Arbeitnehmer mit Behinderung
Qualifiziert, leistungsfähig und loyal
Kreis Euskirchen - „Barrierefreiheit beginnt im Kopf“, betont Rainer Imkamp,
Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Brühl.
Jährlich zum Tag der behinderten Menschen macht die Agentur für
Arbeit aufmerksam auf die Gruppe von Arbeitnehmern, die es besonders
schwer hat, einen Job zu finden, aber häufig hoch qualifiziert ist:
Menschen mit einem Handicap.
Beate Flaig ist im Jobcenter EU-aktiv die Spezialistin in der
Beratungsarbeit, wenn es darum geht, Menschen mit einer Behinderung zu
vermitteln. Sie weiß genau, wovon sie spricht, denn die studierte
Sozialarbeiterin ist selbst stark sehbehindert und kann nur mit
Hilfsmitteln ihre Arbeit erledigen. Die Zeichen und Buchstaben ihrer
Tastatur sind besonders groß und kontrastreicher als normal. Die
Programme und Symbole auf ihrem Bildschirm sind ihrem eingeschränkten
Sehvermögen angepasst, und sie hat ein spezielles Lesegerät.
Außerdem steht Beate Flaig mehrmals in der Woche eine Lese-Assistenz
zur Verfügung; die Mitarbeiterin liest ihr dann längere Texte vor,
die sie selber aufgrund ihrer Sehbehinderung schlecht lesen kann.
Beate Flaig befand sich gerade in Elternzeit als sie durch eine
Krankheit nahezu ihr komplettes Augenlicht verlor. Dies ist im
Übrigen der Normalfall: Bei 94 Prozent der Menschen mit einem
Handicap entsteht dieses durch eine Krankheit oder einen Unfall. Nur
rund drei Prozent der Behinderungen sind angeboren. Es könne also
jeden treffen, klärt Beate Flaig auf.
Nach ihren Reha-Maßnahmen wollte sie unbedingt wieder arbeiten, doch
die Stellensuche gestaltete sich äußerst schwierig. „Dies hat mich
zunächst frustriert“, gibt Beate Flaig zu. Doch sie gab nicht auf,
bewarb sich erfolgreich beim Jobcenter und berät nun Arbeitslose mit
einer Behinderung.
„Wer könnte diese Personengruppe besser beraten als sie?“, meint
Jürgen Reckers, Bereichsleiter im Jobcenter EU-aktiv. Viele Kunden
müsse sie erst wieder aufbauen, bevor die Beratung beginnen könne.
„Es ist wichtig, dass nicht nur ich an mich glaube, sondern auch
andere“, ist sich die Beraterin sicher und spiegelt den Menschen
ihre Fähigkeiten. Denn viele behinderte Arbeitnehmer sind sehr wohl
in der Lage, einen Vollzeitjob auszufüllen.
„Wir als Arbeitsagentur sind in der Pflicht, mit gutem Beispiel
voranzugehen“, ist Recker überzeugt. Für die Betriebe seien diese
Menschen eine große Bereicherung, sie seien oft sehr gut qualifiziert
und zeichneten sich durch eine hohe Loyalität gegenüber ihrem
Arbeitgeber aus.
Eine Vielzahl technischer Hilfsmittel - wie beispielsweise bei Beate
Flaig - ermöglicht es Menschen mit einem Handicap trotzdem zu
arbeiten. Arbeitgeber bräuchten für Hilfsmittel oder Assistenzen
nichts zu zahlen, versichert Michael Haußmann von der Arbeitsagentur
Brühl. Zudem gäbe es noch verschiedene finanzielle Förderungen, wie
beispielsweise Eingliederungsförderungen. Die Bürokratie sei in
solchen Fällen sehr niedrig.
Voraussetzung ist jedoch, dass Menschen mit einer Schwerbehinderung
sich vorher arbeitslos gemeldet haben. Jeder zweite von ihnen ist
langzeitarbeitslos. Diese Quote möchte Arbeitsagentur-Chef Rainer
Imkamp gerne weiter senken. In den vergangenen Jahren habe sich schon
viel verbessert, doch es gehe noch mehr. Dafür müssten allerdings
noch einige Barrieren in den Köpfen eingerissen werden, damit
Menschen mit einer Behinderung als das angesehen werden, was sie sind:
qualifizierte Menschen, die gerne arbeiten und leistungsfähig sind.
Ende 2015 besaßen im Kreis Euskirchen rund 17.907 Einwohner einen
anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent. Dies
entspricht einem Anteil an der Gesamtkreisbevölkerung von 9,4
Prozent. Betriebe mit 20 Mitarbeitern und mehr sind gesetzlich
verpflichtet, mindestens fünf Prozent dieser Stellen mit Behinderten
zu besetzen. Tun sie dies nicht, müssen sie eine Abgabe zahlen. Im
Kreis Euskirchen hat die Beschäftigung dieser Personengruppe in den
vergangenen Jahren stetig zugenommen. 2016 wurden 1838
schwerbehinderte Beschäftigte registriert - ein Prozent mehr als im
Vorjahr. Die Besetzungsquote betrug damit 4,77 Prozent. Unternehmer,
die einen Menschen mit Handicap einstellen möchten, erhalten unter
der Servicenummer 0800-5555520 entsprechende Informationen und werden
beraten.
- Petra Grebe
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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