Von der Tracht zum Kultoutfit
Wie das Dirndl zum modischen Statement wurde

Das Dirndl hat sich von der reinen Trachtenmode zum stilistischen Allrounder entwickelt. Durch vielfältige Interpretationen im Design ist die historische Bauerntracht zum modischen Allrounder geworden. | Foto: Kzenon / Adobe Stock
  • Das Dirndl hat sich von der reinen Trachtenmode zum stilistischen Allrounder entwickelt. Durch vielfältige Interpretationen im Design ist die historische Bauerntracht zum modischen Allrounder geworden.
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Auf der Wiesn prägt traditionelle Trachtenmode das Bild. Wer ohne Dirndl an den alljährlichen Oktoberfest-Feierlichkeiten teilnimmt, fühlt sich möglicherweise etwas deplatziert. Zwar herrscht auf dem wohl berühmtesten Volksfest Deutschlands keine feste Kleiderordnung, doch die klassischen bayerischen Trachten haben sich längst zum inoffiziellen Dresscode auf der Wiesn entwickelt.

Interessanterweise ist es vor allem die junge Generation der Oktoberfestgäste, für die Dirndl und Krachlederne einfach zu diesem Event dazu gehören. Die Faszination, die die volkstümlichen Trachten auf Jung und Alt ausüben, ist sicher auf die modernen Interpretationen zurückzuführen, die die Dirndlmode heute prägen. Traditionelle Stilelemente treffen auf modische Designs und machen das Dirndl zu einem echten Allrounder, der längst nicht nur auf dem Oktoberfest etwas hermacht.

Durch stilistische Vielfalt dem Nischendasein entflohen

Das Dirndl kann seinen Ursprung in der traditionellen ländlichen Trachtenmode nicht verleugnen. Das ist auch gut so, denn einen Teil seiner Popularität verdankt das stylische Kleidungsstück dem Wunsch der Trägerinnen, kulturelle Zugehörigkeit auszudrücken, ein regionales Statement zu setzen und die Liebe zu Traditionen und kulturell-regionalen Gepflogenheiten bewusst zur Schau zu stellen.

Das große Interesse, das die moderne Dirndlmode insbesondere bei einer jüngeren Generation wecken kann, ist auf die gelungene Verbindung traditioneller Trachtenmode mit vielfältigen Stilrichten und Modetrends zurückzuführen. Die stilistische Vielfalt der modernen Dirndlmode ist es, die dem Kleidungsstück den Weg aus seinem kulturellen Nischendasein geebnet hat.

Heute gibt es Dirndl-Styles für jeden Geschmack und jeden Anlass. Als edles Samtdirndl wird aus dem rustikalen Wiesen-Outfit eine elegante Abendgarderobe für förmliche Anlässe und besondere Events. Wer das traditionelle Trachtenoutfit cool stylen möchte, kombiniert es mit einer legeren Jeansjacke, einer stylischen Clutch oder Bauchtasche und setzt auf Chucks statt auf klassische Pumps.

Sneakers können mit floralem Muster oder Schleifenbändern an Stelle von einfachen Schnürsenkeln zum echten Hingucker werden und zum Stilelement avancieren, das den gesamten Look optisch aufwertet.
Jacken lassen sich am besten auf das Dirndl kombinieren, wenn sie kurz geschnitten sind um im Stil an Bolerojäckchen erinnern. Der zeitlos-jugendliche Denim-Look ist längst zum modischen Statement auf der Wiesn geworden.

Bei der Trachtenbluse scheiden sich die Modegeister. Während die traditionelle Bluse unter dem Dirndl lange Zeit als absolutes Must-Have galt und der Verzicht darauf ein No-Go auf der Wiesn und anderen traditionellen Volksfesten war, ist heute sogar der Style ohne Bluse en Vogue. Als Alternative für ein modisches Statement in Anlehnung an die Trachtenmode gilt die Kombination einer stylischen Trachtenbluse im Dirndl-Stil mit einer Jeans. Ob hochgeschlossen oder freizügig, die Kombi ist ein Hingucker und vor allem bei der jungen Generation gern gesehen.

Mini, Midi oder Maxi

Eine wichtige Stilfrage in der Trachtenmode beschäftigt sich mit der Länge des Dirndls. Die am häufigsten vertretene Variante klassischer Dirndl ist das Midi-Modell. Dabei endet der Saum des Kleides knapp unterhalb des Knies und macht das Outfit knieumspielend. Wer es freizügiger mag, setzt auf die Minivariante, bei der der Saum knapp oberhalb des Knies endet. Ein zu kurzer Rocksaum am Dirndl galt lange Zeit als Stilbruch und damit als modisches No-Go, doch mit der Weitergabe der Dirndlmode an die junge Generation sind auch hier die Regeln deutlich gelockert. Wenn Dame gerne viel Bein zeigt, kann auch das ein echter Hingucker sein, sofern das gesamte Outfit geschmackvoll gestaltet ist.

Maxi-Dirndl werden bevorzugt von Damen im besten Alter getragen und gehören natürlich als stilvolle Abendgarderobe auf besondere Veranstaltungen und offizielle Anlässe. Der Rocksaum kann knöchellang, in Ausnahmefällen sogar bodenlang sein. In dieser meist in Samt und anderen kostbaren Stoffen gehaltenen Designvariante erinnern Dirndl eher an klassisch-elegante Ballroben und könne sich auch beim Wiener Opernball sehen lassen.

Ganz gleich, welche Rocklänge Frau bevorzugt, eines sollte immer berücksichtigt werden: Die Schürze passt sich in ihrer Länge dem Rocksaum an und rangiert immer etwa zwei Zentimeter über dem Abschluss des Kleides.

Wie sich das Dirndl zum It-Peace mauserte

Wirft man einen Blick auf historische Herkunft des Dirndls, mag es verwundern, dass das Kleidungsstück heute zur generationenübergreifenden Trendmode zählt. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Kombination aus Bluse, Überkleid und Schürze eine klassische Bauerntracht und die Arbeitskleidung von jungen Mädchen und Frauen, die sich als Dienstmagd verdingten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stießen die Brüder Moritz und Julius Wallach auf die Trachtenmode, wie sie in den ländlichen Regionen Bayerns vom niederen Stand getragen wurde. Die Gebrüder hatten gerade erst ein Geschäft in München eröffnet und waren immer auf der Suche nach neuen modischen Stilrichtungen, um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten und sich gegen die starke Konkurrenz in der Großstadt durchsetzen zu können. Die Söhne eines jüdischen Getreidehändlers setzten mit gutem Geschäftssinn und viel Gespür für die erlesene Klientel Münchens auf stilvolle Mode mit landestypischen und volkstümlichen Elementen. Die Idee zündete und schon bald galt ihr Geschäft als die beste Adresse für erlesene Landestrachten und Designideen mit volkstümlichem Charme.

Als Julius Wallach 1906 von einer Reise nach Tirol ein Dirndl mitbrachte, inspirierte das einzigartige Kleidungsstück seinen kreativen Bruder Moritz sofort dazu, aus der bäuerlichen Kluft die neue angesagte Trachtenmode für die anspruchsvollen Damen der Münchener Großstadt zu machen. Seine Idee fiel auf fruchtbaren Boden, denn die Faszination des gehobenen Bürgertums für so genannte „Bauern Costüme“ war bereits entfacht. Insbesondere die bürgerliche Damenwelt fand Gefallen am Design des Dirndls, denn das Mieder, das sich am Oberkörper fest schnüren ließ, machte eine ähnlich gute Figur wie das bislang verbreitete Korsett, das allerdings an Tragekomfort gegenüber dem Mieder des Dirndls deutlich vermissen ließ.

Um den modebewussten Damen in der Großstadt mehr bieten zu können als schlichte Trachtenmode von der Stange, entwickelte Moritz Wallach raffinierte Designs und modisch ausgefallene Dirndlmode, die durchaus als stilistisches Statement bezeichnet werden konnte. Das Geniestück gelang und so fand das Dirndl endgültig seinen Weg aus dem Kammern der Dienstmägde in die Ankleidezimmer und Salons der gut betuchten Damen in der Stadt.

Seit 2023 erinnert das Wallach Projekt im Münchner Stadtmuseum unter der Schirmherrschaft der 27-jährigen Wallach-Urenkelin Amelia Rosenberg daran, wie das Dirndl von der Dienstmagdkleidung zur beliebten Trendmode werden konnte.

Das Dirndl als Outfit mit Aussage

Heute ist das Dirndl nicht nur von der Wiesn und anderen großen Volksfesten nicht mehr wegzudenken. Auch als modisches Statement bei Musikveranstaltungen tauchen die stylischen Trachtenkleider im modernen Gewand immer häufiger auf. Modeexperten sehen den Ursprung dieses Trends in der modischen Aussage, die sich mit einem Dirndl treffen lässt. Festivals und Musikevents sind zu Orten kultureller Vielfalt geworden. Hier kommen Menschen nicht nur zusammen, um gute Musik zu genießen und ihren Idolen auf der Bühne nah zu sein, sondern auch, um ein Lebensgefühl, eine Identität und individuelle Überzeugungen zur Schau zu stellen.

Im Kleidungsstil manifestiert sich eine innere Einstellung und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer regionalen oder kulturellen Ausrichtung. Tragen Frauen zu solchen Gelegenheit Dirndl, drücken sie damit Stolz auf ihre Herkunft, ihre kulturellen Wurzeln und die Traditionen ihrer Heimatregion aus. Das Dirndl ist eine Liebeserklärung an die Ursprünge deutscher, österreichsicher und schweizerischer Trachtenmode, an die Traditionen, die in viele Regionen Deutschlands noch immer gepflegt und gelebt werden und drücken zugleich durch ihre modernen Anlehnungen den Respekt für kulturelle Vielfalt, Veränderung und die Möglichkeit aus, Tradition und Moderne harmonisch miteinander zu verbinden und damit traditionelle Werte für die zukünftige Generation zu erhalten.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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