Schlusslicht unter 16 Städten
Kölns Fußgänger fühlen sich unsicher
E-Scooter und Räder auf Gehwegen, zu kurze Grünphasen an Ampeln und schlechte Straßensicht an Kreuzungen, die von Autos zugeparkt werden: Nur drei Gründe, warum sich in Köln jeder dritte Fußgänger nicht sicher fühlt, wie der ADAC ermittelte. Mit diesem Votum schnitt Köln bundesweit am schlechtesten ab, wie bereits 2021. Auch da trug die Domstadt im Ranking die berühmte „rote Laterne“.
von Holger Bienert
Köln. Das Ergebnis schockt, ist aber keine Überraschung: Nur jeder dritte Fußgänger in Köln fühlt sich unterwegs sicher. Das hat eine Umfrage des ADAC ergeben. Damit belegt Köln unter 16 deutschen Großstädten den letzten Platz – zum zweiten Mal seit 2021. Fühlten sich damals noch 37 Prozent im Kölner Straßenverkehr sicher, fiel die Zahl 2023 auf nur noch 34 Prozent. Der Frust sitzt offensichtlich tief.
Die drei größten Ärgernisse für Fußgänger sind der Umfrage zufolge abgestellte E-Scooter und Fahrräder auf Gehwegen (68 Prozent), zu kurze Grünphasen an Fußgängerampeln und eine schlechte Straßensicht an Kreuzungen durch parkende Autos (je 56 Prozent).
Für Anne Grose, Sprecherin von FUSS e.V (Fachverband Fußverkehr Deutschland) aus Köln, ist das ADAC-Ergebnis im Grunde keine Überraschung: „Nicht nur zugeparkte Kreuzungen sind ein Problem. Auch Straßen abseits gesicherter Übergänge sind zu unübersichtlich. Gerade für Kinder können sie gefährlich werden, weil de Kleinen leicht übersehen werden können“, führt Gose aus.
Jahrzehntelang habe die Stadt dem Autoverkehr mehr Aufmerksamkeit geschenkt und Bürgersteige als „Nebenanlage der Straßenverkehrsordnung“ sträflich vernachlässigt. Entsprechend fehle es an einer Infrastruktur. E-Scooter und Fahrräder ließen sich im Grunde leicht von Gehwegen verbannen durch ausgewiesene Abstellflächen auf der Straßen. Und Straßenschilder ließen sich auch im Rinnstein einer Straße aufstellen, so Grose.
Dass der Fußverkehr in Köln endlich mehr Aufmerksamkeit erhält, wird vom Verband ausdrücklich begrüßt. Grose: „Es ist die natürlichste Art der Fortbewegung. Das belegt auch die aktuelle Mobiltätsbefragung. Immer mehr Kölner gehen zu Fuß als Verkehsmittel ihrer Wahl. 2017 waren 26 Prozent unterwegs, 2022 sind es bereits 33 Prozent.“ Vor diesem Hintergrund sei das Amt eines Fußverkehrbeauftragten zwar das richtige Signal, für eine Millionenstadt wie Köln aber deutlich zu wenig.
Eine nachvollziehbare Kritik. Immerhin hat das Straßennetz von Köln hat eine Gesamtlänge von rund 3000 Kilometern. Das entspricht in etwa der Luftlinien-Entfernung nach Kairo. Bei dieser Kilometerzahl wundert es nicht, dass es aus der Kölner Bevölkerung mehr als genug Beschwerden gibt. Langweilig wird es dem Fußverkehrbeauftragten der Stadt, Nico Rathmann, jedenfalls nicht. Bedingt durch die städtebaulichen Unterschiede variieren allerdings die eingehenden Klagen und Hinweise, so Rathmann.
Während in der Innenstadt vor allem das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer kritisiert werde, gebe es in anderen Stadtteilen mehr Anregungen zur Verbesserung der Infrastruktur, wie die Schaffung besserer Überquerungen oder das Freihalten von Gehwegen. Die Klagen verpuffen jedenfalls nicht im politischen Nirvana. Rathmann: „Jede Beschwerde wird geprüft und intern zur weiteren Bearbeitung weitergeben. Da über unterschiedliche Kanäle Anfragen bei mir landen, zeigt es die Komplexität und die gestiegenen Anforderungen im Bereich des Fußverkehrs.“
Dass Köln bei der ADAC-Umfrage 2021 ebenfalls Schlusslicht war, hat den Handlungsdruck erhöht. Umsetzbar sind allerdings immer nur einzelne Schritte und eher punktuelle Maßnahmen. Die Zahl von E-Scootern soll von 17 500 auf durchschnittlich 10 000 gesenkt und weitere Abstellmöglichkeiten geschaffen werden. In der Vergangenheit wurden wiederholt durch einfache Mittel wie Markierungen oder Poller versucht, das objektive sowie subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen, oder vereinzelt Neuordnungen vorgenommen, um ein höheres Qualitätsangebot für den Fußverkehr zu schaffen. Zudem soll die Kampagne „Miteinander klingt’s einfach besser“ für mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr werben.
Einfache Patentlösungen gibt es jedenfalls nicht. Rathmann: „In der Bewertung anderer Städte ist zu berücksichtigen, dass diese oftmals von unterschiedlichen Ausgangsbedingungen profitieren, wie beispielsweise breiteren Gehwegen und einem geringeren Verkehrsaufkommen.“ Ein Blick ins europäische Ausland sei da schon aufschlussreicher. Dort werde der Fußverkehr oft systematischer und umfassender gefördert. Ein paar Beispiele: Kopenhagen berücksichtigt bei der Stadtplanung Fußgänger und Radfahrer. Viele Wege und Brücken sind speziell nur für diese Verkehrsteilnehmerkonzipiert. Paris hat Parkplätze für Autos reduziert und verhindert mit Pollern das Parken auf Gehwegen. Zudem dürfen E-Roller nicht mehr auf Gehwegen abgestellt werden. Strafe bei Nichtbeachtung: 35 Euro. In London haben Fußgänger an Ampeln Dauergrün, dagegen muss sich der Autoverkehr per Induktionsschleifen anmelden und grün anfordern. In der Schweiz ist die Datengrundlage von Fußverkehrsströmen ein integraler Bestandteil in der Verkehrsplanung.
Im Vergleich gesehen ist Köln da noch ganz am Anfang. Einziger Trost: Es kann ja nur besser werden.
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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