Interview Dieter Spürck
Eröffnung der Erftlagune bis Jahresende
Das Vierjahreszeitenbad Erftlagune zwischen Horrem und Sindorf ist
das Sorgenkind der Stadtverwaltung. Zurzeit ist das Bad wegen
Sanierung geschlossen. Im Sommerinterview mit der Werbepost erklärt
Kerpens Bürgermeister Dieter Spürck, warum es bei der Renovierung
der Erftlagune mehrfach zu Verzögerungen gekommen ist. Das nächste
Großprojekt steht vor der Tür: das Kerpener Gymnasium - die
Europaschule - ist ebenfalls stark sanierungsbedürftig. Spürck hofft
auf einen Neubau des ehemaligen Vorzeigegebäudes aus den 1970-er
Jahren.
Herr Spürck, im Sommerinterview mit der Werbepost vor einem
Jahr haben Sie gesagt, die Erftlagune öffnet auf jeden Fall vor dem
Flughafen BER. Bleiben Sie dabei?
Dieter Spürck: Ja, sicher. Öffentliche Bauprojekte dauern
häufig länger und sind häufig kostenintensiver als private
Bauprojekte. Wir haben das am Berliner Flughafen, an der Kölner Oper
und an der Elbphilharmonie erlebt. Auch wir haben leider nicht den
Zeitplan einhalten können, wie es ursprünglich geplant war. Aber wir
sind auf einem sehr guten Weg. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch
dieses Jahr die Eröffnung vornehmen können.
Können sie uns einen konkreten Termin nennen?
Dieter Spürck: Ich schätze, wenn man es ordentlich machen
will, dann wird es bis zum letzten Quartal dauern. Denn man kann
selten sehr preiswert, mit sehr hoher Qualität und sehr schnell
arbeiten. Und da wir alle so lange gewartet haben auf die
Wiedereröffnung, wird es eine Woche lang freien Eintritt geben und
alle können sich ansehen, wie gut die Erftlagune geworden ist.
Welche Probleme gab es bei der Sanierung?
Dieter Spürck: Wir haben in der Bauphase verschiedene
Verzögerungen gehabt und dementsprechend auch Überschreitungen der
ursprünglich geplanten Kosten, wobei man dazu sagen muss, dass einige
der Baumaßnahmen ohnehin fällig gewesen wären. Das heißt, die sind
vorgezogen worden. Und sehr häufig bei Sanierungsprojekten ist das
eine Wundertüte. Man sieht erst bei der Bauausführung, welche
Mängel sich da auftun. Hinzu kommt: Die Auftragsbücher der meisten
Bauunternehmen sind schon sehr gut gefüllt und zeitlich eng getaktet.
Wenn Sie da einmal aus dem Tritt kommen, dann wird es sehr schwierig,
mit dem Unternehmen Regelungen zu finden, sowohl was
Schadensersatzforderungen angeht, als auch, was die Wiederaufnahme der
Arbeiten angeht. Zum Beispiel stellt das Unternehmen, das die
Fliesenarbeiten ausgeführt hat, an uns hohe Schadensersatzansprüche.
Aber wir sind keine Melkkuh und müssen das ordentlich prüfen.
Ist es korrekt, dass die Sanierungskosten für die Erftlagune
bei 4 bis 4,5 Millionen Euro liegen?
Dieter Spürck: Ja, das kommt einschließlich Umsatzsteuer
meines Wissens ungefähr hin. Das ist viel Geld, aber ich bin trotzdem
froh, dass wir die Sanierung der Erftlagune angegangen sind, und ich
bin froh, dass wir die Erftlagune trotz der sehr angespannten
Haushaltslage hier in Kerpen halten können. Natürlich hat es auch
Veränderungen in den Standards gegeben. Die Saunaanlage wird nicht
mehr eröffnet, und es gibt den politisch umstrittenen Beschluss zum
Solebecken, das auch nicht mehr geöffnet wird. Außerdem gibt es
veränderte Öffnungszeiten. Aber für mich gehört das zum
Gesamtkonzept, dass man wirtschaftlich handelt.
Seit 2007 war bekannt, dass die Erftlagune Sanierungsbedarf hat.
Hätte man bei gründlicherer Planung nicht voraussehen können, dass
da noch mehr zu machen ist?
Dieter Spürck: Hinterher ist man immer schlauer. Das Risiko
jeder Sanierungsmaßnahme ist, dass Baumängel auftreten, die bisher
nicht bekannt waren. Wenn Sie bei einer Deckenaufhängung feststellen,
dass die nicht richtig befestigt wurde, dann merkt man das erst, wenn
sie geöffnet wird. Grundsätzlich kann man darauf vertrauen, dass
deutsche Unternehmen gründlich arbeiten. Es hat sich aber
herausgestellt, dass die Variante, sehr billig zu bauen, nicht die
Preisgünstigste war. Das bedeutet aber auch, dass wir im Sinne einer
Manöverkritik für die Bauvorhaben, die jetzt noch anstehen, deutlich
mehr Wert auf Qualität legen und eventuell auch andere Formen der
Zusammenarbeit wählen sollten.
Sie sprechen von der gerade einmal gut 40 Jahre alten
Europaschule an der Philipp-Schneider-Straße. Wie rechtfertigen Sie
einen Neubau für dieses ehemalige Vorzeigeprojekt?
Dieter Spürck: Die Erftlagune hat noch weniger Jahre
gebraucht, bis man feststellen musste, dass die Bauqualität nicht so
ist, wie man sie hätte haben wollen. Letztlich muss ich mich fragen:
Was ist die wirtschaftlichste Variante und was ist am besten für die
Schule? Für mich läge der Vorteil eines Neubaus darin, dass der
Schulbetrieb am wenigsten gestört wird, denn es ist einfacher, wenn
man von einem Teil in einen anderen umzieht. Außerdem hat die Stadt
bei einem Neubau eher die Chance, nicht alles selbst zu machen,
sondern sich in einem PPP-Projekt (Public Private Partnership, die
Red.) einen kompetenten Partner zu suchen.
Sie sehen also einen Vorteil, wenn die Stadt einen Neubau der
Schule nicht komplett auf eigene Rechnung macht?
Dieter Spürck: Mit einem Partner könnte man nicht nur den Bau
verwirklichen, sondern auch den Betrieb über die gesamte
Nutzungsdauer. Nach meiner Einschätzung sieht es so aus, dass die
beiden Szenarien - also Sanierung oder Neubau - finanziell gar nicht
so weit auseinanderliegen. Es ist natürlich zunächst eine These,
dass der Neubau die wirtschaftlichere Variante ist, die erst
bestätigt werden kann, wenn alle maßgeblichen Zahlen auf dem Tisch
liegen.
Woher soll denn das Geld für eine Sanierung oder einen Neubau
der Schule kommen?
Dieter Spürck: Die Frage nach der Förderung ist noch zu
klären. Wir konnten, was den Abriss des Hochhauses an der
Maastrichter Straße angeht, einen sehr hohen Förderbetrag
akquirieren. Was die Europaschule anbelangt, geht es mir natürlich
darum, ebenfalls eine möglichst hohe Förderung zu erhalten. Dazu
werde ich nach den Ferien im zuständigen Ministerium ein Gespräch
führen, um genauer auszuloten, welche Fördermöglichkeiten bestehen.
Wenn das klar ist, welche möglicherweise unterschiedliche Förderung
es für Sanierung oder Neubau gibt, dann werden wir erneut kalkulieren
und die Politik und die Gremien der Europaschule mit der Thematik
befassen. Nach meinem Fahrplan sieht das so aus, dass wir hier in der
zweiten Jahreshälfte deutlich weiter kommen.
Von welchen Kosten sprechen wir hier?
Dieter Spürck: Früher habe ich einmal von 50 bis 70 Millionen
Euro gesprochen, es werden wahrscheinlich, ganz grob geschätzt,
Kosten von rund 60 Millionen Euro sein – plus/minus X. Man baut
natürlich dieselbe Schule nicht noch einmal, sondern man muss auch
die aktuellen pädagogischen Anforderungen berücksichtigen. Die
Entscheidung für G9 erfordert möglicherweise zusätzlichen
Raumbedarf, und ich erwarte auch klarere Vorgaben, was die Inklusion
angeht. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier bald eine
wirtschaftliche Lösung finden, die auch für die Schule attraktiv
ist.
Angenommen, ein Neubau der Europaschule kommt zustande. Was soll
dann mit dem alten Gebäude passieren?
Dieter Spürck: Es gibt zwei Szenarien: das eine ist der
komplette Rückbau, also Abriss, was auch Auswirkungen auf die
städtische Bilanz hätte, denn dann müsste das komplette Gebäude
sofort abgeschrieben werden. Eine andere Variante könnte eine
Folgenutzung sein, wie beispielsweise beim Kreishaus in Hürth, was
allerdings eine besondere Herausforderung für die
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wegen der Sanierungskosten für das
Altgebäude bedeuten würde. Das muss aber noch näher untersucht
werden. Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen.
Bei den Problemen mit der Erftlagune gibt es den Vorwurf, dass
die Verwaltung überfordert war, weil die Bauabteilung personell
ausgedünnt wurde. Wie wollen Sie denn ein solches Projekt wie den
Neubau des Kerpener Gymnasiums stemmen?
Dieter Spürck: Wie etliche Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist
auch die Kolpingstadt Kerpen in der Haushaltssicherung. Die Stadt
musste von ihrer allgemeinen Rücklage, die 2008 noch 120 Millionen
Euro betrug, bis jetzt schon mehr als die Hälfte in Anspruch nehmen.
Richtig ist, dass wir aus Kostengründen in verschiedenen Bereichen
der Verwaltung personell sehr dünn aufgestellt sind und wir uns da
noch erweitern müssen, und dazu zählt auch die Bauverwaltung. Was
kommende Projekte angeht, bin ich schon der Auffassung, dass wir eine
hochmotivierte und leistungsfähige Verwaltung haben, die das stemmen
wird. Ich bin mit dem Verwaltungsvorstand einer Meinung, dass es
gerade bei Großprojekten sinnvoll ist, sich einen externen Partner zu
wählen, beispielsweise in einer PPP.
Welcher Zeitplan schwebt Ihnen für die Europaschule
vor?
Dieter Spürck: Der schnellste Ablauf wäre, wenn wir nach den Ferien
eine Aussage des Landes hätten, wie die Förderkulisse aussehen wird.
Dann können wir genauer rechnen und bis Jahresende unter
Berücksichtigung der Schulgremien die entsprechenden politischen
Beschlüsse herbeiführen. Dann könnten theoretisch schon in der
ersten Jahreshälfte 2018 die Ausschreibungen erfolgen.
Ist dieser Zeitplan realistisch?
Dieter Spürck: Ich sage bewusst theoretisch, denn für mich
ist entscheidend, dass wir hier eine wirtschaftlich gute Lösung
finden, aber auch eine pädagogisch gute; das wird eine der größten
Investitionen der Kolpingstadt für die nächsten Jahrzehnte sein mit
einer ähnlichen Größenordnung wie die Gründung der Stadtwerke. Wir
haben eine große Verantwortung, denn es sind Steuergelder, über die
wir hier reden.
Sindorf könnte weiter wachsen, wenn die Pläne der früheren
Glasfabrik verwirklicht werden, noch einmal Häuser für 1.200
Menschen zu bauen. Ist Sindorf nicht schon längst an der
Wachstumsgrenze angekommen?
Dieter Spürck: Erfreulich finde ich, dass die Kolpingstadt
nicht nur die größte Stadt im Rhein-Erft-Kreis ist, sondern offenbar
auch sehr attraktiv ist. Das hängt natürlich mit der
Speckgürtellage vor den Toren Kölns zusammen, aber es zeigt sich
schon, dass wir vor allem in Horrem, Sindorf und Buir mit guter
ÖPNV-Anbindung eine ganz erhebliche Nachfrage nach Bauplätzen haben.
Aber ich gebe Ihnen recht: Wir müssen berücksichtigen, dass Sindorf
als unser größter Ortsteil in den vergangenen Jahrzehnten am
schnellsten gewachsen ist und wir wissen auch, dass zusätzlicher
Bauplatz zusätzlichen Bedarf im Kindergarten- und Schulbereich nach
sich zieht.
Was bedeutet das für die weitere Erschließung von
Bauland?
Dieter Spürck: Wir haben jetzt schon die Situation, dass wir
vielen Eltern keinen Kindergartenplatz anbieten können. Wir mussten
in der letzten Runde über 300 Absagen erteilen. Das bedeutet für
mich, dass die Planungen mit Augenmaß betrieben werden und dass auch
klar mit den Bauträgern und Investoren vereinbart werden muss, wie
ihr Beitrag für die Infrastruktur auszusehen hat. Das bedeutet, dass
wir - ähnlich wie Bergheim - ein viel intensiveres Bodenmanagement
betreiben müssen, so dass Kosten für Schulen und Kindergärten von
vornherein stärker von den Investoren mitgetragen werden müssen.
Braucht Sindorf eine dritte Grundschule, wie sie von der SPD
gefordert wird?
Dieter Spürck: Wir brauchen eine leistungsfähigere
Bildungsinfrastruktur. Das betrifft zum Beispiel die Kindergärten,
und deshalb will ich die Stadt jetzt mit Hochdruck aus der Situation
befreien, dass sie zusätzlichen Bedarfen hinterherläuft. Da sind wir
auf einem sehr guten Weg. In der Schullandschaft haben wir bereits
eine sehr gute Infrastruktur, sowohl bei den Grundschulen wie bei den
weiterführenden Schulen. Wenn weitere Menschen in einen Stadtteil
ziehen, dann löst das auch weiteren Bedarf aus; aber um diesen Bedarf
genau zu ermitteln, fehlen mir aktuell noch die verlässlichen Zahlen.
Sie sehen noch weiteren Beratungsbedarf?
Dieter Spürck: Ich bin aktuell weder flammender Befürworter
noch ein Gegner einer dritten Grundschule, sondern mir geht es darum,
dass wir solide planen und dann die richtige Entscheidung treffen.
Wird das Signal für eine dritte Grundschule zu schnell gegeben, dann
könnte das längerfristig zu einem Leerstand führen oder zu
negativen Auswirkungen für die Ulrichschule und die
Mühlenfeldschule. Wir haben in Türnich/Brüggen/Balkhausen einen
längeren Planungsprozess gehabt, was die Zukunft der
Albert-Schweitzer-Schule angeht. Dort läuft es auf eine sehr gute
Lösung hinaus, nachdem man verschiedene Szenarien beleuchtet hat.
Ähnlich stelle ich mir das auch für Sindorf vor: Ganz genau
hinzuschauen und dann die richtige Entscheidung treffen.
INTERVIEW:
GEORG ZINGSHEIM
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.