Lars Klingbeil - "Führungsmacht" Deutschland
Kolumne: Der richtige Ton zur richtigen Zeit
Macht. Ein verpönter Begriff in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Dennoch forderte der SPD-Parteichef Lars Klingbeil vor Kurzem, dass Deutschland angesichts der sogenannten "Zeitenwende" den Anspruch haben sollte, eine europäische "Führungsmacht" zu werden. Für diese Formulierung wurde er nicht nur von Teilen der Gesellschaft, sondern auch von Mitgliedern seiner eigenen Partei, stark kritisiert. So machte z.B. die Juso-Chefin und Bundestagsabgeordnete Jessica Rosenthal deutlich, dass sie solch einen Anspruch für Deutschland "für ein völlig falsches Verständnis der deutschen Rolle" halte. Auch in mir hatte die Äußerung, Deutschland müsse eine "Führungsmacht" werden, erst einmal Unbehagen ausgelöst. Als ich mich jedoch mit diesem Begriff intensiver beschäftigt und ihn einmal unvoreingenommen betrachtet habe, verflog dieses Unbehagen allerdings. Denn was sagt eigentlich dieses Wort aus? Um das zu klären, muss man es einmal in zwei Teile unterteilen. Das erste Wort ist "Führung". Dies bedeutet, dass Deutschland in Europa zukünftig den politischen Kurs stärker prägen und mit Ideen voranschreiten soll. Der zweite Teil, die "Macht", beschreibt ein Faktum. Wenn ein Land, so wie Deutschland, sowohl die größte Bevölkerungsanzahl als auch das höchste Bruttoinlandsprodukt der EU hat, dann kann man ohne Zweifel von einer gewissen "Macht" Deutschlands sprechen. Ebenfalls gilt es zu betonen, dass es wichtig ist, dass die Europäische Union eine klare Führung hat, damit man den derzeitigen Ukraine-Krieg möglichst geschlossen und entschieden bewältigen kann und für zukünftige Konflikte gewappnet ist. Denn was wäre, wenn bei den nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahre 2024 erneut Trump oder ein anderer "Trumpist" die Wahl gewinnen und somit der neue US-Präsident werden würde? Wenn dies geschehe, gäbe es ab diesem Punkt wieder eine deutliche "America first-Politik", was zur Konsequenz hätte, dass die EU wieder auf sich alleine gestellt wäre. In solch einem Fall ist es wichtig, dass die EU auch alleine handlungsfähig ist. Eine solche Handlungsfähigkeit kann jedoch nur dann gewährleistet werden, wenn ein klarer Kurs vorgegeben wird. Und nun frage ich mich, was denn so schlimm daran wäre, wenn Deutschland in Zukunft vermehrt eine initiative Rolle einnehmen würde? Hat Deutschland mit einer solch eben beschriebenen besonderen Stellung in der EU nicht sogar die Pflicht, stärker politische Akzente zu setzen?
Meiner Meinung nach gilt es, Lars Klingbeil nicht zu kritisieren, sondern zu loben. Schließlich schaut er in die Zukunft und versucht sich für diese zu wappnen. Denn eines ist doch klar. Die nächsten Jahrzehnte werden höchstwahrscheinlich keine Jahre der internationalen Entspannung, sondern der Anspannung werden.
LeserReporter/in:Tom Braun aus Köln |
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