Blind zum Erfolg
Katharina und Michael wollen Deutsche Meister im Blindentennis werden

Katharina hört und antizipiert den Ball so gut, dass sie sogar eine Klasse höher antritt, als es ihrem Sehvermögen entspricht. | Foto: Düster
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  • Katharina hört und antizipiert den Ball so gut, dass sie sogar eine Klasse höher antritt, als es ihrem Sehvermögen entspricht.
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Köln - #infobox

Wer im Leistungssport antritt, will gewinnen - ganz egal, in
welcher Sportart und Klasse, und ganz egal, ob mit Handicap oder
nicht. Doch das, was Katharina Kühnlein und Michael Wahl ­machen,
übersteigt meine Vorstellungskraft. Die beiden spielen sehr
erfolgreich Blindentennis - ja, Blindentennis! Wie das geht, davon
will ich mir selbst ein Bild machen und die beiden Kölner näher
kennen lernen.

Zunächst treffe ich mich aber mit Niklas Höfken, dem Pionier der
ersten Stunde: „Das Thema Blindentennis wurde 2016 in Deutschland
durch die Gold-Kraemer-Stiftung initiiert und bundesweit in
Kooperation mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem
Deutschen Tennis Bund und dem Deutschen Behindertensportverband
aufgebaut.“ 

So hat in Deutschland alles angefangen

Niklas war für die Gold-Kraemer-Stiftung bereits in einer­ anderen
Gruppe gehandicapter Sportler als Tennistrainer aktiv, als er seine
Diplomarbeit an der Deutschen Sporthochschule über Inklusion im
Tennissport schrieb. Bei seinen Recherchen stieß er auf das Thema
Blindentennis. Daraufhin organisierte er einen Workshop und den Besuch
zweier englischer Blindentennis-Trainerinnen, die ihr Wissen vor drei
Jahren an ­eine kleine Schar Interessierter in Köln weitergaben.
Seitdem hat sich eine Menge entwickelt. „Mittlerweile gibt es in
Deutschland acht Standorte, an denen Blindentennis gespielt wird“,
berichtet Niklas. Und doch steckt Deutschland im Vergleich mit anderen
Nationen noch deutlich in den Kinderschuhen. „In Japan hat alles
1984 begonnen. In England wird bereits seit 2007 gespielt. Wenn man
bedenkt, dass eigentlich in jedem Verein relativ einfach Blindentennis
angeboten werden könnte, hätten wir bundesweit ein Potenzial von
rund 9.500 Vereinen. Da sind acht Standorte nicht wirklich viel“,
bilanziert Niklas. Er ist aber dennoch zufrieden: „Wir haben 2018
die erste Deutsche Blindentennis-Meisterschaft ausgetragen und
mittlerweile eine Rangliste aufgebaut. Über die Liste können sich
die Sportler auch für internationale Turniere qualifizieren.“ Und
jetzt steht die zweite Deutsche Meisterschaft an, vom 26. bis 28.
April in Löhne, Westfalen.

Zwei Asse im Blindentennis: Katharina Kühnlein und Michael
Wahl

Mit dabei sind dann auch Katharina Kühnlein und Michael Wahl. Niklas
trainiert die Beiden mit seiner Schwester Alena am Kölner
Trainingsstandort des „Tennis für Alle“-Projektes der
Gold-Kraemer-Stiftung in der Tennishalle Weiden (Kronstädter
Straße). In ihren Trainingsgruppen sind weitere
Blindentennispielerinnen und -spieler aktiv. Sie messen sich in vier
Klassen, je nach Grad ihrer Sehbehinderung – mit einer Ausnahme:
Katharina Kühnlein tritt gegen Spielerinnen an, die mehr sehen als
sie selbst. „Da ist die Heraus­forderung für mich größer.“

„Katha“, wie sie hier gerufen wird, sieht auf dem rechten Auge gar
nichts mehr, auf dem linken noch einen kleinen Tunnel mit sehr vagen,
hellen und dunklen Schemen. „Offiziell habe ich noch 1,5 Prozent
Sehkraft“, erzählt sie mir mit einem fröhlichen Lächeln im
Gesicht, das nicht zu ihrer traurigen Aussage passt. Doch mir wird
sehr schnell klar, dass Katti überhaupt nicht mit ihrem Schicksal
hadert. Vor mir steht eine sehr lebenslustige junge Frau, der man ihre
Blindheit nicht ansieht. „Ich bin mit 18 Jahren kurz vor meinem
Abitur über Nacht erblindet. Keiner weiß, warum“, berichtet sie
mir. Doch statt des Negativen, stellt sie das Positive heraus: „Ich
kann jetzt zwar nichts mehr sehen, habe aber noch viele Bilder im
Kopf. Das ist ein Vorteil, auch beim Blindentennis“, berichtet sie
mir strahlend lächelnd. Ihre Blindheit ist für sie kein wirkliches
Handicap. „Ich bin nicht so sehr eingeschränkt, ich weiß sogar im
Grunde jetzt noch genauer, was ich will“ – das glaube ich ihr aufs
Wort. 

Katharina ist die aktuelle Welt-Blinden-Fußballerin

Ihren Alltag meistert sie von der Wohnung bis zur Uni komplett
alleine. Sie hat einen „ganz normalen Freundeskreis“, aber einen
speziellen „besten Freund“: ihr Handy, oder besser gesagt
„Google maps“. Für ihr sportliches Leben benötigt sie aber keine
Hilfe, um festzustellen, wohin der Weg gehen soll. Das beweist auch
ihr jüngster Erfolg: „Neben Blindentennis spiele ich auch
Blinden-Fußball beim FC Schalke 04 und in der Nationalmannschaft. Da
bin ich die einzige Frau im Team. In Japan wurde ich gerade zur
Welt-Blinden-Fußballerin gewählt.“ Und so gibt es für sie auch im
Blindentennis nur ein Ziel, die Spitze: „Ich will meinen Titel in
Löhne verteidigen!“ Wenn ich sehe, wie scheinbar spielend leicht
sie die Bälle trifft, ohne sie wirklich sehen zu können, kann ich
mir kaum vorstellen, dass jemand Katti schlagen könnte.

Michael will gerne das "Vize" streichen

Das ist bei Michael Wahl schon etwas anders. Er ist aktuell Deutscher
Vize-Meister, seine Konkurrenz ist härter. Dennoch: „Mein Ziel ist
klar: Ich will Deutscher Meister werden!“ Der 38-Jährige aus
Köln-Kalk hatte von Geburt an nur fünf Prozent Sehvermögen.
„Damit konnte ich aber Farben und Umrisse sehen - wesentlich mehr
als heute. Ich bin auch Fahrrad gefahren und habe Basketball
gespielt!“ Mit 18 Jahren löste sich bei ihm aber über Nacht die
Netzhaut ab, so dass ihm nur ein Prozent Sehvermögen blieb. „Sehr
grobe Licht- und Schatten-Schemen kann ich noch erkennen, das war es
aber.“ Und doch ist auch bei ihm keine Spur von Selbstmitleid zu
erkennen.

Michael arbeitet als Referatsleiter im Ministerium für Soziales,
Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz. Dreimal
die Woche fährt er von Köln mit dem Zug nach Mainz. Darüber hinaus
stehen zahlreiche Termine in Berlin oder anderen deutschen Städten
auf dem Plan. Für Michael kein Problem: „Das Handy und die
Sprachfunktionen erleichtern vieles.“ Seit zwei Jahren spielt
Michael Blindentennis. „Davor habe auch ich Blinden-Fußball
gespielt, das wurde mir aber zu rabiat“, schmunzelt er, „man wird
nicht jünger.“ Er spielt Blindentennis mit einer Schutzbrille im
völligen Dunkeln. Er hört den Ball aber so gut, dass er ihn fast
immer trifft und zudem auch noch hört, wohin er ihn geschlagen hat.
Ich bin total beeindruckt angesichts dieser beiden außergewöhnlichen
Sportler und Per­sönlichkeiten: Res­pekt!

Um besser einschätzen zu können, wie schwer ihr Sport ist, will ich
es selbst testen und wissen, wie sich das anfühlt, im absoluten
Dunkel Tennis zu spielen – nur nach Gehör und Gefühl. Ob ich einen
Ball treffe?

Die Fortsetzung samt
Video 

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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