Ehrenamt war gestern
Historiker hielt Vortrag über den Politiker im Wandel der Zeit
NEUBRÜCK - (tp). Der Berufspolitiker, wie man ihn heute kennt, ist eine
Erfindung der Neuzeit. Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass
entschieden wurde, Parlamentarier für ihre politische Tätigkeit zu
entlohnen. Seit den Anfängen der Demokratie in den hellenistischen
Stadtstaaten übten Politiker ihr Mandat ehrenamtlich aus. Noch zur
Gründung des deutschen Reichs wurde ein Diätenverbot in der
Verfassung festgeschrieben. Bismarck sagte dazu, der Politiker solle
für die Politik leben, aber nicht von der Politik.
Erst mit der Gründung der Bundesrepublik änderte sich diese
Sichtweise. Man erkannte das Problem, dass meist Beamte in Mandate
kamen, die dann – um sie für ihre umfassende parlamentarische
Tätigkeit freizustellen – in den Ruhestand versetzt wurden und
folglich Bezüge erhielten.
Dies brachte den Konflikt der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat mit
sich, weil die Teilung der gesetzgebenden und der ausführenden Gewalt
nicht mehr gegeben war. Für Bürger, die ihren Lebensunterhalt
außerhalb des öffentlichen Dienstes verdienten, war eine Übernahme
eines Mandats aus finanziellen Gründen kaum möglich. Deshalb ging
man Mitte der 1960er-Jahre dazu über, auch Landtagsabgeordnete mit
ausreichenden Bezügen auszustatten.
Diese Entwicklung zeigte der Historiker Dr. Wolfgang Gärtner in einem
Vortrag im Konrad-Adenauer-Haus, dem Deutschordens Wohnstift, anhand
des NRW-Landtages auf. Der Vortrag war Teil einer Veranstaltungsreihe
der Senioren-Union. Seine umfassende Kompetenz bezieht Gärtner aus
seiner jahrelangen Tätigkeit als Leiter des Archivs des NRW-Landtags.
Doch nicht nur die Entwicklung vom Ehrenamtler zum Berufspolitiker war
Thema des Vortrages. Gärtner schilderte auch, wie sich das Bild des
Politikers vom geachteten Volksvertreter zum verachteten Angehörigen
einer korrupten und eigennützigen Elite gewandelt hat. Er erklärte,
dass sich unter den Wählern Politikverdrossenheit breitmache, was
sich einerseits in einer geringen Wahlbeteiligung widerspiegele und
andererseits populistischen Parteien Vorschub gebe. Gärtner sieht die
Lösung für dieses Phänomen in der Bereitschaft der politischen
Elite, sich wieder mit den Sorgen und Nöten des gemeinen Wählers zu
beschäftigen.
Die Senioren-Union bietet im Deutschordens Wohnstift immer wieder
Veranstaltungen dieser Art an, um Senioren ein interessantes Angebot
zu deren politischen und allgemeinen Bildung zu machen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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