Bundeskanzler zu Gast auf der phil.COLOGNE
Hier philosophiert Scholz in Köln
Über den Zusammenhang von „Arbeit und Demokratie“ diskutierten in der Kölner Flora Bundeskanzler Olaf Scholz und der Sozialphilosoph Axel Honneth.
von Priska Mielke
Köln. Wer spätestens am Monatsende um das finanzielle Überleben kämpft oder unter Bedingungen arbeitet, die körperlich und seelisch belastend sind, hat oft gar nicht mehr die Kraft, sich als „mündiger Bürger“ in unser politisches System einzubringen. Sind schlechte Arbeitsbedingungen also sogar eine Gefahr für die Demokratie?
Über diese Frage wollte Moderatorin Svenja Flaßpöhler mit ihren Gästen im Rahmen der phil. Cologne diskutieren. Doch zunächst stellte sie eine persönliche Frage an Olaf Scholz: „Wie sieht der Tag eines Bundeskanzlers aus?“ Scholz outete sich als wahrer Workoholic. In seinem Arbeitsalltag gebe es kaum Kontinuitäten – außer der Kabinettssitzung, die in der Regel mittwochs stattfinde. 18- bis 20-Stunden-Tage seien keine Seltenheit. Dafür sei er aber auch „ziemlich oft im Ausland“.
Viel entspannter scheint hingegen der berufliche Alltag eines Sozialphilosophen zu sein. „Im Gegensatz zu Herrn Scholz lese ich viel entspannter“, bemerkte Axel Honneth. Trotz großer Stressphasen während seiner Lehrtätigkeit an der Columbia University (New York) habe er meist einen „ziemlich ausgeglichenen Arbeitsalltag“. Der Beratungsbedarf der Studierenden sei allerdings sehr hoch und es sei nicht immer einfach, Forschung und Lehre miteinander zu verbinden.
„Politiker überschätzen oft das Informationsniveau der Bürgerinnen und Bürger, aber sie unterschätzen ihre Urteilsfähigkeit“, beschrieb der Bundeskanzler die Ursache für so manche „Kommunikations-panne“ im politischen Tagesgeschäft. Axel Honneth verwies auf Bildung als zentrale Voraussetzung für politische Teilhabe. Genauso wichtig sei allerdings die „mediale Vermittlung politischer Information“.
Olaf Scholz stellte den engen Zusammenhang zwischen Bildungsstand und politischer Teilhabe in Frage und wurde grundsätzlich: „Eine Demokratie, die sich nicht vorstellen kann, dass ein Hilfsarbeiter bei Amazon ein genauso gutes politisches Urteil fällen kann wie ein Hochschulprofessor, hat ein Problem!“
Axel Honneth forderte: „Wir sollten Respekt für jede Arbeit und jede Lebensform haben!“ und ergänzte: „Zum Respekt gehört die Schaffung von Voraussetzungen, diesen Respekt als verdient zu verstehen.“
Diese Voraussetzungen lägen in der Organisation der Arbeit und in der Bezahlung. Symbolischer Respekt sei billig. Es komme auf den tatsächlichen Respekt an. Auch müsse eine Tätigkeit in sich anerkennungswürdig, also intellektuell anspruchsvoll, sein.
Honneth fand in diesem Hinblick schnell Beispiele dafür, wie Berufsbilder sich geändert haben Seit den 1970er-Jahren etwa müssten Bahnschaffner auch das Essen austragen und Lehrer seien heute an der Internet-Wartung beteiligt. Olaf Scholz sah in diesen Entwicklungen jedoch vor allem eine Mehrbelastung und brachte Betriebsräte und Gewerkschaften ins Spiel.
Aber wie wichtig ist Arbeit heute noch? Moderatorin Svenja Flaßpöhler wollte bei der Generation Z (Jahrgang 1997 bis 2012) sogar einen „Trend zur Arbeitsunlust“ ausmachen. Während Axel Honneth betonte, Menschen hätten ihren Lebenssinn nie nur aus der Arbeit bezogen, erklärte Olaf Scholz, dass durch Arbeitszeitreduzierung andere Interessen mehr Platz hätten.
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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