Rückblick
„Die künftige Bundesregierung muss Wirtschaft wieder wagen“
Leverkusen - Zum Jahresbeginn blickt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes
der Metall- und Elektroindustrie Rhein-Wupper und der
Unternehmerschaft Rhein-Wupper, Rechtsanwalt Andreas Tressin, auf das
Jahr 2016 zurück und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr:
Eine relativ stabile Gesamtentwicklung sieht der Geschäftsführer der
Unternehmerverbände Rhein-Wupper 2016 für die rund 200
Mitgliedsunternehmen. Insgesamt hätten die Auftragseingänge 2016
eine positive Entwicklung genommen. Der Arbeitsmarkt habe sich stabil
gehalten, die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hätten
teilweise sogar noch einmal zugenommen und auch die Ausbildungsstellen
würden zunehmen.
Die Unternehmen seien innovativ und leistungsstark und würden
qualifizierte Fachkräfte ausbilden. Leider träten aber über zehn
Prozent der Unternehmen vor allem aus dem Industriebereich mit
schlechten Erträgen auf dem Fleck. „Es bleibt bei einigen
Unternehmen einfach unterm Strich zu wenig Geld übrig“, zeigt sich
der Geschäftsführer besorgt, „Geld, was für Investitionen
fehlt.“
„Bei aller Unsicherheit auf den Weltmärkten scheint unsere
Wirtschaft wie ein unverwüstlicher Fels in der Brandung zu stehen.
Dabei wissen kundige Beobachter“, so Tressin, „dass die
beschriebene Stärke nach wie vor nur zum Teil geliehen ist: Ein nach
wie vor niedriger Eurokurs und Niedrigzinsen sowie noch moderate Öl-
und Rohstoffpreise sind der eigentliche Turbo für eine vor allem
exportierende Wirtschaft. Erarbeitet haben wir die vorbezeichneten
Wettbewerbsvorteile jedenfalls nicht“, stellt Tressin nüchtern
fest.
Für 2017 herrsche eine starke Verunsicherung durch die globalen
politischen und ökonomischen Entwicklungen, die der Wirtschaft
zusetzen. Das IW Köln erwarte daher, dass das Bruttoinlandsprodukt
2017 real nur noch um gut ein Prozent wachsen werde – nach
eindreiviertel Prozent im laufenden Jahr. Zwar gingen knapp 40 Prozent
der Unternehmen von einer steigenden Produktion aus – rund jeder
zweite Betrieb erwarte aber hingegen nur konstante Fertigungszahlen.
„Die Geschäftserwartungen haben sich danach leicht eingetrübt,
echter Aufwind fühlt sich anders an“, so Tressin.
Ein handfestes hausgemachtes Problem komme vor allem für die
Industrieunternehmen hinzu: „Die Arbeitskosten klettern Jahr für
Jahr. Das wäre weniger kritisch, wenn die Arbeitsproduktivität
mindestens ebenso stiege. Doch hier gibt es bereits seit fünf Jahren
praktisch keinen weiteren Fortschritt“, so Tressin. „Anders
gesagt: Die Unternehmen verlieren auf der Kostenseite gefährlich an
Wettbewerbsfähigkeit. Besonders alarmierend ist diese Entwicklung,
weil die weltweite Konkurrenz weiter erstarkt – gerade auch die aus
Fernost. Die Kostenbelastungen führen dazu, dass immer mehr
Unternehmen Wertschöpfung ins Ausland verlagern oder überlegen, dies
künftig zu tun“, so Tressin: Die künftige Bundesregierung müsse
„Wirtschaft wieder wagen“.
„Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel in der
Wirtschaftspolitik“, fordert Tressin. „Die derzeitige
Wohlfühlpolitik und der Verteilungswahn überfordern die Unternehmen.
Jedenfalls kann man den Rucksack der Kostenbelastungen für die
Unternehmen nicht noch voller packen: Die Beispiele aus der
Vergangenheit wie die Einführung des Mindestlohns, das Gesetz zur
Lohngleichheit von Mann und Frau, neue Leistungen in der
Pflegeversicherung, die Erbschaftssteuer, neue Einschränkungen bei
der Zeitarbeit und Werkverträge, die Mütterrente, die Rente mit 63,
verpflichtende Audits, und neue Berichtspflichten haben vor allem eins
gemeinsam: Sie führen sämtlich zu mehr Bürokratie und neuen
Belastungen für die Unternehmen.“
Tressin fordert deshalb eine ambitioniertere Wirtschaftspolitik, die
sich auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit konzentriert. Man müsse
alles tun, um aus eigener Kraft die wirtschaftliche Dynamik zu
verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den
Mittelpunkt der politischen Debatte rücken.
„Bei allen Reformüberlegungen zur Rentenpolitik darf es auf keinen
Fall zu steigenden Lohnnebenkosten kommen, weil Beitragserhöhungen
den Faktor Arbeit noch einmal ver-teuern würden. Die Sozialabgaben
dürfen insgesamt die Marke von 40 Prozent weiterhin nicht
überschreiten. Ein Einhalten dieser Grenze war ein wesentlicher
Faktor des Sanierungsprogrammes für die deutsche Volkswirtschaft.
Jeder Rentenbeitragspunkt kostet mehr als elf Milliarden Euro
jährlich und würde zwangsläufig Arbeitsplätze gefährden. Wenn man
alle derzeit diskutierten Vorschläge zusammennehmen würde, werden
wir bei den Sozialabgaben die Marke von 45 Prozent, wenn nicht sogar
50 Prozent locker überschreiten. Man muss die Politik deshalb jeden
Tag vielmehr dafür sensibilisieren, dass die Höhe des Rentenniveaus
maßgeblich von der Balance von Beitragszahlern und Rentenempfängern
abhängt; und hier liegt noch großes Potenzial“, so Tressin.
„Bei der täglich zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und der
Arbeitswelt brauchen wir darüber hinaus ein modernes
Arbeitszeitgesetz. Die derzeitigen Arbeitszeitregelungen sind für die
digitale Arbeitswelt einfach zu starr. Die vereinbarte
Gesamtarbeitszeit muss flexibler und bedarfsgerechter eingesetzt
werden; dabei darf Arbeit 4.0 keine Einbahnstraße werden, in der
neben den Ansprüchen der Beschäftigten auf selbstbestimmte
Arbeitszeit und ‚Home Office‘ die betrieblichen Realitäten
verkannt werden“, erklärte Tressin. „Auch die Strompreise dürfen
für unseren Standort und die Unternehmen nicht zu einem noch
größeren Nachteil im internationalen Wettbewerb werden“. Tressin
fordert deshalb dringend eine Strompreisbremse durch Streichen der
Stromsteuer und der Deckelung der EEG-Umlage über einen
Streckungsfonds.
Selbstverständlich müssten auch die Tarifvertragsparteien ihren
Beitrag leisten; Tabus dürfe es hier nicht geben, auch und
insbesondere beim Volumen und der Bezahlung der wöchentlichen
Arbeitszeit. Die Unternehmen erwarteten hier viel mehr individuelle
und betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Das würden sich im
Übrigen nicht nur die Unternehmen wünschen, sondern auch die
Mitarbeiter. Die Reise müsse deshalb insgesamt zu mehr Flexibilität
gehen, ohne dass die Produktion leide. „Betriebe und Beschäftigte
können damit sehr wohl auf der Gewinnerseite bleiben – wenn man sie
nur lässt“, so Tressin.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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