Kubicki fordert die Öffnung von Nord Stream 2
Kolumne: Wie die Stimmung im Land zu kippen droht
Als Wolfgang Kubicki (FDP) vor einiger Zeit forderte, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu öffnen, damit sich die deutschen Gasspeicher für den Winter füllen, hagelte es massive Kritik – sogar aus seiner eigenen Partei. Doch neben dieser gewaltigen Empörung gab es auch Zustimmung. So hat sich z.B. Sarah Wagenknecht von der Linkspartei ebenfalls für die Öffnung dieser Pipeline ausgesprochen.
Neben diesen Stimmen aus der Politik gibt es auch Forderungen aus dem Handwerk, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben. So hat z.B. ein ostdeutscher Handwerksverband einen Brief an Olaf Scholz geschrieben, in dem geschrieben stand, dass die „[…] breite Mehrheit nicht gewillt [sei], für die Ukraine ihren schwer erarbeiteten Lebensstandard zu opfern“.
Doch warum bröckelt gerade in letzter Zeit zunehmend die Solidarität mit der Ukraine?
Die Antwort lautet Inflation, rasant steigende Energie- und Lebensmittelpreise und die dadurch immer leerer werdenden Geldbeutel. Um das Ausmaß dieser abstrakt klingenden Begriffe zu realisieren, sollte man sich einmal ein paar Fakten anschauen. Denn dann wird einem erst richtig bewusst, was diese Zeit mit 40% der deutschen Bevölkerung macht, die laut Marcel Fratzscher, Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, „[…] heute fast keine Ersparnisse [haben], also nichts, um sich gegen die hohe Inflation abzusichern.“
Zu Beginn ein paar Zahlen zu der Preisentwicklung bei den Lebensmitteln: Während die Teuerung zwischen 2000 und 2019 durchschnittlich noch knapp unter 1,5 % lag, so liegt der Preisanstieg von Juli 2021 bis Juli 2022 bei 14,8 %. Einzelne Lebensmittelpreise sind sogar noch stärker gestiegen. So ist z.B. Sonnenblumenöl, Rapsöl o.Ä. im Vergleich zum Vorjahr um 102,6 % teurer geworden.
Doch auch die Energiepreise sind massiv in die Höhe geschossen. Heizöl ist im Vergleich zum Vorjahr um 87 %, Flüssiggas um 63,6 %, Erdgas um 52 %, Diesel um 40,3 % und Strom um 18,1 % teurer geworden. All dies wird noch einmal deutlicher, wenn man sich z.B. die Preisentwicklung für 3000 Liter Heizöl anschaut. Während diese Menge letztes Jahr noch ca. 2.100 € gekostet hat, so beträgt der Preis heute ca. 5.190 €. Dies sind ganze 3.090 € mehr als im Vorjahr.
Nun ist klar geworden, warum sich so manch einer danach sehnt, dass sich die eigene Situation grundlegend verbessert. Dass dieser Wunsch in letzter Zeit stärker geworden ist, zeigt auch der ARD Deutschlandtrend. Als Im März gefragt wurde, ob man auch dann die Sanktionen gegen Russland unterstützen werde, wenn die Energiepreise und die Lebenshaltungskosten steigen, haben diese Frage 66 % der Befragten in Gesamtdeutschland mit „ja“ beantwortet. 6 Monate später, also genau jetzt, ist der Anteil der Befürworter auf 53 % gesunken. Noch deutlicher wird es, wenn man sich einmal nur die Daten aus Ostdeutschland anschaut. Dort stimmen aktuell lediglich noch 39 % der Frage zu.
Auch wenn man den Wunsch, dass sich die momentane, ganz persönliche Lebenssituation wieder bessert, absolut nachvollziehen kann und er jede Berechtigung hat, von der Politik gehört und auch aufgenommen zu werden, so ist es dennoch moralisch nicht vertretbar, bspw. das Ende der Sanktionen gegen Russland oder gar die Öffnung von Nord Stream 2 zu fordern. Denn dann wäre nicht nur das Image Deutschlands in der Welt massiv geschädigt, sondern man würde auch noch dem Aggressor Putin nachgeben und ihn und seinen Angriffskrieg aktiv finanziell unterstützen.
Neben diesem moralischen Aspekt gilt es auch noch zu erwähnen, dass all die eben genannten Forderungen von Kubicki, Wagenknecht und Co. nur dann Sinn machen würden, wenn uns Putin durch Nord Stream 2 auch zuverlässig Gas liefern würde. Doch mit Blick auf die bereits gedrosselten Gaslieferungen durch Nord Stream 1, ist es äußerst fragwürdig, ob man überhaupt über Nord Stream 2 zuverlässig Gas geliefert bekommen würde. Denn uns mangelt es nicht an Pipelines. Uns mangelt es an einem vertrauenswürdigen Russland.
LeserReporter/in:Tom Braun aus Köln |
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