Im Zweifel ist die Frau für die Kinder da?
Frauen sind systemrelevant
Uta Meier-Gräwe, bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung, setzt in Bezug auf den Fachkräftemangel ein klares Statement: „Das brachliegende Potenzial von Frauen ist die Ursache dafür!“, schreibt sie 2021 in einem Gastkommentar im Handelsblatt.
Frauen: riesiges, verschenktes Potenzial
Mit ihrer Meinung steht Uta Meier-Gräwe bei weitem nicht alleine. Viele Experten sehen in den Frauen ein riesiges verschenktes Arbeitspotenzial. Denn schaut man sich den deutschen Arbeitsmarkt etwas genauer an, wird sehr schnell deutlich: Das größte Potenzial bieten eben die Frauen. Dies belegen auch zahlreiche Studien. Doch dieses große Potenzial findet sich vor allem in einer Art „stillen Reserve“. Gemeint sind damit all jene Frauen, die nicht arbeitslos gemeldet sind und arbeitsfähig wären, wenn sie denn wollten oder könnten – sprich, wenn durch flexible Arbeitszeitmodelle und ein individuelles Wiedereinstiegsmanagement entsprechende Anreize geschaffen würden.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer auf der Suche nach Personal ist, sollte auch stets die familiäre Situation seiner potenziellen neuen Mitarbeiterinnen mit einbeziehen. Denn Karriere sollte auch möglich sein, wenn „Frau“ auf Grund familiärer Wünsche oder Herausforderungen etwas kürzer treten möchte. Sonst ist der Weg zurück in den Arbeitsmarkt, zum Beispiel nach der Pflege eines Angehörigen oder nach der Geburt eines Kindes und entsprechender Elternzeit, ein weiter.
Im Zweifel ist die Frau ja für die Kinder da
Bereits Ende 2015 kam eine Studie der Boston Consulting Group zu dem Ergebnis, dass die Lücke im Bereich der Arbeitskräfte um 35 Prozent verringert werden könnte, wenn Frauen gleichberechtigte Chancen auf dem Arbeitsmarkt vorfänden. Laut Studie könnten weibliche Arbeitskräfte rund 200 Milliarden Euro zur Wertschöpfung beitragen. Der größte Schlüssel sei dabei die riesige Teilzeitquote. Wäre zu erreichen, dass mehr Frauen in Vollzeit arbeiten würden, könnte die Wirtschaft ein ordentliches Wachstum erleben.
Ebenfalls 2015 kritisierte die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bei der Vorstellung der Studie „Arbeitsmarkt 2030“, dass die Wirtschaft sich nach wie vor darauf verlasse, dass der Mann Vollzeit rund um die Uhr verfügbar sei, weil die Frau im Zweifel ja für die Kinder da sei. Aber: „In Wahrheit wollen die meisten jungen Frauen Kind und Job. Und viele junge Männer wollen selbstverständlich gleichberechtigt für ihre Kinder da sein“, so Schwesig seinerzeit. Viele Unternehmen würden großes Potenzial verschenken, wenn sie auf qualifizierte Frauen verzichteten.
Mitarbeiterinnen flexibel unterstützen
Und auch, wenn sich seit 2015 sicherlich vieles bewegt und bereits einiges verbessert hat, im Zweifel stecken in der Regel auch heute meist die Frauen zurück: So hat laut der Hans-Böckler-Stiftung im Januar 2022 jede fünfte Frau ihre Arbeitsstunden zu Gunsten der Familie reduziert. Zum Vergleich: Gleiches taten nur fünf Prozent der Väter. So bleibt letztlich die Erkenntnis: In der Not ziehen sich weiterhin die Frauen bei Mehrfachbelastungen vom Arbeitsmarkt zurück. Daher sollte für Unternehmen verstärkt das Ziel gelten, ihre Mitarbeiterinnen flexibel zu unterstützen, um sie nicht dauerhaft - auch in Teilzeit - zu verlieren.
Redakteur/in:Martina Thiele-Effertz aus Hürth |
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