Paketen anfällt. Manche Shopping-Plattformen übernehmen diesen
Schritt selbst auf ihrer Webseite.
Aber auch durch das Nutzen von neuen Möglichkeiten der
Sendungsverfolgung können Kunden die
CO2-Emissionen positiv beeinflussen, indem zum Ausgleich ein
Projekt zum Pflanzen von Bäumen unterstützt wird. Die großen
Logistikunternehmen wie DHL, DPD, Hermes, GLS oder UPS sind an diese
Anbieter angegliedert.
Für die Händler selbst ist der größte Hebel ein gutes
Qualitätsmanagement und eine optimale Kundenkommunikation, um die
Zahl der Retouren zu minimieren. Auch der Einsatz von KI hilft dabei,
die Füllraten von Paketen zu erhöhen und somit die Paketgrößen zu
optimieren und Verpackungsmaterial einzusparen.
Auf der Suche nach neuen Verkaufswegen
Auch in der Branche selbst sucht man nach neuen Verkaufswegen. Großes
Potenzial wird dem
sogenannten Social Commerce zugeschrieben – eine
Möglichkeit für Unternehmer, ihre Kunden über soziale Netzwerke
direkt ansprechen zu können. Parallel wird die Nutzung künstlicher
Intelligenz (KI) im Versandhandel weiter vorangetrieben und sorgt für
eine zunehmende Personalisierung beim Kontakt mit dem Verbraucher.
Mithilfe der KI können zum Beispiel Webseiten situativ auf die
individuellen Bedürfnisse der Verbraucher angepasst werden, was sich
wiederum positiv auf das Kaufverhalten auswirkt. Personalisieren
lässt sich beispielsweise die Anordnung des Menüs, Suchvorschläge,
Rabattaktionen und vieles mehr.
Beim Social Commerce hingegen bieten Händler ihre Waren über soziale
Plattformen wie Instagram oder Facebook an. Der Vorteil ist hier, dass
der überwiegende Teil der Online-Shopper soziale Netzwerke nutzt, auf
die Onlinehändler Kaufoptionen, Bewertungen und Empfehlungen mit
ihrer digitalen Präsenz verbinden können. Dabei wird mit einer
Social Commerce-Strategie eine stärkere persönliche Bindung zum
Kunden hergestellt als bei einem einfachen Onlineshop.
Multi-Channel-Vertrieb als Zukunftsmodell
Vermutungen gehen jedoch nicht dahin, dass künftig nur noch der
Onlinehandel gefragt ist – vielmehr ist die Rede vom sogenannten
Multi-Channel Vertrieb, sozusagen eine Verbindung von online und
offline als Geschäftsmodell.
Wer also seine Kunden auf allen Kanälen ansprechen möchte, benötigt
- auf der Grundlage, dass E Commerce und stationärer Handel nicht
mehr als zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle angesehen werden -
ein ganzheitliches Konzept, das nicht nur in eine Richtung gilt: Auch
Niederlassungen vor Ort werden für reine Onlinehändler immer
wichtiger, um auf alle Kundenwünsche umfassend eingehen zu können.
Ein Betriebssystem mit komplexen Anforderungen, die auf verschiedenen
Ebenen wie etwa bei den Bezahlmöglichkeiten, beim Service oder
Lieferprozess, umgesetzt werden müssen.
Kosten und Flächenverbrauch der Logistikbranche steigen
Auch die Logistikbranche muss angesichts der Vielzahl von Paketen, die
tagtäglich durch Deutschland transportiert werden, umdenken. Hier
stehen aufgrund sicher noch komplexer werdenden Logistikabläufen
bedeutende Umwälzungen an. Zum einen wird der Transport kleiner
Paketsendungen aufgrund verschiedener Zustellorte für einzelne Kunden
weiter steigen, während gleichzeitig alte Vertriebswege – etwa
zwischen Groß- und Einzelhändlern – an Bedeutung verlieren werden.
Darüber hinaus sieht sich die Logistikbranche steigenden Erwartungen
der Kunden gegenüber, was Liefergeschwindigkeit (Same Day Delivery)
und Zuverlässigkeit des Zustellzeitpunkts angeht, und schließlich
muss das komplexer werdende Problem der Retouren-Logistik gelöst
werden.
Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass der Grad der
Automatisierung in der Logistikbranche steigen wird, was natürlich
auf die Kosten für spezifische Lagersysteme und
Beförderungstechniken durchschlägt. Ebenso wird der
Flächenverbrauch für bedarfsgerechte E Commerce-Lager steigen
müssen. Das könnte für manche eigentlich geeignete Standorte zum
Problem werden, denn die jüngere Erfahrung zeigt, dass längst nicht
alle Kommunen dazu neigen, einzelnen Investoren einen zu hohen
Flächenverbrauch zuzubilligen.
Experten sind jedenfalls skeptisch, ob die vorhandenen Flächen der
Logistikbranche, ihre Lage und Beschaffenheit in Deutschland
ausreichen, um die notwendigen Weiterentwicklungen tatsächlich
realisieren zu können. Sie sehen nicht nur den Bedarf an
großflächigen Immobilienstandorten, sondern auch die Notwendigkeit,
kleinere Auslieferungshallen in der Nähe von Endabnehmern zu
platzieren, die ihrerseits nicht ohne flächenverbrauchende
Erweiterungsmöglichkeiten auskommen werden. Gebraucht werden zentral
gelegene Hallen, in denen die ganze Bandbreite kleinteiliger
Auftragsabwicklungen inklusive Lagerung, Kommissionierung und
Verteilung sowie der gesamte Bereich der Retourenlogistik dargestellt
werden können.
Versandhandel unter Konkurrenzdruck
Am Ende münden alle diese Probleme zumindest zum Teil beim
verursachenden Versandhandel. Der sieht sich in erster Linie vor der
Aufgabe, die Waren vor allem günstig und schnell an den Kunden zu
liefern. Das bedeutet zusätzliche Kosten – zum Beispiel für
Kommissionierung und generell für den Versand.
Schwierig gestaltet sich für die Onlinehändler unter diesen
Bedingungen natürlich eine für den Kunden stabile Preispolitik, denn
die Konkurrenz ist groß. Eine schnell wachsende Zahl von Anbietern
versucht, sich mit jeweils preisgünstigeren Angeboten wachsende
Marktanteile zu sichern. Auch das Versandrisiko ist nicht zu
unterschätzen, denn der Verkäufer der Ware ist dafür
verantwortlich, dass das bestellte Produkt dann tatsächlich schnell
und fristgerecht beim Verbraucher eintrifft.
Wer sich hier mit einem versicherten Versand besser absichern möchte,
muss deutlich mehr Porto zahlen. Hinzu kommt die Frage nach
kundenfreundlichen Retourabwicklungen und Liefermethoden. Vielfach
entscheiden diese Faktoren über Gewinn und Verlust eines
Online-Shops.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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