"Abi unverantwortlich"
Ängste und Sorgen von Abiturienten
Region/Hürth - „Ich bin Abiturientin und von der Entscheidung des Ministeriums
absolut schockiert. Es ist unverantwortlich, Tausende von Schülern in
Zeiten einer Pandemie zu verpflichten, in die Schule gehen zu müssen
und Abiturprüfungen zu absolvieren. Damit werden unendlich viele
Infektionsketten in Gang gesetzt.“
(me). Julia Richard ist Abiturientin am Albert-Schweitzer-Gymnasium in
Hürth. „Wir fühlen uns alleine gelassen und sind von der
Entscheidung des Ministeriums schockiert“, schreibt sie in einer
E-Mail an das WOCHENENDE und schickt der Redaktion einen Brief, den
sie an den Hürther CDU-Landtagsabgeordneten Frank Rock, an NRW-Schul-
und Bildungsministerin Yvonne Gebauer und an den Eltern- und
Philologenverband gesendet hat. „Es haben nicht alle 180 Leute aus
meiner Stufe den Brief unterschrieben, aber sicherlich vertritt die
große Mehrheit diese Meinung“, versichert Julia Richard.
Allein in ihrer Stufe gebe es 180 Schüler, die wiederum direkten
Kontakt zu Eltern und Geschwistern haben. Darüber hinaus würden mehr
als 100 Lehrer, für die Beaufsichtigung eingesetzt, die wiederum ihre
Familien anstecken könnten, befürchtet die Abiturientin.
„Wir würden in engen Klassenzimmern und in immer unterschiedlichen
Konstellationen tageweise wechselnd zusammensitzen. Das
hochinfektiöse Virus würde sich noch weiter verbreiten und geliebte
Menschen würden sterben, nur damit der Unterricht und Prüfungen
stattfinden können. Wir sind kein systemrelevantes Unternehmen und
die Abiturnote könnte auch anders berechnet werden“, schildert
Julia ihre Ängste. Diese Entscheidung könne nicht als „gerecht“
oder „im Sinne der Abiturienten“ bezeichnet werden. Sie sei grob
fahrlässig und absolut unangemessen.
„Auch andere Abiturienten des Hürther Gymnasiums haben der
Redaktion geschrieben. Unter anderem zwei Schülerinnen, die gerne
anonym bleiben möchten. „Wir haben bereits jetzt mehr Stress als
jeder Abiturjahrgang zuvor. Wir haben keine Gewissheit, dass unser
Abitur stattfindet, unser Abiball wird wahrscheinlich abgesagt, wir
hatten bereits keinen Abi-Gag und keine Mottowoche. Bitte hören Sie
den Schülern zu! Die Abiturprüfungen abzusagen, ist die einzige
Möglichkeit den Schülern und Lehrern endlich Gewissheit zu geben und
sie vor allem zu schützen“, schreiben die beiden an die politisch
Verantwortlichen.
Dass ein sogenanntes „Notabitur“ als „geschenktes“ Abitur
abgewertet werden könnte - auch dazu nehmen die Abiturientinnen
Stellung.
Bereits in den vergangenen zwei Jahren seien Zweidrittel der
Anforderungen erarbeitet worden. Das Abitur 2020 werde sowieso als
„Corona-Abitur“ bezeichnet, unabhängig davon, ob es nun ein
„Notabitur“ gebe oder nicht.
„Hessen und Rheinland-Pfalz haben bereits mit ihren Abiturprüfungen
begonnen bevor Covid-19 überhaupt zu so einem großen Thema wurde.
Dementsprechend wurden sie anfangs kaum bis gar nicht davon
beeinflusst und waren nicht den Belastungen ausgesetzt, denen sich die
Schüler der übrigen Bundesländer nun stellen müssen. Auch wenn Sie
uns drei Wochen mehr Zeit verschafft haben, um uns auf unser Abitur
vorzubereiten, ist die Situation nicht angenehmer.“
Auch Linda Maria Braun hat sich intensiv mit der Problematik
beschäftigt und wendet sich mit ihren Ängsten und Sorgen an die
politisch Verantwortlichen.
„Wir stehen unter enormen Druck bedingt durch den normalen
Prüfungs- und Leistungsdruck, hinzu kommt noch das ständige hin und
her ob und wann Abiturprüfungen geschrieben werden, die Gefahr ein
geliebtes Familienmitglied oder Freund zu verlieren, die generelle
Angst wie sich die momentane Situation auf unser Land und die Welt
auswirken wird, die Gefahr uns selbst zu infizieren und eine
verkürzte beziehungsweise nicht gewährleistete Vorbereitungszeit auf
die Abiturprüfungen. Ich möchte sie hiermit aufrichtigst bitten ihre
Entscheidung noch einmal zu überdenken und eine geeignetere Lösung
zu finden.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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