Ausgrabung bei Manheim-alt
Die Heilige Barbara begeistert die Forscher
In einem vom Verein der Kerpener Heimatfreunde beauftragten Grabungsprojekt bei Haus Bochheim haben Archäologen einen einzigartigen Fund gemacht.
Kerpen. Sie hat keinen Kopf mehr und ist nur acht Zentimeter hoch. Dennoch handelt es sich bei der Statuette der Heiligen Barbara, die bei Ausgrabungen bei Haus Bochheim in der Nähe von Manheim-alt gefunden wurde, um eine kleine archäologische Sensation. „Seit 30 Jahren grabe ich mich durch das Rheinland. Dass so eine kleine Figur solche Wellen schlägt, hätte ich nicht gedacht“, sagte Archäologe Dr. Martin Heinen des archäologischen Dienstleisters Arthemus aus Frechen. Die kleine Figur ist im LVR-Landesmuseum Bonn „Fund des Monats“ Dezember.
Vor fünf Jahren hatte Dr. Martin Grünewald von der Außenstelle Titz des Amts für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) beim Verein der Heimatfreunde Stadt Kerpen angeregt, bei Bochheim eine größere Grabung vorzunehmen. Doch der Heimatverein musste für die mit 1,2 Millionen Euro veranschlagten Kosten eine Finanzierung stemmen. Den Großteil der Kosten trägt das Land, aber zehn Prozent musste der Heimatverein mit Hilfe von Sponsoren, unter anderem der Kreissparkasse Köln, aus eigener Tasche aufbringen.„Die haben in Bochheim wirklich alles umgegraben“, berichtete Vereinsvorsitzende Susanne Harke-Schmidt. Martin Heinen schätzt, dass auf dem Gelände des 1138 erstmals erwähnten ehemaligen Gutshofs Bochheim mehr als 20.000 Kubikmeter Boden bewegt wurden. Da Bochheim, das in der Nähe der alten Autobahn 4 lag, dem Tagebau Hambach geopfert wird, waren die Grabungen seit August 2022 die letzte Chance für die Forscher, hier noch tätig zu werden. Denn die Braunkohlebagger sind in Sicht.
Am 14. Februar diesen Jahres gelang der Volltreffer, als eine Mitarbeiterin aus dem Grabungsteam die Heiligenfigur aus Pfeifenton entdeckte, die offenbar im 15. Jahrhundert in einer so genannten „Bilderbäckerei“ mit einem Brennofen in der Nähe des heutigen Breslauer Platzes in Köln entstanden ist. Für die Forscher war der Fund aus dem Spätmittelalter überraschend, hatten sie doch eher mit noch älteren Objekten gerechnet. Ein formal identisches Exemplar befindet sich in einer Sammlung in Köln. „Die kleine Barbara könnte auf einem Hausaltar im Hof Bochheim gestanden haben“, mutmaßt Harke-Schmidt.
Dabei ist es als Kuriosum anzusehen, dass die Heilige Barbara, die im Rheinischen Revier vor allem als Schutzheilige der Bergleute verehrt wird, ausgerechnet gefunden wird, bevor der Grund des längst abgerissenen Gutshofs abgebaggert wird. Aber die Heilige, die aus der Türkei stammt, ist auch Patronin der Turmwächter, Baumeister, Glockengießer und Glöckner, der Feuerwehrleute, Artilleristen und der Sterbenden. Da ihr Vater sie der Legende nach in einen Turm eingesperrt hatte, wird sie oft mit einem Turm dargestellt. So hält auch die Heilige aus Bochheim einen Turm in der Hand.
Der fortschreitende Tagebau zerstört alle Bodendenkmäler. „Die Kopflosigkeit der Heiligen Barbara ist daher ein passendes Sinnbild für die Beziehung zwischen dem regionalen Braunkohlenabbau und seinem - durch ihn zerstörten - rheinischen Kulturerbe“, erklärt der Verein der Heimatfreunde.
LVR-Experte Grünewald bescheinigte die „Einzigartigkeit des Objekts“ und überreichte den Heimatfreunden eine detailgetreue Abformung, die Susanne Harke-Schmidt und ihr Stellvertreter Rolf Axer dankbar in das Eigentum des Vereins aufnahmen. Sie ist künftig in Kerpen im Haus für Kunst und Geschichte zu sehen.
Das Grabungsprojekt der Heimatfreunde geht noch weiter bis Ende 2025. Vorher soll es eine Ausstellung geben, in der noch einmal das Original in Kerpen zu sehen sein wird. Darüber hinaus haben die Archäologen unter anderen eine eisenzeitliche Siedlung freigelegt und weitere Objekte aus Bochheim, die dann der Öffentlichkeit präsentiert werden können.
Redakteur/in:Georg Zingsheim aus Kerpen |
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