Ehemaliger Theatersaal in neuem Glanz
Einst Kuriosität in unruhigen Zeiten
Königswinter - In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kam den Theatern eine ganz
besondere Rolle zu: Die Leid geplagten Menschen in den Trümmern ihrer
Städte sollten und wollten Zuflucht aus beschwerlichem Alltag. Die
Theater übernahmen die besondere Rolle als geistige Zufluchtsstätten
die dunklen Gedanken zu vertreiben. „Spielt, spielt, spielt“
lautetet der Appell an die Schauspieler. Die Theater hatten
Hochkonjunktur. Jedenfalls wenn sie nicht zerbombt waren.
Auch in Königswinter gab es so ein Theater. Und es war nicht
zerstört. In der Zeit von 1945 bis 1948 war Königswinter damit die
Hochburg der Region. Der vermutlich Mitte 1920 entstandene Saal mit
Gastronomie an der Hauptstraße der Altstadt wurde zu einem
Publikumsmagneten und zwar nicht nur für Besucher aus der Gegend,
sondern aus dem ganzen Land.
Elmar Scheuren, ehemaliger Museumsdirektor des Siebengebirgsmuseums,
bezeichnete das Theater als „echte Kuriosität“, wenngleich nur
von kurzer Dauer. Gut drei Jahre lang wurde im Saal gespielt und
nochmals gespielt. Das Theater lief so gut, dass Stücke teilweise bis
zu 100 Mal aufgeführt wurden und immer wieder ausverkauft waren.
Sogar die Filmschauspielerin Grete Weiser trat dort auf. Weitere
hochkarätige Künstler gaben sich die Klinke der prachtvollen
Spielstätte in die Hand. Auch Hobbyakteure und Statisten fanden ihren
Platz. Und es wurde an nichts gespart: Fantasievolle Bühnenbilder,
traumhafte Kostüme und ein eigenes Orchester mit Chor und Tänzern
ließen die Gedanken der Leid geprüften Menschen fliegen. Für manch
einen Bühnenakteur waren die Auftritte der Beginn in eine prominente
Karriere. Namen wie Doris Day, Marlene Dietrich oder Clark Gable
hatten Vorbildfunktion.
Die Bandbreite der Darbietungen im Königswinterer Theater fand
landesweit Lob und Beachtung. So gab es etwa zur Eröffnung am 1.
Januar 1946 das Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven und damit eine
würdige Hommage an den in Bonn geborenen Komponisten. Operetten wie
„Das Schwarzwaldmädel“, „Die Fledermaus“ oder „Gräfin
Mariza“ wurden gespielt. Doch auch an die aufopfernden Hausfrauen
wurde gedacht. An jedem zweiten Mittwoch im Monat fanden sich die
Hausfrauen der Region im Saal zu einem bunten Nachmittag zusammen und
zwar, so der ausdrückliche Geheiß auf der Einladung: „ohne Eure
Männer und Kinder“. Nur so sei diese unterhaltsame Auszeit die
„beste Medizin“.
Allzu rasch war die Blütezeit des Theaters dahin. Mit der
Währungsreform im Juni 1948 erlahmte schlagartige der Besucherstrom.
Kaum jemand konnte sich da noch einen Theaterbesuch leisten.
Das Gebäude versank in Vergessenheit und verfiel. Ein Stoffgeschäft
sorgte in jüngerer Zeit noch einmal für Leben, die dort erworbenen
Stoffe indes kleideten Akteure andernorts. Als das Stoffgeschäft
aufgab, dümpelte der Saal in Trostlosigkeit. Manch ein
Königswinterer Bürger spähte gelegentlich wehmütig durch
verbretterte Abgrenzungen.
Enver Neziri, der in Bonn ein Unternehmen für Bauleistungen und
Beratung führt, ist es, der dem Gebäude als neuer Eigentümer wieder
Leben einhaucht. Der Investor hat zwei Jahre lang den Königswinterer
Hof mit dem Saal, der alten Bühne und der Gastronomie sanieren und
restaurieren lassen. Was sich den Besuchern beim Eröffnungstag
offenbarte, ließ manch einem den Atem stocken. Glanzvolle Pracht in
strahlendem Weiß von Kronleuchtern erhellt umfing die Gäste.
Eine Theaternutzung ist nicht geplant, aber kulturelle Veranstaltungen
sollen künftig stattfinden können. Neben privaten Feiern ist der
große Raum auch für die Öffentlichkeit nutzbar.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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