Musik oder Physik
Zum Südpol und nach Chile
von Lena Großekathöfer
Musik oder Physik, welches Hobby sollte er zum Beruf machen? Das war die große Frage, die sich Professor Dr. Jürgen Stutzki am Ende seiner Schullaufbahn stellen musste. Ein Freund riet zu Physik und so begann seine wissenschaftliche Laufbahn, die als Professor der Astrophysik an der Universität zu Köln mündete.
„Die Musik habe ich als Hobby belassen. Bis heute spiele ich Geige im Streichquartett und Orchester“, berichtet Dr. Stutzki. 1981 kam er zum ersten Mal für seinen Doktor nach Köln und neun Jahre später für die Professur. In Hürth fand er schließlich seine Wahlheimat. „Hürth ist nahe bei Köln und ich kann mir die schlechte Laune abradeln, wenn ich nach der Arbeit noch eine Runde um den Decksteiner Weihe drehe“, schmunzelt Dr. Stutzki. Dieses Jahr wurde er emeritiert, wobei er sich noch für eine zweijährige Übergangsfrist entschieden habe. „Dann muss ich aufpassen, auch wirklich zu gehen.“
Geboren wurde er als jüngstes von fünf Kindern in Haan im Kreis Mettmann. Seitdem er sich erinnere, begeisterten ihn die Naturwissenschaften.
Das Physikstudium begann der Familienmensch 1975 an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. „Die TH erlaubte mir, die Mathematik für Ingenieure zu hören und nicht die für Mathematiker“, zwinkert Dr. Stutzki. Nach dem Vordiplom wechselte er 1977 nach München, wo ihm klar wurde, dass er die Astrophysik am spannendsten fand. „Da man alle Themengebiete benötigt, ist man hier am besten davor gefeit, ein Fachidiot zu werden“, erklärt der Hürther. Für den Doktor zog er vier Jahre später nach Köln, bevor er eine Stelle bei Professor Reinhard Genzel, einem der weltweit führenden Astrophysiker, in den USA erhielt und dann mit ihm nach Garching bei München ging.
1990 folgte mit der Professur der Umzug zurück nach Köln.
Über all die Jahre faszinierten ihn immer die Forschungsthemen, für die noch keine Messgeräte existierten. „Da stelle ich mir immer die Frage: Was spricht gegen den Bau? Und was müsste getan werden, um sie doch bauen zu können?“, berichtet Stutzki. Sein Lebensprojekt sei die Messung einer bestimmten Spektrallinie von ionisiertem Kohlenstoff, die wichtig für die Beobachtung und das Verständnis von Sternentstehung ist.
Die meisten Teleskope sind aufgrund der Absorption in der Erdatmosphäre nicht empfindlich genug, diese Wellenlänge im Submillimeterbereich zu messen.
Über 40 Jahre und fast alle Kontinente zog sich die Reise. „Am prägnantesten war 1994 die Expedition zur Sternwarte am Südpol. Beginn war am 2. Weihnachtsfeiertag. Mit meiner Familie konnte ich nur reden, wenn es die Satellitenverbindung zuließ“, erinnert sich der Hürther. So habe er nur eine halbe Stunde Zeit gehabt, seinem Sohn zum zehnten Geburtstag zu gratulieren.
Neben der intensiven Arbeit setze er sich immer für seine Studierenden und Mitarbeiter ein. Sie schätzten sein Wissen, seine Wissbegierde und die unbedingte Bereitschaft, beides weiterzugeben.
„Jürgen ist ein vielseitiger, enthusiastischer, humorvoller und immer optimistischer Mensch. Er hat entgegen aller Widerstände immer in die Zukunft geblickt und alle sich bietenden Chancen genutzt“, berichtet Dr. Robert Simon. Seit über 30 Jahren arbeite er mit Dr. Stutzki zusammen und habe viel erlebt. Ebenfalls Teil des Teams ist Dr. Urs Graf. 35 Jahre lang forsche er bereits mit Professor Stutzki, eine Arbeit, die sie auch nach Hawaii, Neuseeland, Tahiti und Tibet führte. „Er ist nie vor ambitionierten Projekten zurückgeschreckt. Mit seiner enormen Zähigkeit und Überzeugungskraft hat Jürgen es immer wieder geschafft, auch die wildesten Ideen zu verwirklichen. Das war immer sehr fordernd, aber garantiert nie langweilig“, berichtet Dr. Graf.
Nach der Verlegung der Submillimeterforschung nach Chile erweiterte das südamerikanische Land ihre Reiseliste. Dort arbeiteten sie in den vergangenen Jahren an dem neuen CCAT-Prime Observatorium. Dieses wird den Bau eines Teleskops auf 5600 Metern Höhe in der Atacama-Wüste beinhalten.
Bevor Dr. Stutzki sich vollständig zurückzieht, möchte er den Aufbau und die Inbetriebnahme des Teleskops begleiten.
Alles andere liege dann in der Verantwortung seines Nachfolgers, Professor Dominik Riechers. „Erfahrungsgemäß kann die Übergabe solcher großen Projekte sehr holprig verlaufen, aber dies war hier nicht der Fall. Jürgen hat große Energie darauf verwendet, alles bis ins kleinste Detail zu planen, und sich nebenbei noch als ein toller Mentor erwiesen. Dafür bin ich ihm äußerst dankbar“, erzählt Dr. Riechers.
Für den Ruhestand hat der 66-Jährige bereits Pläne. „Ich möchte erst einmal mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen.“ Außerdem wolle er Bücher auf Basis seiner Vorlesungen schreiben und wieder auf Konzerten spielen.
Falls die Langeweile trotzdem zu groß werde, stehe er der Universität zu Köln als Berater zur Verfügung.
Für seine Studierenden hat er noch einen letzten Rat: „Immer dabei bleiben, nicht frustriert sein, nicht aufgeben und immer zusammenarbeiten.“
Redakteur/in:Martina Thiele-Effertz aus Hürth |
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