Flutopfer und Helfer - Thorsten Gottschalk
„Zuhause - aber es nervt!“
„Eigentlich waren wir persönlich ja gar nicht so stark vom Hochwasser betroffen – hatten wir gedacht! Das dicke Ende kam dann aber noch!“ Seit ein paar Wochen sind Sonja und Thorsten Gottschalk nun zwar wieder in ihrer Wohnung, doch es ist auch zu Weihnachten längst nicht alles fertig!
Euskirchen. „Wir sind natürlich froh, endlich wieder in unserer Wohnung zu sein“, beginnt Thorsten Gottschalk, doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn: „Es nervt! Immer noch fehlen Rollläden, Dämmung und Kästen, Türen sind zu kurz und das Schlimmste: Die Wohnung war zuvor behindertengerecht, davon sind wir aktuell noch weit entfernt“, lautet das Resümee von Thorstens Frau Sonja.
Doch der Reihe nach: Das Unglück begann, wie bei so vielen, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli. Auch in der Bendenstraße in der Euskirchener Innenstadt sind die Wassermassen gewaltig, die in der Senke der Hausnummer 35 die Straße über einen halben Meter überfluten - und den Keller des Wohnhauses, in dem 28 Wohnparteien leben. Parterre sind es fünf Parteien, von denen drei auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Die Gottschalks leben hier gemeinsam mit Sonjas Tochter Kim, die nicht nur auf einen Rollstuhl angewiesen, sondern auch tracheotoniert ist, um im Notfall direkt beatmet werden zu können.
Parterre-Bewohner in Sicherheit gebracht
„In der Nacht lief quasi vom Garten Wasser in unsere Wohnung, aber gar nicht so viel. Wir haben das direkt versucht, in den Griff zu bekommen. Der Keller allerdings lief komplett voll. Da wir nicht wussten, wie weit das Wasser noch steigt, haben wir mit Hilfe von Kuchenheimer Feuerwehrleuten die Menschen aus den Parterre-Wohnungen zu Nachbarn nach oben gebracht. Meine Frau und meine Stieftochter wurden sicherheitshalber nach Weilerswist in die Gesamtschule evakuiert, weil der Krankenwagen aus Mechernich bereits flutbedingt ausgefallen war“, erinnert sich Thorsten. Am frühen Morgen zog sich das Wasser zurück. Er konnte Frau und Kind, trotz des Mobifunknetz- und allgemeinen Chaos bereits wieder in Weilerswist abholen. Zuhause angekommen, machte sich Thorsten, ein Mann der Tat, daran, Bewegung in die Flut-Baustelle zu bringen: „In unserer Straße war so ab 10 Uhr wieder Strom da. Da hat allerdings keiner daran gedacht, dass der Keller noch fast bis unter die Decke mit Wasser voll stand.“ Wenig später mussten dann aber alle raus aus dem Wohnhaus.
Viele Helfer, große Leistung: 26 Tonnen Keller-Müll entsorgt
Dank Nachbarschaftshilfe mit Strom und einer C-Rohr-Pumpe konnte später allerdings schnell begonnen werden, den Keller auszupumpen. „In der zweiten Nacht kam noch eine solche Pumpe dazu und am Sonntagmorgen konnten wir schon wieder in den Keller.“ Am Montag und Dienstag stand dann das große Aufräumen auf dem Plan: „Nach Rücksprache mit allen Mietparteien haben wir sämtliche Räume geleert. Durch persönliche Kontakte konnte ein Container organisiert werden und dank Aufrufen in den sozialen Medien hatten wir auch schnell einen Strom-Generator und bestimmt immer mindestens 25 Helfer hier, die keiner von uns kannte. Bis Dienstagabend hatten wir 26 Tonnen Müll aus dem Keller geschleppt und komplett klar Schiff gemacht!“ Ende Juli hatten alle im Haus auch schon wieder Strom. Alles schien überstanden, aber: „Ein paar Wochen später wurden wir vom Vermieter, der Eugebau, darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Keller und das Erdgeschoss kernsaniert werden müssten. Die Arbeiten würden drei Monate dauern. Für diese Zeit mussten wir uns also etwas überlegen“, lacht Thorsten Gottschalk bitter, denn:
Der Ärger ging erst Wochen später los
„Aus den drei Monaten wurde ein Jahr! Ich habe im Wohnwagen hinter dem Haus gelebt und für unsere Tochter haben wir in der Nähe Gott sei Dank eine kleine Wohnung gefunden. Denn bei ihr sind mit dem Wohnort ja noch andere, problematische Sachen verbunden, wie die Organisation des Schulbesuchs und Ähnliches. Unser Hab und Gut wurde eingelagert. Da kamen wir die ganze Zeit nicht dran - auch nicht an unsere Klamotten, um die auf die Jahreszeiten umzustellen. Zum großen Wäschewaschen sind wir zum Teil nach Köln in Waschsalons gefahren, um nur ein paar Beispiele zu nennen, was da alles dran hing.“ Und so wurde aus dem anfänglichen Ärger über eine dreimonatige Sanierung ein ordnerfüllender Rechtsstreit mit der Euskirchener Baugesellschaft mbH Eugebau. „Anwalt, Mieterschutzbund, Bürgermeister, Politiker und der WDR, wir haben alles versucht, geholfen hat es am Ende nichts. Das ist wirklich unfassbar, eine Frechheit angesichts der Situation der Parterre-Mieter“, lautet Thorsten Gottschalks bitteres Resümee. Nach fast genau einem Jahr durften sie dann im Oktober wieder in ihre Wohnung, doch: „Die ist immer noch nicht fertig! Der gravierendste Mangel ist aber, dass die Wohnung für Kim an vielen Stellen nicht mehr behindertengerecht ist.“ Ein Ende der Arbeiten und des Rechtsstreites ist aktuell nicht abzusehen.
Trotz eigener Betroffenheitselbst weiter als Helfer aktiv
Und doch: Trotz allem sind Sonja und Thorsten Gottschalk als Betroffene selbst auch noch als Helfer nach der Flutkatastrophe aktiv. Sie engagieren sich beim Baustoffspenden-Zentrum NRW und dessen Netzwerk. „Ich habe seinerzeit den Kontakt zur Firma hergestellt, bei der ich arbeite. Die hat viel Material zur Verfügung gestellt. Letztlich konnte ich über diese Schiene sogar zeitweise einen Stapler für das Baustoffspenden-Zentrum organisieren“, fasst Thorsten die Anfänge seines Engagements zusammen, dass mittlerweile bereits rund ein dreiviertel Jahr andauert. Aus seiner Arbeit für das Baustoffspenden-Zentrum und seinen eigenen Erfahrungen weiß Thorsten: „Viele Menschen sind immer noch stark von den Auswirkungen der Flut betroffen. Manche stehen noch vor einem Rohbau.“ Deshalb lautet sein Appell: „Wir dürfen die Betroffenen nicht aus den Augen verlieren, auch wenn die Flutkatastrophe jetzt schon eineinhalb Jahre zurück liegt!“
Redakteur/in:Düster Volker aus Erftstadt |
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