Denunziantentum oder gutes Recht?
Kölner "Anzeigenhauptmeister" stellen jedes Jahr 30.000 Fremdanzeigen

Das Melden von Falschparkern ist auch in Köln mittlerweile „Volkssport“ geworden. Problematisch nur, dass nach Prüfung etwa ein Drittel der Anzeigen eingestellt werden.   | Foto: Symbolfoto: miss_mafalda - stock.adobe.com
  • Das Melden von Falschparkern ist auch in Köln mittlerweile „Volkssport“ geworden. Problematisch nur, dass nach Prüfung etwa ein Drittel der Anzeigen eingestellt werden.
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Wer kennt ihn nicht? Der selbsternannte „Anzeigenhauptmeister“ Niclas M. aus Sachsen-Anhalt reist durch Deutschland und zeigt systematisch Falschparker an. Damit ist der 18-Jährige ein heißer Kandidat für jeden Jahresrückblick. Wer sich jetzt über das eigenwillige Hobby aufregt, sollte vorher wissen, dass sich der eine oder andere Kölner ans eigene Näschen fassen darf. Pro Jahr gehen beim Kölner Ordnungsamt tausende sogenannter Fremdanzeigen ein, gemeldet von Privatpersonen.

von Holger Bienert

Köln. So viel steht fest: In unserer Stadt gibt es genug Gründe für eine Anzeige wegen Falschparkens – und zwar täglich. Abgestellte Autos auf dem Rad- oder Gehweg, im Halteverbot oder auf Behindertenparkplätzen, zugeparkte Rettungseinfahrten und Parken in zweiter Reihe sind für viele ein Ärgernis. Wohl deshalb waren die Kölner im ersten Quartal recht fleißig. Bis Ende März gingen beim Verkehrsdienst (VD) der Stadt Köln 5585 Fremdanzeigen ein (bei 136 853 Anzeigen durch den VD).
Gesetzlich geht das. Jede Person kann eine Anzeige erstatten, auch dann, wenn sie selbst vom Ärgernis gar nicht betroffen ist. Fakt ist aber auch, dass der VD jeder Fremdanzeige nachgehen muss. Dabei ist der Prüfaufwand sogar „deutlich höher, da es hier immer an einer amtlichen Feststellung fehlt“, so eine Sprecherin der Stadt. Heiß konkret, dass die fehlende Sachkenntnis bei der Beurteilung eines „Vergehens“ ihren Preis hat. Rund 30 Prozent der Fremdanzeigen werden nämlich eingestellt. Entweder war das angezeigte Verhalten keine Ordnungswidrigkeit oder derart geringfügig, dass eine Ahndung nicht zwingend erforderlich ist. Zudem kommt es immer wieder vor, dass der angezeigte Verstoß bereits vom VD aufgenommen wurde, der Tatbeweis nicht zweifelsfrei zu erbringen war oder Angaben schlicht nicht vollständig waren. Deshalb weist die Stadt auch daraufhin, dass eine Fremdanzeige eher ein Instrument für „Ausnahmefälle“ ist.
Ob es sich um Ausnahmefälle oder das Werk eines Kölner „Anzeigenhauptmeisters“ handelt, dazu lassen sich aus den gestellten Fremdanzeigen keine Rückschlüsse ziehen. Bekannter ist da ein Fall aus Bielefeld. Dort stellte die Stadtverwaltung nach einer Analyse für das Jahr 2020 fest, dass von insgesamt 300 Fremdanzeigen allein 150 von einer Person gestellt wurden.
Fakt ist: Die Zahlen steigen. Waren es im Jahr 2016 genau 20.359 Fremdanzeigen, sind es 2023 bereits 35.667. Einen Ausreißer mit 42.247 gab es im Pandemie-Jahr 2020. Diese Beobachtung machen auch andere Städte. Laut Medienberichten melden in NRW Wuppertal und Bochum ebenfalls steigende Zahlen von angezeigten Parksündern.
Was in der Domstadt auffällt, ist der geringe Prozentsatz. Privatanzeigen machen nur rund 1,5 Prozent der Gesamtzahl aus. Da sind die Profis fleißiger. 130 Mitarbeiter des Verkehrsdienstes sind jede Woche im Einsatz, um für einen reibungslosen Verkehrsablauf zu sorgen. Hochkonjunktur haben die Mitarbeiter bei größeren Veranstaltungen, bei den hohe Besucherströme erwartet werden – beispielsweise bei Events im Stadion oder Volks- und Straßenfesten in den Veedeln.
Und bei allem Ärger, wenn man ein Ticket kassiert: Jeder sollte sich im Griff haben. Dazu zählen auch verbale Entgleisungen. Der bereits erwähnte Bielefelder Rekord-Anzeiger hörte nach Bedrohungen auf, und der „Anzeigenhauptmeister“ Niclas holte sich sogar eine blutige Nase. Gewalt geht gar nicht!

Redakteur/in:

EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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