Agile Transformation
Keine Modeerscheinung
Das Kompetenzforum Mittelstand, eine Partnerinitiative von Kreissparkasse Euskirchen, Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW und der mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaft dhpg, lud zu einem Informationsabend in den Office Park Euskirchen ein.
Euskirchen (red). „Außer bei den Öffnungszeiten in der Kantine kann sich ein Unternehmer heute nur noch in wenigen Dingen sicher sein“. In seiner Begrüßungsansprache ließ Volker Loesenbeck, Partner der mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaft dhpg, keinen Zweifel daran, dass die Strategien, ein modernes Unternehmen zu leiten, sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert haben. „Man weiß nicht, was kommt, daher benötigt man mehr Mut zum Ausprobieren und Korrigieren, muss Betroffene zu Beteiligten machen und Organisationsstrukturen flexibler gestalten“, so Loesenbeck. Agile Transformation sei längst nicht mehr nur eine Modeerscheinung, sondern eine Entwicklung, die sich an Veränderungen einfach schneller anpasse.
Dem konnte sich der erste Referent des Abends, Udo Leyen von der Wilhelm Bell Beratungsgesellschaft, nur anschließen: „Wir können nicht mehr gut in die Zukunft schauen, da die alten Rahmenbedingungen nicht mehr funktionieren. Zudem erfordern Entscheidungen deutlich mehr Schnelligkeit, um den Marktanforderungen gerecht zu werden.“, so Leyen. Vor allem in der Produktsparte zeige sich, dass dort eine immer größere Individualisierung gefragt sei und Sonderwünsche zu erfüllen quasi zu einem erfolgreichen Geschäftskonzept gehöre. „Der Kunde bestimmt das Produkt, nicht der Chef!“, so Leyen. Empfehlenswert sei es dennoch nicht, agile Transformation in allen Geschäftsfeldern einzuführen. „Bei der Buchhaltung und beim Controlling sollten Sie das lieber lassen. Und überhaupt sollten Sie vor allem auf Ihr Bauchgefühl vertrauen“, so der Experte.
Sobald man allerdings innerbetrieblich eine Veränderung vorgenommen habe, sollte man diese über einen längeren Zeitraum, mindestens jedoch drei Monate durchziehen. Denn solange benötige der Mensch, um etwas Neues auch wirklich zu verinnerlichen. Agile Teams, deren Arbeitsplatz nicht mehr im Büro, sondern im Café, in der Straßenbahn oder zu Hause im Garten sein könne, müssten selbstverständlich ihre Arbeitsaufträge kennen und sollten nie mehr als zwei bis drei Projekte in der Umsetzung haben. „Als Unternehmer müssen Sie heute Fehler zulassen, ohne fehlertolerant zu werden. Aus Fehlern sollte man lernen, ohne diese zu wiederholen“, so Leyen. Daher sei die Persönlichkeit des Führenden entscheidend. „Der Chef muss nicht im, sondern sich die Zeit nehmen am Unternehmen zu arbeiten, sozusagen über den Tellerrand hinausschauen“, resümierte Leyen.
Doch agil arbeitende Teams, die nicht nur das Wie, sondern auch das Wo bestimmen, sind in Sachen Cybersicherheit deutlich gefährdeter als ihre Kollegen im Büro, die sich hinter einem Schutzwall befinden. Cybersicherheitsexperte Joerg Lammerich von der Certified Security Operations Center GmbH, berichtete, dass das Homeoffice oft nur sehr schlecht abgesichert wäre. Noch problematischer aber sei ein Arbeiten in öffentlich zugänglichen WLANs ohne Virtual Private Network (VPN), wie etwa in der Bahn oder in Internet-Cafes. Eine frühzeitige Erkennung eines Cyberangriffs sei daher enorm wichtig. Gleichzeitig aber liege hierin auch die größte Schwierigkeit, denn Datendiebstahl geschehe oft versteckt und leise.
Lammerich machte das mit ein paar Zahlen deutlich: Mit einem normalen Notebook produziere man bereits durchschnittlich 270.000 Datenereignisse pro Tag. Ein File-Server bringe es bereits auf 1,85 Millionen Einträge, und ein mittelständisches Unternehmen produziere um die 67 Millionen Datensätze pro Tag. In jedem Eintrag könne sich theoretisch ein potenzieller Cyberangriff verbergen. Aber kein Unternehmen habe die Zeit, täglich sämtliche Einträge auf Unregelmäßigkeiten zu checken. Hier setze das Security Operations Center (SOC) an. Eine Dienstleistung, die diese Arbeit quasi für das Unternehmen übernehme, wobei Menschen die Anomalien kontrollierten und nicht eine Künstliche Intelligenz. Während früher diese Dienstleistung für den Mittelstand mit sehr hohen Kosten verbunden war, ist diese heute erschwinglich und somit für den Mittelstand durchaus möglich.
Der Vorteil des SOC: Eine erfolgreiche Infizierung kann rasch erkannt werden und eine unmittelbare Reaktion erfolgen, indem beispielsweise die Systeme heruntergefahren werden, um nicht noch mehr Schaden anzurichten. Gleichzeitig würden wichtige Datensätze sichergestellt, die später für die Versicherung ebenso entscheidend seien wie vor Gericht. Wie schnell man ein System infizieren kann, und wie schnell ein SOC dies bemerkt, demonstrierte Lammerichs Kollege Ulrich Zerlett mit einer Livevorführung.
Abschließend präsentierte Holger Glück, Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Euskirchen, die neue Digitalisierungsinitiative der KSK. Dort absolvieren derzeit nicht nur die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Schulungsmodell „digital.now“ eine intensive Weiterbildung in Sachen Digitalisierung, sondern geplant ist auch, das Thema Digitalisierung in die Kundenberatung einzubauen.
„Da wir trotz aller Weiterbildung in Sachen Digitalisierung in erster Linie Bankkaufleute und keine Spezialisten für Prozessdigitalisierung sind, erarbeiten wir derzeit ein Gesamtkonzept, das auch den Aufbau eines regionalen Netzwerkes umfasst“, so Glück. Dabei fungiere die KSK als kompetenter Ansprechpartner, der bereits mit einem ersten digitalen Status-Check die Stärken und Potenziale eines Unternehmens systematisch aufzeigen und sodann an die entsprechenden Experten in der Region vermitteln könne.
Wie eine solche Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigten Christine Günther und Oliver Fietz von der Unternehmensberatung DigitalStab. Anhand eines Fallbeispiels zeigten sie auf, wie veränderte Rahmenbedingungen zukünftig auf ein Autohaus wirken können und wie durch gezielte Maßnahmen neue Umsatzerlöse erwirkt werden können.
Eine Umfrage bei den rund 50 anwesenden Teilnehmern aus dem Kreis Euskirchen zeigte, dass in Sachen Digitalisierung die Qualifizierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die Digitalisierung von Vertrieb und Marketing immer noch die Top-Themen sind.
Bevor die Teilnehmenden bei einem kleinen Büffet ihre regionalen Netzwerke weiter ausbauen konnten, zog Volker Loesenbeck ein beruhigendes Fazit des digitalen Wandels: „Bei allen Referenten zeigte sich, dass auch bei der zunehmenden Digitalisierung immer noch der Mensch und der gesunde Menschenverstand im Vordergrund stehen.“ Die positive Nachricht des Abends laute daher: „Der Mensch ist und bleibt wichtig.“
Redakteur/in:Holger Slomian aus Pulheim |
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