100 Jahre alt: Kleingarten Schlösser
Langes Warten auf den Garten

Christiane Overkamp bei ihrem Rundgang durch die drei „Blocks“. | Foto: Hermans
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Es war ein regnerisches Jahr bislang, entsprechend üppig grünen die Parzellen. Für die einen ist es die eigene grüne Oase, für die anderen ein Stück Urlaub vor der Haustür. Schrebergärten sind eine Welt für sich. Doch was entdeckt man, wenn man einen Blick hinter den Gartenzaun wagt?

von Hans-Willi Hermans

Köln. Schwierige Zeiten für Kleingärtner, man kommt mit dem Beischneiden kaum nach und ihr natürlicher Feind vermehrt sich prächtig: „Schnecken fressen ja leider kein Unkraut, sondern nur die guten Sachen. Die wissen, was schmeckt“, sagt Christine Werker, die zusammen mit ihrem Mann Günther seit 20 Jahren eine Parzelle beim Schlösser Kleingartenverein gepachtet hat. Christiane Overkamp, seit März Vorsitzende des Vereins, pflichtet ihr bei: „Eine ganz schlechte Ernte, für die Neulinge hier ist das bestimmt mega-frustrierend. Aber so lernen sie schnell, dass man sich über alles freuen sollte, was gelingt.“

Immerhin, tröstet sich die 80 Jahre alte Christine Werker, sei die Lage ja nicht so dramatisch wie in der Nachkriegszeit oder in den 1920er-Jahren, als die Kleingärten noch einen wesentlichen Teil zur Versorgung der Bevölkerung mit frischem Obst und Gemüse beitrugen. Im kollektiven Gedächtnis des Vereins spielen diese Zeiten durchaus eine Rolle, denn er wurde vor genau 100 Jahren gegründet, im Jahre 1924. Im Gemeindesaal der katholischen Kirche wurde das Jubiläum am letzten August-Wochenende groß gefeiert. Auf der Gästeliste standen auch einige besondere Ehrengäste: vier Mitglieder der Familie Schlösser, der einst ein Großteil der Fläche des heutigen Stadtteils Neuehrenfeld gehörte.

„Schlössers Gärten“ heißt das Areal zwischen Subbelrather Straße und Takustraße noch heute. Der frühere Eigentümer Aloys Anton Schlösser hatte dort in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts riesige Obstplantagen mit geschätzt 15 000 Bäumen angelegt. „Der alte Birnbaum in unserem Garten stammt noch aus dieser Zeit, deshalb durften wir ihn nicht fällen, als ich mal umbauen wollte“, berichtet Wolfgang Scheidt. Seine Gattin Hannelore erzählt, sie habe noch als Kind in den 1960er-Jahren Äpfel von Bäumen gemopst, die zum Restbestand der alten Plantagen gehörten. „Ungefähr da, wo jetzt der Brunnen in der Dechenstraße steht.“

Christine und Günther Werker in ihrem Kleingarten. | Foto: Hermans

Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts aber, als die Straßen in der Umgebung des Lenauplatzes entstanden, waren die Obstgärten nach und nach in Bauland umgewidmet worden. Schon ab 1913 wurden die restlichen Gartenflächen an die Anwohner zum Anbau von Obst und Gemüse für den Eigenbedarf verpachtet.

Die Pächter gründeten 1924 den Kleingartenverein, um ihre Interessen besser vertreten zu können, was nicht immer einfach war: Weitere Flächen wurden etwa für den Bau der Realschule in Anspruch genommen, eine Grünfläche legte die Stadt ebenfalls an. Heute besteht die Anlage mit ihren insgesamt 109, durchschnittlich 200 Quadratmeter großen Parzellen aus drei voneinander getrennten „Blocks“.

Längst treibt die Städter nicht mehr blanker Hunger in die Kleingärten. „Junge Eltern, die mit ihren Kindern Zeit im Grünen verbringen möchten, aber auch Rentner, die nach dem Berufsleben endlich Zeit für Gartenarbeit haben, sind heute die Hauptinteressenten“, erzählt Christiane Overkamp. Das Image der „Strebergärten“ sei längst passé, heute reiße man sich um die Parzellen: „Unsere Warteliste ist derzeit geschlossen, fünf bis sieben Jahre müssen sich die Anwärter etwa gedulden.“

Neu sei auch, dass die meisten neuen Pächter kaum Vorkenntnisse in Sachen Hobby-Gärtnerei mitbrächten und die Herausforderungen unterschätzten. „Wir versuchen verstärkt, einzelne Gärten an zwei Familien zu verpachten, dann fällt ihnen die Bewirtschaftung leichter. Die ist recht zeitaufwendig, und heute sind ja oft beide Eltern berufstätig“, so Overkamp. Zur Schulung der Mitglieder fehlten dem Verein leider ehrenamtliche Fachberater, ausgebildet würden diese vom Landesverband Rheinland der Kleingärtner: „Das läuft über ein Jahr und ist ganz schön anspruchsvoll.“

Wichtig wären Fachberater auch im Hinblick auf den Klimawandel. Allmählich müsse man zum Anbau von Pflanzen übergehen, die dem standhalten können, sagt Overkamp, auch über Methoden zur Einsparung von Wasser müsse man sich informieren. Christian Nies ist da Vorreiter, abgeschnittene Äste und Kraut liegen haufenweise in seinem Garten, damit sie zu Mulch verrotten. Der kühlt nämlich den Boden.
Totholz-Ecken hat er auch angelegt, darin fühlten sich Kröten und Insekten wohl, auch Brennnesseln lasse er stehen, „weil sie Schmetterlinge anziehen“. Besonders stolz ist Nies aber auf seine Erdhummeln, den Eingang zu ihrem unterirdischen Bau hat er mit einer gewölbten Dachpfanne geschützt. „Die finde ich toll, die bestäuben die Pflanzen“, schwärmt er. Und als er kürzlich mit seiner Tochter in der Hängematte von der Gartenarbeit ausruhte, stand plötzlich ein Fuchs auf dem Kompost: „Der schaute uns einfach an – eine ganz coole Nummer.“

Christiane Overkamp bei ihrem Rundgang durch die drei „Blocks“. | Foto: Hermans
Christine und Günther Werker in ihrem Kleingarten. | Foto: Hermans
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EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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