Gefährliche Ausfälle von Atemschutzgeräten
Kölner Retter im Würgegriff
Seit Monaten fährt bei Einsätzen der Kölner Feuerwehr die Angst mit. Der Grund: fehlerhafte Atemschutzgeräte. Diese drohen den Rettern mitten im Einsatz sprichwörtlich die Luft abzuschnüren. Trotz fieberhafter Suche wurde die Ursache für den Defekt bisher nicht gefunden ...
Köln. Wer gerne in Seen oder im Meer schnorchelt, kennt das: Taucht man zu tief, verhindert eine Kugel das Eindringen von Wasser in die Maske. Dafür bleibt jedoch augenblicklich die Luft weg. Das ist sehr unangenehm, aber durch ein kurzes Auftauchen schnell erledigt.
Nun stelle man sich dieses Gefühl bei einem Feuerwehrmann mitten im Einsatz in einer verqualmten Wohnung vor. Von jetzt auf gleich schnürt das Atemschutzgerät die Frischluft ab – und auftauchen geht nicht. Dann muss sich plötzlich der Retter retten. Ihm bleibt die Wahl zwischen Luft anhalten und schnellstmöglich nach draußen flüchten oder dem Einatmen von giftigen Rauchgasen.
So geschah es bei einem Wohnungsbrand in Köln-Buchheim am 16. April 2023. Die Feuerwehrmänner waren gerade dabei, einen 80-Jährigen über die Drehleiter aus einem Fenster zu retten. Plötzlich wurden die sonst so routinierten Handgriffe hektisch, gar panisch. Keine Luft mehr! Der Blick auf das Manometer des Atemschutzgerätes verriet, dass die Pressluftflasche noch zu einem Drittel gefüllt sein musste. Doch nichts davon kam in der Maske an. Den beiden Männern blieb nichts anderes übrig, als sich dem giftigen Brandrauch auszusetzen. Beide mussten später ärztlich behandelt werden.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich kurze Zeit später – zum Glück bei einer Trainingseinheit und daher ohne Folgen für den Floriansjünger. Weitere Mängel an den neuen Atemschutzgeräten folgten: So zeigte eines plötzlich nicht mehr die noch verfügbare Atemluft an, ein anderes gab zu viel Pressluft in die Maske.
Die neuen Atemschutzgeräte der Kölner Feuerwehr, Modell „Airboss Connect“, stammen vom renommierten Hersteller Dräger aus Lübeck. Sie wurden erst 2021 zum Preis von 2,8 Millionen Euro angeschafft, lösten die 20 Jahre alte Ausrüstung ab.
Bereits nach dem Vorfall in Buchheim begann unmittelbar die Fehlersuche. Zunächst wurden die betroffenen Atemschutzgeräte intern auf den Prüfständen der Feuerwehr und des Herstellers untersucht. Dann extern vom unabhängigen Prüfinstitut Dekra. Doch es ließ sich kein Fehler feststellen.
Erst sechs Wochen nach dem Brand in Buchheim räumte die Ständige Unfallkommission der Kölner Feuerwehr (SUK) „kritische Ereignisse“ mit der Atemschutzausrüstung ein und gab intern eine schriftliche Erklärung ab. Diese liegt, wie nachfolgende Schreiben, der Redaktion vor.
Der Tenor: „(…) bei diesen Überprüfungen zeigen sich die Geräte in einem technisch einwandfreien Zustand“. Allerdings habe man bei drei Fällen, in denen die Druckanzeige falsch war, „produktionstechnische Mängel an einer Dichtung“ gefunden. Ein weiterer Fall konnte einem defekten Ausatemventil zugeordnet werden.
In dem Schreiben folgte ein Appell an die Retter, den Umgang mit der Atemschutztechnik und die Notfallverfahren zu trainieren. Was unter anderem bedeutet: Wenn das eigene Gerät aussetzt, soll man sich an das Atemschutzgerät eines Kameraden ankoppeln. Statt Aufklärung also noch mehr Verunsicherung für die Kameraden.
Ferner verwies die SUK darauf, bei Einsätzen einen Sicherungstrupp bereitzustellen. Diese „Retter für die Retter“ müssen laut Dienstvorschrift ohnehin immer dabei sein. Mehr noch: Erst wenn der Sicherungstrupp am Einsatzort angekommen ist, darf der eigentliche Einsatz beginnen. Aus Feuerwehrkreisen ist jedoch zu hören, dass dies aus diversen Gründen oft nicht der Fall ist.
Stadt: „Ob die Ursache je gefunden werden kann, ist offen.“
Auf das zwingende Vorhandensein dieses Trupps weist auch eine Sprecherin der Stadt Köln in ihrer Antwort auf eine Anfrage dieser Zeitung zu den Ereignissen bei der Feuerwehr hin. Ferner stellt sie darin fest, dass „trotz der sehr umfangreichen Tests und Prüfungen, welche auch das Zerlegen der Atemschutzgeräte in die einzelnen Bestandteile beinhaltete, für die vorgenannten drei Fälle auch durch den unabhängigen Gutachter keine eindeutige Ursache gefunden werden konnte“. Die Prüfung werde fortgesetzt und auf andere Einflussfaktoren, wie zum Beispiel den Wiederaufbereitungsprozess, ausgeweitet, so die Sprecherin. „Ob die eineindeutige Ursache überhaupt bestimmt werden kann, ist offen.“
Währenddessen räumt der Hersteller Dräger technische Auffälligkeiten ein. So betont Unternehmenssprecherin Melanie Kamann gegenüber „EXPRESS – Die Woche“: „Unsere Experten arbeiten im Schulterschluss mit der Feuerwehr Köln und unabhängigen Prüfstellen mit Hochdruck daran, die Ursachen für die Auffälligkeiten an den Atemschutzgeräten ausfindig zu machen. Das Ergebnis der unabhängigen Prüfstelle liegt noch nicht vor.“ Zudem habe man technische Mängel an Komponenten festgestellt und alle Kunden informiert. Betroffene Geräte seien identifiziert und fast alle überarbeitet.
Doch auch wenn der Hersteller betont, dass bei Qualität und Sicherheit keine Kompromisse gemacht würden, nagt sicherlich ein gewisses Unbehagen an den Einsatzkräften.
„Beschissenes Gefühl von Ungewissheit“
Das Gefühl, wenn die Luft plötzlich wegbleibe und man nach Atem ringe, ließe sich nicht in Worte fassen, lässt ein Retter der Feuerwehr Köln, welcher nicht namentlich genannt werden möchte, gegenüber dieser Zeitung verlauten. „Bei jedem Atemschutzeinsatz fährt ein beschissenes Gefühl von Ungewissheit mit.“
Gewichtige Worte, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse in Sankt Augustin. Dort kamen vor zwei Wochen während eines Löscheinsatzes zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ums Leben. Die Unfallursache steht noch nicht fest. (edw)
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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