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Phil Seeboth präsentiert Album
Shadow Man Blues

Foto: Foto: © Phil Seeboth
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Wenn es um authentischen Blues-Rock geht, ist der Münsteraner Gitarrist und Sänger Phil Seeboth erste Wahl. Mit Blick auf seine Familiengeschichte sticht hervor, dass Seeboths Großvater in den 1940er Jahren auf den Baumwollplantagen Louisianas schwitzte und schuftete, unmittelbar umgeben von einer der aufregendsten Zeiten des Blues und seiner Protagonisten. Eng mit diesem Erbe verbunden, ist die Musik von Phil Seeboth in Leidenschaft, Spielfreude und Gefühl von den amerikanischen Vorbildern inspiriert. Hautnah ist das bei jedem Konzert zu spüren. Eine lässig groovende Band, singende Slide-Licks und eine packende Stimme entführen den Zuhörer Down South in die Südstaaten. Nach zahlreichen, auch internationalen Konzerten ist die Band längst nicht mehr nur Geheim­tipp, sondern zum Garanten für ehrliche Livemusik avanciert. In der Kölner Musikkneipe Torburg stellte er mit seiner Band das neue Album "Shadow Man Blues" vor. 

Dirk Conrads (Conny): Dein Großvater hat auf Baumwollplantagen in Louisiana gearbeitet und somit den Blues sprichwörtlich „eingeatmet“. Wie und warum hat es deinen Großvater dorthin verschlagen?
Phil: Man weiß ja was in den 1940er-Jahren hier los war. Und es ist tatsächlich keine schöne Geschichte. Er war im Afrikakorps und ist als Kriegsgefangener in die USA gekommen. Somit gehörte er der untersten Schicht als Feldarbeiter oder besser gesagt Zwangsarbeiter an und hat letztendlich die gleiche Tätigkeit gemacht, die die schwarze Bevölkerung dort gemacht hat. Und er hatte die gleichen, in Anführungsstrichen, Bürgerrechte, nämlich so gut wie keine. Er war dadurch ganz nah an dieser Kultur dran, denn das waren die einzigen Leute, mit denen er in den USA Kontakt hatte und entsprechend war dann auch der Bezug zum Blues und zum Jazz ganz schnell da. Mein Großvater ist leider sehr früh gestorben. Ich war sechs Jahre alt. Ich habe nicht viel mitbekommen, aber ich weiß halt, dass zu dieser Zeit immer und Jazz- und Blues-Musik bei uns gehört wurde. Die Platten waren da, viele Fotos aus der alten Zeit. Halt ganz viele Erinnerungen an diese Zeit.

Dann könnte man behaupten, dass dich dein Großvater musikalisch geprägt hat?
Definitiv, also der Zugang zum Blues war da. Ich hatte von klein auf schon diese Faszination für die Südstaaten der USA und deren Blues-Kultur, obwohl die Blues-Musik in meiner Kinderzeit mehr in meinem Hintergrund lief. Als ich älter wurde, war das Interesse und das Feeling für diese Musik sofort da. Und es war dann irgendwie logisch, als ich mit zwölf Jahren angefangen habe, Gitarre zu spielen, sofort der Blues im Fokus stand. Aber auch andere amerikanische Musikstile natürlich. Der Blues jedoch war immer eine ganz, ganz prägende Musik.

Wen würdest du als musikalische Vorbilder benennen?
Auf gitarristischer Seite gibt es eigentlich drei Musiker oder drei Gitarristen, die für mich stilprägend sind. Einmal mal Mike Campbell von Tom Petty & the Heartbreakers, der Gitarrengott und für mich der Grund, warum ich überhaupt Gitarre spiele. Der Erste, dessen Gitarrensolo ich nachgespielt habe und den wirklich großartig finde. Der Zweite ist für mich Forrest Richard „Dickey“ Betts von den Allman Brothers, der jetzt vor knapp einer Woche gestorben ist (zum Zeitpunkt des Interviews) und der mich quasi so ein bisschen befreit hat aus diesem Ganzen.

Befreit woraus?

Eigentlich ist „Dickey“ Betts ein Country-und ein Western-Swing Gitarrist, hat aber trotzdem in dieser ganzen Blues-Phase der Allman Brothers seinen Kram dazu gespielt und ist immer aus diesen Klischees rausgebrochen. Duane Allman war mehr der klassische Blues-Rock Prototyp-Gitarrist, der auch stilprägend war. Obwohl „Dickey“ Betts anfangs nicht unbedingt musikalisch zum Umfeld der Allman Brothers passte, ist er sehr, sehr frei an diese Musik herangegangen und das hat mich immer fasziniert. Ich meine damit seine stilistische Offenheit. Er ist für mich einer der wichtigsten Gitarristen, weil es für mich immer ein bisschen Befreiung ist, ihm zuzuhören. Und der Dritte ist Eric Clapton, weil Eric Clapton halt Eric Clapton ist.

Ja, das stimmt wohl (lacht).

Ich hatte ein richtiges „Blues-Erweckungserlebnis“ 2004 in der Dortmunder Westfalen Halle. Eric Clapton hatte gerade das Album „Me and Mr. Johnson“ veröffentlicht*. Und ich dachte bis dahin ja okay, ein bisschen Chicago-Blues, ein bisschen Standard-Blues. Ich bin dann diesem Konzert gefahren. Und es hat mich bis ins Mark erschüttert. Dieses Konzert war so großartig! Ich dachte bei mir, was hat dieser Mann für eine Macht, dass er diese Musik weitergibt und in die Welt rausträgt. Das waren oder sind die drei großen Gitarristen für mich. Einen möchte ich noch nennen, so als Global Player. Das ist Jeff Lynne vom Electric Light Orchestra.
* Me and Mr. Johnson ist das 15. Studioalbum von Eric Clapton und erschien 2004. Das Album ist eine Hommage an den Bluesmusiker Robert Johnson.

Warum Jeff Lynne?

Er zählt zu meinen absoluten Obergöttern, denn Jeff Lynne ist für mich ein musikalisches Genie. Man kann ihn nicht höherstellen, was seine Komposition betrifft, seine Welt, sein Vorstellungsvermögen. Und ich mochte auch immer dieses spacige ELO-Logo und die Welt, die sich Jeff Lynne halt vor allen Dingen, erschaffen hat. Ebenfalls was er mit Tom Patty und den „Traveling Wilburys“ * gemacht hat. Jeff Lynne ist für mich ein Universum. Für mich als Musiker, Komponist, und Songwriter ist er ein ganz, ganz Großer.

* Die Traveling Wilburys waren eine Supergroup bestehend aus George Harrison († 2001), Jeff Lynne, Roy Orbison († 1988), Tom Petty († 2017) und Bob Dylan. Sie bestand von 1988 bis 1990 und produzierte zwei Studioalben.

Spannend, ich hätte ich jetzt auf andere Leute getippt.

Okay (lacht).

Also eher in Richtung Gary Moore….

Gar nicht, nein.

Wie gehst du ans Komponieren ran? Ich meine gehört zu haben, du schreibst erst die Texte und dann kommt die Musik oder wie machst du das?
Ne, ne, das ist bei mir ist umgekehrt. Ich glaube, dass hast du aus einem Podcast, den ich letztens mit jemandem hatte.

Genau.

Mein Gesprächspartner ist so ans Komponieren rangegangen. Ich gehe immer über die Musik ran, aber ich versuche, beides relativ schnell zu verbinden. Es gibt für mich eigentlich keine Akkordpassage ohne eine Gesangsmelodie. Und dann habe ich auch schon ein paar Schlagwörter, aus denen ich einen Text machen kann. Der Text ist dann relativ schnell geschrieben, bis auf ein paar kleine Details.
Ich finde halt, ein guter Song muss immer Hand in Hand mit den Chords, Harmonien und Melodien gehen. Und dann kann man die Texte draufsetzen. Alles andere ist ein bisschen zu verkopft, da fehlt so ein bisschen der Fluss. Ich habe das jahrelang mit Bands falsch gemacht. Man ist in einer Probe, macht einen geilen Song, ein geiles Riff und so weiter. Dann kommt der Sänger und dem fällt einfach gar nichts dazu ein. Dann wird irgendwas gemacht und der Song, die ganze Komposition, ist quasi relativ obsolet. So arbeiten viele Bands.

Welche Themen verarbeitest du in deinen Songs beziehungsweise jetzt auf dem neuen Album?
Auf dem neuen Album ist es tatsächlich Fifty-fifty. Ich habe sehr viele, sehr persönliche Texte, über eigene Erfahrungen sind oder auch Dinge, die durchaus verarbeitungswert sind. Texte, in denen ich eine kleine Story erzähle. Wie zum Beispiel heute Abend. Ich spiele einen Song mit den Namen „Appalachian Woods“. Ich bin ein großer Fan dieses ganzen Bigfoot-Mythos, das finde ich faszinierend.

Okay, warum auch nicht.

Muss man - ich sage mal - wenn man einen Ami-Schlag hat, sowieso.

Ja (lacht).
Das ist einfach so ein bisschen die Story. Ich habe mich da lange mit auseinandergesetzt. Ich bin jetzt kein „Believer“, der sagt, es gibt den Bigfoot, aber ich finde den Mythos einfach faszinierend. Und solche, ich sage mal, Erlebnisse, die dann nicht stattgefunden haben, aber die vielleicht hätten stattfinden können, sind auf dem Album als Text verarbeitet.

Was meinst du, ist Deutschland ein oder kein besonderes Blues-Land?
Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, wir haben im Augenblick ein großes Problem in der Szene. Weil die Szene ausstirbt, finde ich. Die alten Protagonisten sind weg. Wir haben die Veranstalter, die weggehen. Wir haben keinerlei junges Publikum mehr, was durch eine fürchterliche Musikindustrie völlig anders geprägt ist.
Und ich denke, dass diese Faszination, die wir vielleicht noch vor zwanzig Jahren hatten, als junge Leute in Clubs noch wussten, wer Eric Clapton war und gefragt haben, kannst du mal „Before You Accuse Me“ spielen“? Die jungen Leute wachsen heute mit Sido oder ähnlichem auf und haben entsprechend eine andere musikalische Prägung. Und wir haben eine Musikindustrie, die halt nur für diesen nationalen Markt produziert, so wie McDonalds und Burger King ihr Fast-Food. Schnell raus und nicht besonders gehaltvoll.
Deswegen würde ich tatsächlich sagen, der Blues stirbt hier aus. Es wird immer weniger, auch wenn gerade der Bluegrasss ein kleines Revival erfährt. Aber die Bluesszene finde ich tatsächlich sehr, sehr ausgedünnt und sehr schwach. Das liegt auch daran, dass es keinen wirklichen Nachwuchs gibt, außer vielleicht ein paar wenige Bands, wie die Bluesanovas zum Beispiel, die wie ich aus Münster kommen. Die Musiker sind noch sehr jung und haben einen guten Erfolg. Man muss abwarten, wie sich das Ganze weiterentwickelt.

Du spielst solo und wie heute Abend mit deiner Band
Ja, genau

Was ist für dich der oder was macht für dich den größeren Reiz aus? Oder sagst du, das ist immer abhängig von der Location, oder?
Um es mal so zu formulieren: Ich bin eigentlich mehr der Bandmusiker. Ich mag es, mit anderen Leuten zusammenzuspielen. Das ist für mich der größere Reiz. Die größten Herausforderungen sind wahrscheinlich die Solo-Konzerte. Seid Corona stehen die Solo-Konzerte bei mir mehr im Fokus, weil man sich als Einzelkünstler ein bisschen besser anbieten kann.
Derzeit haben wir die Situation - Konzerte mit wenig Publikum, wenig Gagen und keinerlei Kulturförderung. Wie will man da eine Band gescheit unterbringen. Da bleibt einem nichts mehr übrig, als solo zu spielen. Das hier wäre eine tolle Location, um mit meiner Band aufzutreten. Aber im Augenblick weiß man absolut nicht, wie das zu finanzieren ist. Deswegen, Reiz eher Band, Herausforderung, eher solo.

Ja, damit hast du schon meine nächste Frage beantwortet, denn du sagtest selber, du spielst dieses Jahr reduzierte Konzerte. Und ich denke mal, das ist auch ein Grund.
Genau, genau.

Welche Musik hörst du, wenn du Zeit hast, zu Hause? Konzentriert sich das nur auf Blues, oder bist du auch offen für andere Sachen?

(lacht) Ich mag tatsächlich auch andere Sachen. Ich habe gerade schon ELO angemerkt, die ich nach wie vor immer gerne höre. Es ist aber auch so, dass ich mich gerne im Southern Bereich tummele. Es gibt eine schöne Southern Soul Band mit dem Namen St. Paul and The Broken Bones, die mir momentan sehr gut gefallen. Ich stehe total auf Colter Wall oder halt auch Steve Earle, die mehr so Folk, Country, Western Musik machen. Das finde ich großartig. Ich habe gerade diese akustische Solo-Musik für mich entdeckt. Das höre ich mir gerne an und ziehe meine Inspiration daraus. Was völlig Fremdes höre ich eigentlich nicht, aber ich muss gestehen, ich war auch schon auf einem Fanta 4-Konzert, was ich auch gar nicht schlecht fand.

Ja, okay (lacht).
(lacht) Weil die auch gute Popsongs hatten, mitunter.

Ja, das stimmt.
Ich bin aber schon ein bisschen in dieser Americana-Ecke * gefangen, ich höre mir gerne verschiedene Sachen an wie Bill Lucas, Billy Strings oder sowas, was halt auch toll ist. 
Ich versuche mich so ein bisschen von den Künstlern fernzuhalten, die mir zu europäisch klingen. Du nanntest eben Gary Moore als Beispiel. Er ist für mich immer ein Hardrock Player gewesen, der dann auch Blues gemacht hat. Ich finde verzerrte Gitarren großartig, wie bei den Allman Brothers oder Warren Haynes. Gary Mule macht ja auch, ich sage mal, ein bisschen mehr „Zerre“ ran, aber er spielt völlig anders als ein Gary Moore das machen würde. Ich bin nicht so der Fan von dem, was dieses europäischen Hardrock-Bluesige so hat. Dann doch lieber ein bisschen mehr Akustik-Sachen, oder Neil Young zum Beispiel, Crosby, Stills, Nash auch eine großartige Band. Das sind so die Sachen, die ich gerne höre.

* Americana ist kein spezifischer Musikstil, sondern mehr ein Sammelbegriff über die Einzelgenren wie Folk, Gospel, Blues, Country, Roots-Rock, Bluegrass, Cajun etc. Musikarten deren Kennzeichen hauptsächlich die Anwendung von akustischen Instrumenten ist, und die einen volkstümlichen Ursprung haben.

Auf deinem neuen Album „Shadow Man Blues“ gibt es einen Song namens „Sweet Whiskey Queen“. Den fand ich damals bei deinem Solo-Konzert klasse, als du ihn gespielt hast. Was sagt der Song aus, was ist die Geschichte dahinter?
(lacht) Die Geschichte ist, sich auf unseriöse Mädels an der Bar einlassen, das würde ich mal so beschreiben.

Du sprichst du da aus Erfahrung, oder?
(lacht) Ja, das ist einer dieser Songs, wo ich aus Erfahrung spreche. Wir haben in Münster so eine Bar, in die man irgendwann reingeht und nicht weiß, ob man jetzt drei Stunden oder drei Wochen drin war. Es ist wie so ein schwarzes Loch, es krümmt Zeit und Raum. Und man entdeckt da die skurrilsten Personen. Oder Menschen, die sich als sehr skurril im Nachhinein entpuppen. Und davon handelt so ein bisschen dieser Song.

Das Interview in der Radiosendung Jukebox gibt es ab dem 23. Mai 2024 hier zu hören: NRWision
Infos zu Phil Seeboth

LeserReporter/in:

Dirk Conrads aus Köln

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