ver.di
Das „letzte Gefecht“ für den Schutz des Sonntags
Kreis Euskirchen - Den Sonntag verbringt Daniel Kolle am liebsten mit seiner Familie.
Wenn der 1. FC Köln sonntags spielt, geht er auch schon mal ins
Stadion. Eines aber macht Daniel Kolle am siebten Tag der Woche nicht:
einkaufen. „Gut, wenn mir die Milch ausgegangen ist, dann besorge
ich welche an der Tankstelle“, gesteht er, aber ansonsten ist
einkaufen am Sonntag für ihn tabu.
Aus gutem Grund: Denn Daniel Kolle ist Geschäftsführer der
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen,
und als solcher kämpft er zurzeit vehement gegen die Durchführung
von verkaufsoffenen Sonntagen. Mit Erfolg! Allein im Kreis Euskirchen
fielen zuletzt drei verkaufsoffene Sonntage ins Wasser, weil das
Verwaltungsgericht Aachen einem entsprechenden Antrag von ver.di
gefolgt war. In Bad Münstereifel mussten aus diesem Grund sowohl am
5. August als auch am 2. September die Geschäfte geschlossen bleiben,
in Euskirchen wurde der ebenfalls für den 2. September geplante
Einkaufssonntag gerichtlich untersagt.
Freunde hat sich Daniel Kolle mit dieser Vorgehensweise nur wenige
gemacht. Insbesondere in den sozialen Netzwerken musste der
Bezirksgeschäftsführer zuletzt Einiges an Anfeindungen über sich
ergehen lassen - und zwar von allen Seiten. Kommunen und
Stadtmarketingvereine sind empört, weil deren teils wochen- und
monatelangen Vorbereitungen für Stadtfeste und anderweitige, die
verkaufsoffenen Sonntage begleitenden Aktionen und Maßnahmen
gewissermaßen handstreichartig ad absurdum geführt werden. Die
Einzelhändler schimpfen, weil ihnen die Mehreinnahmen durch die
Lappen gehen. Und auch viele Arbeitnehmer sind sauer, weil ihnen für
ihren sonntäglichen Einsatz mitunter doppeltes Gehalt und/oder
zusätzliche freie Tage als Ausgleich winken. Tatsächlich wurde
Daniel Kolle im Internet sogar schon als Terrorist tituliert.
„Die Art und Weise wie die Diskussion um die verkaufsoffenen
Sonntage geführt wird, stört uns“, sagt SPD-Kreisparteichef Markus
Ramers. Weshalb die Sozialdemokraten Daniel Kolle nun zum
Meinungsaustausch nach Euskirchen eingeladen hatten! Dabei machte auch
Ramers deutlich, dass den Genossen sehr daran gelegen ist, den Sonntag
zu schützen. „Er sollte für möglichst viele Menschen ein freier
Tag sein, an dem Zeit für die Familie und zur Entschleunigung
bleibt“, so der sozialdemokratische Kreischef.
Diesem Standpunkt kann Daniel Kolle nur beipflichten. „Unsere
Position ist nicht dogmatisch oder ideologisch geprägt“, sagte der
ver.di-Bezirksgeschäftsführer. „Wir akzeptieren das Recht der
Kommunen auf die Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen - sofern
es rechtsgültig ist“, so Kolle weiter. „Aber wir schreiten auch
überall dort ein, wo wir auf rechtswidrige Sonntagsöffnungen
stoßen.“
Darüber hinaus wolle die Gewerkschaft gegen das aus ihrer Sicht
zunehmende Schleifen an der im Grundgesetz verankerten
Sonntagsruhepflicht kämpfen. Wenn diese nämlich immer weniger
Geltung habe, so Kolle, würde sich das schon bald nicht nur negativ
für die Beschäftigten im Einzelhandel auswirken, auch andere
Branchen würden bald nachziehen. „Beispielsweise müssen die
Geschäfte ja auch sonntags beliefert werden und die Ruhe für die
Lkw-Fahrer fällt dann irgendwann auch weg. Kolle: „Es ist
gewissermaßen das letzte Gefecht, um die Einführung von
flächendeckender Sonntagsarbeit zu verhindern. Der Sonntag muss als
Tag der Ruhe und des sozialen Miteinanders erhalten bleiben.“
Dass ver.di überhaupt derart erfolgreich gegen die Durchführung von
verkaufsoffenen Sonntagen klagen kann - von den 180 Verfahren, die
seit Juni 2016 angestrengt wurden, hat die Gewerkschaft nur ganze vier
verloren - hat zwei Gründe: Zum einen hat die nordrhein-westfälische
Landesregierung durch das so genannte Entfesselungsgesetz I auch das
Ladenöffnungsgesetz umfassend geändert. Die Gesetzesnovelle sieht
unter anderem vor, dass in einer Kommune nunmehr anstelle von vier an
jährlich bis zu acht nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn-
oder Feiertagen die Geschäfte öffnen dürfen. Voraussetzung für die
Öffnung ist ein konkreter Anlass.
Bislang waren dies ausschließlich Feste, Messen oder Märkte, seit
Inkrafttreten des neuen Ladenöffnungsgesetzes gelten beispielsweise
auch Erhalt, Stärkung oder Entwicklung eines vielfältigen
stationären Einzelhandels sowie die Belebung der Innenstädte als
gesetzlich zugelassene Sachgründe. Das Gesetz bietet damit zwar
deutlich mehr Möglichkeiten zur Begründung von verkaufsoffenen
Sonntagen, es führt aber auch zu der Notwendigkeit, dass Kommunen in
ausführlichen Einzelfallbegründungen erläutern müssen, warum das
Öffnen der Läden dem jeweiligen Sachgrund dient. Da dies gerichtlich
überprüfbar ist, klagt ver.di flächendeckend in ganz NRW gegen die
Durchführung der verkaufsoffenen Sonntage.
Der zweite Grund für die Klagefreudigkeit der Gewerkschaft sind die
Kommunen selbst. In diesem Punkt macht sich Daniel Kolle eine
„gewisse Schlampigkeit“ einiger Städte und Gemeinden bei der
Begründung von Sonntagsöffnungen zunutze - und sieht sich durch die
Entscheidungen der Gerichte bestätigt. „Die Urteile sollten den
Kommunen, aber auch der Landesregierung zu denken geben“, sagt
Markus Ramers, und Daniel Kolle ergänzt: „Die Kommunen sind
gefordert, rechtskonforme Anträge zu stellen.“ Aber auch der
Landesgesetzgeber müsse die Grundlagen für rechtskonforme
Sonntagsöffnungen schaffen.
Bis es soweit ist, werden Daniel Kolle und ver.di weiterklagen, wo
immer sie die Möglichkeit erkennen, einen verkaufsoffenen Sonntag zu
unterbinden. Dass es deshalb wohl auch zukünftig Anfeindungen gegen
seine Person geben wird, berührt Kolle nach eigenem Bekunden nicht
sonderlich. Aber er stellt auch noch einmal klar, dass ver.di nur dann
tätig wird, wenn der Anlass für eine Sonntagsöffnung als
rechtswidrig erachtet wird - auch wenn er keinen Hehl daraus macht,
dass - ginge es nach ihm - der verkaufsoffene Sonntag gänzlich
abgeschafft wird.
Markus Ramers ist da ganz bei Daniel Kolle: „Ich halte die Aussage,
dass der verkaufsoffene Sonntag gebraucht wird, um gegenüber dem
Onlinehandel konkurrenzfähig zu bleiben, schlichtweg für
hanebüchen. Das Jahr hat 8760 Stunden; bei acht verkaufsoffenen Tagen
reden wir von 40 Stunden zusätzlicher Öffnungszeit. Wer glaubt,
dadurch die Konkurrenz zum Onlinehandel entschärfen zu können,
verkennt schlichtweg die wirtschaftliche Realität.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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