Andrang auf alte Mühlen
Mühlentag gewährte Einblicke hinter die Kulissen
Leichlingen/Leverkusen - Die Reuschenberger Mühle wurde vom Rheinischen Mühlen
Dokumentations-Zentrum (RMDZ) erst kürzlich in die Liste
industriegeschichtliche Einrichtung an der unteren Wupper aufgenommen
und somit als herausragendes Objekt im Rheinland eingestuft. Jetzt
konnte das Baudenkmal aus dem Jahr 1847 im Rahmen des 24. bundesweiten
Mühlentages besichtigt werden. Hunderte nutzten am Pfingstmontag die
Gelegenheit. Denn seit die Mühle vor fünf Jahren ihren Besitzer
wechselte, darf Peter Odenthal, zweiter Vorsitzender der
Stadtgeschichtlichen Vereinigung Leverkusen und einer der „guten
Geister der Reuschenberger Mühle“, Besucher wieder durch die alten
Mauern führen. Nachdem ihm zwei Leute abgesagt hatten, war er der
Einzige, der Führungen unter dem Motto „von der Getreidemühle zum
Wasserkraftwerk“ übernehmen konnte. Dennoch erklärte er ruhig und
gelassen über 500 Jahre Geschichte der Mühle und führte
Besuchergruppen zu den lautenstarken Turbinen sowie zum Mühlenwehr.
Die erste Mühle am heutigen Standort in Bürrig, Alte Garten 60 - 62,
wurde 1477 urkundlich erwähnt. Sie bestand aus zwei nebeneinander
liegenden Mühlengebäuden: einer Mahlmühle (Getreidemühle) und
einer Ölmühle. Angetrieben wurden die Mühlen durch zwei
unterschlächtige Wasserräder. Mit der Zeit änderte sich die Nutzung
von einer Schrot-, Mehl- und Ölmühle zur Papiermühle, das heißt,
eine Holzschleiferei nutze den Antrieb zur Feinpapierherstellung.
Auf demselben Gelände wurde 1847 die heute noch erhaltene „neue“
Mühle errichtet. Sie diente zuerst als Weizen- und Ölmühle. Neben
einem hydraulischen Pumpwerk enthielt sie einen Turbinenantrieb, der
der erste im Rheinland gewesen sein soll. Noch heute werden die
Maschinen durch die Wupper angetrieben und die Mühle als
Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung genutzt.
Im bislang unveränderten beeindruckenden klassizistischen
Backsteinbau sind Kunstateliers untergebracht. Das ehemalige
„Lumpenhaus“, in dem einst Frauen und Kinder die Lumpen zur
Papierherstellung verarbeiteten, gilt als Beispiel für behutsame
Modernisierung in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Dort erhielt man
die Originalfenster und setzte von innen neue dagegen. Um wieder einen
freien Blick auf die Reuschenberger Mühle zu gewähren, sind laut
Odenthal in nächster Zeit einige Umbauarbeiten geplant.
Am Mühlentag konnte im Übrigen auch das Industriemuseum
Freudenthaler Sensenhammer besichtigt werden. Bei Sonderführungen
durften Besucher unter anderem in früher nicht zugängliche Bereiche
der Wasserkraftanlage blicken. Diese wurde stillgelegt, nachdem der
Förderverein Freudenthaler Sensenhammer im November 2009 sein
Wasserrecht an die Bezirksregierung Köln zurückgab. Der
Wupperverband verlegte die Dhünn im Februar 2010 um das Stauwehr
herum und gestaltete ein naturnahes Bachbett.
In Leichlingen präsentierten Wicze Braun und Wolfgang Brudes die alte
Spinnerei sowie ein Open-Air-Konzert mit Querflöte und Geige im
Naturmuseum „SinnesWald“. Ehe der frühere Leichlinger
Tuchfabrikant und Bürgermeister Pilgram im Jahr 1855 eine größere
Fabrik aus Ziegelsteinen im Murbachtal errichten ließ und diese als
Woll-Spinnerei nutzte, stand dort eine Wassermühle aus Bruchstein.
Deren Ursprung reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Im Laufe der
Jahrhunderte wurde die Wasserkraft des Murbachs zum Antrieb der
Maschinen einer Harnischpoliererei, Schaalenschneiderei und
Drahtzieherei genutzt. 1916 kaufte der Solinger Unternehmer Witte das
Gelände und produzierte dort Prothesen für die Versehrten des Ersten
Weltkrieges. Überliefert ist, dass 1923 dort auch das Not-Geld für
Leichlingen gedruckt wurde. 1956 erwarben die Eltern von Wicze Braun
als Flüchtlinge aus Ostpreußen die damalige
„Nebenerwerbsstelle“. Nach dem Tod der Eltern 1986 übernahmen
Wicze Braun und Wolfgang Brudes das Anwesen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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