Archäologie
Bergbau vor 2.000 Jahren
Königswinter - (rth) Es ist schon eine mühsame Arbeit. Kräftig aber doch
kontrolliert bearbeitet Anna Huckestein mit einem Spachtel den harten
Waldboden. In einer kleinen Grube hockend versucht sie Schicht für
Schicht abzutragen und dabei darauf zu achten, mögliche Verfärbungen
des Bodens im Auge zu behalten und Schlackeklumpen oder Steine zu
bergen. „Durch die Verfärbung des Bodens erhalten wir Auskunft
darüber, was hier vor Jahrhunderten geschehen ist. In der gelben
Färbung des Bodens zeigt sich der geologische Untergrund, also der
natürliche Boden, des Geländes“, so Dr. Jens Berthold, Leiter der
Außenstelle Overath des Landschaftsverband Rheinland-Amtes für
Bodendenkmalpflege im Rheinland. „Grau, das sind Verfärbungen durch
aufgetragene Kohlereste, die auf eine Tätigkeit des Menschen vor
Jahrhunderten an dieser Stelle hinweisen.“ Und, ganz spannend, die
rote Verfärbung deutet auf große Hitze hin. Hitze im Bereich von
über 800 Grad, soviel, wie man für eine Bleischmelze benötigt. Hier
müssen wir also davon ausgehen, dass an dieser Stelle Spezialisten am
Werke waren, die die Kunst der Bleigewinnung über einen
metallurgischen Prozess beherrschten“, so Berthold weiter.
In der Zwischenzeit gräbt Anna Huckestein, Studentin an der Uni Bonn
im Seminar für vor- und frühgeschichtliche Archäologie, weiter und
legt einen Schlackeklumpen frei. Diese entstehen durch die
Ausscheidung des Bleis aus dem erzhaltigen Gestein und wurden an
dieser Stelle als Abfallprodukt zur Verfüllung von Schächten
verwendet, ein weiterer Beweis dafür, dass hier gezielt bleihaltiges
Gestein abgebaut und weiterverarbeitet, also verhüttet wurde. Befunde
von Keramiken aus der Eisenzeit und aus der frühen römischen
Besiedlungszeit des Rheins lassen die Vermutung zu, dass hier an
dieser Stelle in der Zeit von 100 v. Chr. bis zu Christi Geburt, als
vor gut 2.000 Jahren, bergmännisch und metallurgisch gearbeitet
wurde.
Einen Beweis dafür zeigt Dr. Berthold mit einem Fund einer Grabung
aus dem letzten Jahr. Es ist ein Bleiring, der im Bereich der jetzigen
Grabungsaktivitäten gefunden wurde. Solche Bleiringe besitzen ein
spezielles Gewicht und dienten unter anderem im Handel als „Geld“
bzw. als Zeichen des Reichtums.
Mühsam spachtelt sich Anna Huckestein in den Untergrund. Ab und zu
steht sie auf und versucht, wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen,
die mit ihr zusammen arbeiten, ein wenig die Arme und Beine zu
„sortieren“. Und es stellt sich einem die Frage: Warum macht man
so was überhaupt? Mit dem Spaten die Bodenoberfläche entfernen, dann
stunden-, mitunter tagelang auf den Knien in engen Bodenvertiefungen
hocken und Erdreich beiseite spachteln. Dann, wenn es was Besonderes
ins Auge fällt, mit Pinsel und anderem feinen Gerät sich langsam an
den Fund herantasten um diesen schließlich freizulegen und zu
dokumentieren.
Eine Erklärung gibt Dr. Torsten Rünger von der Institutsabteilung
Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der
Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. So absolvieren die
Studentinnen und Studenten hier eine Lehrgrabung als
Pflichtveranstaltung im Rahmen ihres Studiums. Denn nur, wer einmal
gegraben hat, kennt sich mit den Besonderheiten der Archäologie aus.
Diese umfassen neben der Fundsicherung an Ort und Stelle auch noch die
Vermessung der Grabungsstelle und die Fundbearbeitung. Die
zeichnerische Darstellung von Besonderheiten der Fundstelle hat neben
der fotometrischen Dokumentation des Grabungsgeländes immer noch
einen hohen Stellenwert und wird in solchen Pflichtveranstaltungen
eingeübt.
Das, was in den letzten fünf Wochen hier geschehen ist, ist jedoch
nur ein Teil der Arbeit eines Archäologen, da die Fundbearbeitung
nach der Bergung der Objekte im Labor in ihrer interdisziplinären
Zusammenarbeit mit anderen archäologischen Teilbereichen noch
aussteht. Auch wenn schon zur Zeit der Ausgrabung Mitarbeiter des
geologischen Dienstes oder Fachleute des Deutschen Bergbaumuseums
Bochum und der Geschichte der metallurgischen Entwicklung an Ort und
Stelle waren und die Bedeutung der Grabung erkannten, bleibt es noch
eine spannende Zeit, die Nachbearbeitung der Funde abzuwarten.
Eines jedoch ist sicher: Es handelt sich hier im Siebengebirge um eine
einzigartige Situation. Dadurch, dass in den verschiedenen Epochen
immer wieder unterschiedliche Metalle an Bedeutung gewannen, Blei zu
Beginn der nachchristlichen Zeitrechnung, dann Eisen, Zink usw. (von
Gold und Silber, das durch die Bleiverhüttung anfallen kann, ganz zu
schweigen) können hier bis ins 19. Jahrhundert hinein die
unterschiedlichen Abbaumethoden vorgefunden werden. Und keine
Ausbeutung des Bodens geschah durch Übergrabung einer älteren
Erzgewinnungsstätte. So kann man nebeneinander die unterschiedlichen
Abbaumethoden und die Verhüttung der vorgefundenen Metalle quasi
ungetrübt untersuchen.
Wie findet man eine relevante
Grabungsstätte?Zunächst muss festgehalten werden, dass nicht jede
Grabungsstätte so ergiebig ist wie die, die in den letzten Wochen
gegenüber des Schlösschens Neuglück bearbeitet wurden. Doch wie
findet man generell potentielle Grabungsstätten? Einerseits gibt es
die Möglichkeit, aufgrund schriftlicher oder bildlicher
Überlieferung auf bestimmte Stätten aufmerksam zu werden.
Luftbildarchäologie ist ein in den letzten Jahrzehnten
hinzugekommenes Instrumentarium. Wenn dies jedoch alles wegfällt,
wenn es also keine Dokumente oder Nachweise gibt, bleibt oft die
Zusammenarbeit mit interessierten und aufmerksamen Bürgerinnen und
Bürgern.
So war es auch im anstehenden Fall. Landwirt Heinz Wolter erkannte
schon früh, das nach heftigen Stürmen im Wurzelbereich umgestürzter
Bäume erstaunliche Funde gemacht werden konnte. Schon bald erwiesen
sich seine Funde als relevant und es fanden sich einige Interessierte,
die mit ihm auf die Suche nach solchen Funden machten. Heute sind sie
in der Außenstelle Overath des LVR als „Sondierungsgruppe
Emps-Wolter“ anerkannt und haben auch die jetzt untersuchte Stelle
ausfindig gemacht. Genaue Ortskenntnis, auch und gerade in Bezug auf
Geländestrukturen und Geländeformationen, sowie das aufmerksame
Beobachten besonderer Oberflächenfunde haben schon so manche
Entdeckung gebracht. Aber genau wie die gerade abgeschlossene Grabung
bedarf alles einer umfangreichen behördlichen Genehmigung. Und so ist
es ihnen und den anderen Sondierungsgruppen nicht gestattet, selber zu
graben. Das bleibt den Archäologen vorbehalten.
Es ergibt sich allerdings auch die Frage, wie die Menschen vor 2.000
Jahren auf solche Erzadern getroffen sind. Einerseits gibt es die
einfache Methode „Loch graben und schauen, ob sich was findet“.
Anderseits besaßen die Menschen damals durchaus die Kenntnis davon,
dass bestimmte Pflanzen auf bestimmte Vorkommen im Boden hinweisen. Ob
es im Falle der jetzt eruierten Stelle das berühmte Bleiveilchen war,
das den Bleihunger der eisenzeitlichen Menschen auf die richtige Spur
brachten? Wer weiß.
Die Grabungen und die Bearbeitung der Funde wird im Zuge einer
Mischfinanzierung von Uni Bonn und LVR durchgeführt. Dr. Berthold vom
LVR hofft, noch bis zum Jahr 2023 jährliche Grabungen im Rahmen von
Lehrgrabungen finanzieren zu können, um so weitere Informationen
über die Bergwerkstätigkeit im Siebengebirge und im Bergischen
erhalten zu können. Gleichzeitig dienen diese Grabungen auch der
Ausbildung des archäologischen Nachwuchses.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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