Formel 1 in Ungarn
Kein "Heiligenschein" auf dem "flachen Teller"

Blick über den "Tellerrand": auf dem Hungaroring haben die Fans auf den Tribünen einen guten Blick auf fast die gesamte Rennstrecke. | Foto: Lukas Gorys
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  • Blick über den "Tellerrand": auf dem Hungaroring haben die Fans auf den Tribünen einen guten Blick auf fast die gesamte Rennstrecke.
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Mogyoród - Es war eine echte Weltsensation, als am 10. August 1986 erstmals
ein Formel 1 Grand Prix hinter dem "Eisernen Vorhang" auf dem damals
neu erbauten Hungaroring, vor den Toren der ungarischen Hauptstadt
Budapest, gefahren wurde. Es war damals Nelson Piquet, der sich im
Williams-Honda als erster Sieger auf dem Hungaroring feiern ließ,
seitdem wurden dort einunddreißig Formel 1 Rennen gefahren. Mit
insgesamt fünf Siegen ist Lewis Hamilton "amtierender Rekordsieger"
in Ungarn und beim jetzt 11. Rennen der diesjährigen Saison wird ihm
diesen Rekord niemand streitig machen können, egal wer am Sonntag
gewinnt.

Die ganze Welt schaute 1986 nach Ungarn, denn der erste
"Ostblock-Grand-Prix" in einem kommunistischen Land - und das zur Zeit
des "Kalten Krieges" - beschäftigte nicht nur die Motorsport-Welt,
sondern war auch politisch und wirtschaftlich ein Ereignis, welches in
die Geschichte einging. Nicht nur ein Großaufgebot von Rundfunk- und
Fernseh-Teams sowie Medienvertretern aus aller Welt war damals
angereist, auch über 260.000 Besucher, davon viele aus der damaligen
DDR, nutzten 1986 die Gelegenheit, endlich einmal ein Formel 1 Rennen
live mitzuerleben. Es waren Tausende von DDR Bürgern, welche
seinerzeit die umliegenden Campingplätze bevölkerten und die hatten
fast alles, was sie brauchten, selbst mitgebracht.

Ihre "Trabis" und Wartburg-Automobile waren oft bis ans Dach
vollbeladen mit Lebensmitteln, Getränken, Kleidung und sogar Benzin,
denn auch in Ungarn war die damalige Ostmark kein besonders beliebtes
Zahlungsmittel. "West goes East": Das Niederzissener Zakspeed-Team
hatte zum ersten Grand-Prix in einem osteuropäischen Land seine
Formel 1 Boliden mit dem Werbeschriftzug des damaligen Tabaksponsors
"West" kurzfristig als  besonderen "Gruß" mit dem Schriftzug "East"
um lackiert. Eine Aktion, die weltweit für große Medienbeachtung
sorgte, Teamchef Erich Zakowski war denn auch ein gefragter Interview
Partner für die vielen internationalen TV-Sender, die seinerzeit
angereist waren. 

Der Hungaroring liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur ungarischen
"Großgemeinde" Mogyoród und ist rund 22 km vom Zentrum in Budapest
entfernt. Die knapp 6.000 Einwohner zählende Gemeinde kam 1986 aus
dem Staunen nicht mehr heraus, denn größer konnte der Kontrast
zwischen alten Pferdegespannen, die dort zum Teil noch über
Kopfsteinpflaster fuhren und der Glitzerwelt der Formel 1 kaum sein.
Drei Jahre später, am 27.Juni 1989,  "durchtrennten" die
Außenminister Ungarns und Österreichs in einem symbolischen Akt den
Grenzzaun zwischen beiden Ländern, am 11. September wurde die Grenze
dann ganz geöffnet, der Fall des Eisernen Vorhangs war nicht mehr
aufzuhalten.

Der Hungaroring liegt in einem Tal und wird auch gerne als "flacher
Teller" bezeichnet, weil die Zuschauer von den Tribünen und
Zuschauerplätzen, sozusagen vom "Tellerrand", fast 80% der Strecke
einsehen können. Der Kurs ist sehr wellig und eng, bietet nur wenig
Überholmöglichkeiten und liegt in einer staubigen Hügellandschaft.
Dadurch ist die Piste selbst oft staubig und rutschig und bei den
meist hochsommerlichen Temperaturen mit einer hoher Luftfeuchtigkeit
kommen die Fahrer nach einem zudem langen Rennen über 70 Runden oft
an ihre Leistungsgrenzen.

Der Kurs mit seinen insgesamt 14 Kurven und nur einer wirklichen
Geraden erlaubt keine Verschnaufpausen, der Flüssigkeitsverlust ist
für die Piloten enorm hoch, zusätzlich werden sie auf den
Bodenwellen ordentlich durchgeschüttelt. Sebastian Vettel, der den
Ungarn-GP bislang nur ein Mal, im Jahr 2015, für Ferrari gewinnen
konnte, führt vor dem Rennen am Sonntag mit nur noch einem Punkt
Vorsprung in der WM vor Lewis Hamilton. Dessen Mercedes-Teamkollege
Valtteri Bottas liegt in der WM-Wertung derzeit auf Platz Drei und
darf sich an diesem Wochenende der Unterstützung Tausender finnischer
Fans sicher sein, die den Grand Prix von Ungarn aufgrund der Nähe zu
Finnland kurzerhand zu ihrem "Heimat-Rennen" erklärten.

Abseits des Renngeschehens sorgt der Cockpitschutz "Halo" für
reichlich Zündstoff, denn der 7 kg schwere Titanbügel soll ab 2018
den Fahrern im Cockpit mehr (Kopf) Schutz bieten. Neun der zehn
F1-Teams sprachen sich zwar gegen diesen "Heiligenschein" (engl. halo)
aus, FIA Präsident Jean Todt will diesen aber zur Not mit einer
Sonderklausel durchsetzen und auch die Formel 1-Fahrergewerkschaft
GPDA scheint "Halo" grundsätzlich zu befürworten.

Ein "Heiligenschein" erwartet den Sieger des jetzt 32. Grand-Prixs auf
dem Hungaroring am Sonntag eher nicht, es wird auch wie früher keine
"Lorbeerkränze" mehr auf dem Podium geben: ganz sicher aber "erntet
der Gewinner viele Lorbeeren" und vor allen Dingen ganz wichtige
Weltmeisterschafts-Punkte.

- Jens Hoffmeister

Blick über den "Tellerrand": auf dem Hungaroring haben die Fans auf den Tribünen einen guten Blick auf fast die gesamte Rennstrecke. | Foto: Lukas Gorys
Hat den 6. Sieg in Ungarn "im Blick": Lewis Hamilton ist Rekord-Sieger auf dem Hungaroring.  | Foto: Lukas Gorys
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