Füttern und Windeln wechseln
Schüler üben, für ein Kind zu sorgen
Leichlingen - Zwei mehr oder weniger durchwachte Nächte haben die jungen
„Eltern" bereits hinter sich. „Georg hat in der ersten Nacht
zehnmal geschrien", erzählt Marvin (14) blass, müde und
übernächtigt. Anscheinend haben die 15-jährigen Schülerinnen Anna
und Lilly durch Zufall ein pflegeleichtes Baby bekommen. Denn „Alia"
hat sich nachts nur drei Mal gemeldet.
Zum Glück für Marvin, Anna, Lilly und ihre Klassenkameraden sind
Georg, Alia und die anderen „Babys" nicht echt, sondern nur
Simulationspuppen. Nach einer dritten Nacht dürfen alle ihren
„Nachwuchs" wieder abgeben. Dazu sagte Lilly: „Ich freue mich,
wenn die Nächte wieder ruhiger werden, aber ich bin traurig, wenn ich
das Baby wieder abgeben muss." Anna kommentierte zum Abschluss der
„Elternzeit": „Kinder ja, aber erst später. Ich weiß jetzt, dass
ich vorerst zu jung bin für ein eigenes Baby. Es ist doch eine große
Verantwortung."
Genau darum geht es: Die sechs Schülerinnen – und zuletzt auch zwei
Schüler – der Hauptschule Leichlingen waren quasi Eltern auf Probe.
Indem sie für mehrere Tage und Nächte den Alltag mit einem eigenen
„Baby" auf Probe erlebten, sollte ihnen vor Augen geführt werden,
dass es nicht einfach nur damit getan ist, ein Kind in die Welt zu
setzen. Es bedarf neben großer Verantwortung auch sehr viel mehr.
Wieviel schwieriger es in der Praxis sei, ein Kind zu haben, sei ihm
jetzt erst klar geworden, sagte Boran (16).
Die sechs Simulationspuppen – vom Jugendamt der Stadt Leichlingen
zur Verfügung gestellt – können fast alles, was echte Säuglinge
auch können: Quengeln, schreien und in die Windel machen. Das Kleine
will gefüttert oder gewickelt werden und muss aufstoßen.
Und wenn es nicht genug Aufmerksamkeit erhält, dann schreit es
tatsächlich so lange, bis es auf den Arm darf. Es reagiert mit
Schreien auf grobe Behandlung, falsche Lage, fehlende
Kopfunterstützung sowie falsche oder fehlende Versorgung. Ein
Computerprogramm in der 53 Zentimeter großen und etwa 3.500 Gramm
schweren Puppe macht es möglich.
„Wir haben hier keine überdurchschnittlichen Quoten an
minderjährigen Schwangeren", informierte Gudrun Bormacher,
Mitarbeiterin der Stadt Leichlingen, über das sechste und letzte
Projekt zwischen Hauptschule (ehe sie aufgelöst wird) und dem
Fachbereich Prävention des Diakonischen Werkes. „In Leichlingen ist
die Welt noch in Ordnung", ergänzte sie. Es gehe vor allem um
Lebensplanung.
Im Rahmen des Wahlpflichtkurses „Kinder – Kinder" lernten die
jungen Teilnehmer alles Wichtige rund um Verhütung, Schwangerschaft,
Geburt und Kindererziehung. Zur Aufklärung gehörte auch ein Film,
der Antwort auf die Frage gab, was ein Baby im ersten Jahr kostet.
„Alles in allem sind das rund 4.000 Euro", errechnete Lehrerin und
Projektleiterin Bettina Broermann-Fiss.
- Gabi Knops-Feiler
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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