Experiment für sieben Wochen
Der Markt als Parkplatz oder Aufenthaltsort?
Parkplatz oder Aufenthaltsort? Die Gestaltung des Marktplatzes spaltet seit Jahren die Eitorfer Bevölkerung. Nun hat die Gemeindeverwaltung zum Einstieg in eine Neuplanung einen Teil des Platzes probeweise umfunktioniert. Sitzmöbel aus Holz laden zum Verweilen ein, Blumenkübel sorgen für Gartenatmosphäre und Fahrradständer ergänzen das Ensemble im östlichen Bereich neben dem Pavillon. Sieben Wochen lang soll die „Markt-Terrasse“ für eine Belebung des Zentralortes sorgen, soll einen Treffpunkt zum sozialen Austausch bilden und Besuchern die Erfahrung erhöhter Aufenthaltsqualität vermitteln. Dabei soll das Experiment einen Diskurs anstoßen, wie der knappe urbane Raum im Zentrum zukünftig verteilt werden kann.
Das Experiment wird von einer Online-Umfrage begleitet, deren Ergebnisse in die anstehende Planung zur Neugestaltung des Platzes einfließen sollen. Die Ini-tiative für die „Markt-Terrasse“ entstand in der Verwaltung und wurde von den politischen Gremien unterstützt. Die Aufstellung übernahm der Bauhof ebenso wie die gelungene Bepflanzung nebst der künftigen Pflege. Auf dem Areal sollen noch Mülleimer installiert und mit den anliegenden Gastronomen Servicemöglichkeiten erörtert werden. Kosten für das Mobiliar entstehen keine, es wurde leihweise vom „Zukunftsnetz Mobilität NRW“, dem die Gemeinde seit 2020 angehört, zur Verfügung gestellt. Die Initiative setzt sich für eine Mobilitätswende ein und propagiert nachhaltige und klimaneutrale Alternativen zur autozentrierten Denkweise.
So ist denn auch eine Minderung des motorisierten Verkehrs durch maßvolle Reduzierung der Parkplätze durchaus gewollt. Von den rund 60 Stellplätzen auf dem Marktplatz fallen durch das Experiment acht vorübergehend weg. Die Stellplätze für gehbehinderte Personen wurden für die Interimsnutzung an die Nordseite des Platzes vor den Springbrunnen verlegt. Darüber hinaus verweist die Verwaltung auf eine große Anzahl verfügbarer Parkplätze im unmittelbaren Umfeld des Marktplatzes, insbesondere auf das nahe gelegene Parkhaus in der Schmidtgasse. Der Sorge um Kundenverluste hält die Verwaltung höheren Zulauf durch Attraktivitätssteigerung für Fußgänger und Fahrradfahrer entgegen. Statt vermehrtem Suchverkehr erwartet sie weniger Staus, reduzierten Lärm, geringere Luftverschmutzung und verminderten CO2-Ausstoß. So soll neben städtebaulicher Aufwertung, der Verbesserung der Aufenthaltsqualität und Förderung von Tourismus nicht zuletzt auch dem Klimaschutz Rechnung getragen werden.
Bürgermeister Rainer Viehof hat nun die „Markt-Terrassen“ zusammen mit der Projektverantwortlichen Michaela Straßek-Knipp offiziell eröffnet und interessierten Bürgern Konzept und Ziel vorgestellt. Viehof, dessen Eintreten für eine Stärkung des innerörtlichen Handels und damit verbunden ein Befürworten von Parkmöglichkeiten auf dem Marktplatz allgemein bekannt ist, sieht im Experiment Chancen, bei der Neuplanung alle Interessen zu berücksichtigen. Der Bürgerentscheid von 2019 habe nur zwei Lösungsmöglichkeiten zugelassen und damit die Lagerbildung gefördert. Bei maßvoller Reduzierung der Stellplätze hält er eine Doppelnutzung des knappen urbanen Raums im Zentrum hingegen für realisierbar. Er warb eindringlich für die Beteiligung an der Online-Umfrage. Flyer mit QR-Code hängen vor Ort aus, die Umfrage kann auch direkt unter www.eitorf.de aufgerufen werden. Ansprechpartner in der Verwaltung ist Stadtplaner Marius Röhnisch, der die Umsetzung maßgeblich begleitet hat und unter 02243-89242 erreichbar ist.
Erste Reaktionen von Eröffnungsteilnehmern und Passanten zeigten die hinlänglich bekannten Interessenskonflikte. Während Teilnehmer der Critical-Mass-Fahrraddemo die „Markt-Terrassen“ ebenso einhellig begrüßten wie schon am Vortag die Aktiven der seit 2020 wöchentlich stattfindenden Mahnwache Klimaschutz, überwog vor allem bei älteren Passanten die Skepsis. So konnte die 77-jährige Maria Iencia, aufgewachsen in Siebenbürgen und seit 26 Jahren in Eitorf lebend, dem Experiment keinerlei Sinn entnehmen. Aufgewachsen in einer Diktatur, sieht sie auch bei uns durch zunehmende Reglementierung die von ihr hochgeschätzte Demokratie mehr und mehr gefährdet. Ganz persönliche Ängste bedrücken den 89-jährigen Manfred Hösler, der seit zehn Jahren in Eitorf lebt. Er selbst könne nur noch kurze Strecken zu Fuß bewältigen, seine Frau sei noch deutlich weniger mobil. Bei einem Restaurantbesuch am Vorabend habe er zum Glück einen Parkplatz am Markt gefunden. Generell sei das in Eitorf, nicht zuletzt auch in der Bahnhofstraße wo er wohnt, sehr schwierig.
Das Experiment „Markt-Terrassen“ bietet eine gute Chance für ein Meinungsbild, ein bedienen aller Interessen und Wünsche scheint dennoch schwierig zu bleiben.
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Renate Deitenbach aus Eitorf |
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