Belastungsgrenze ist erreicht
Im Haus Rheinpark protestierten Bewohner

Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Mitarbeitende vom Wiesdorfer „Haus Rheindorf“  protestierten gegen das geänderte Infektionsschutzgesetz.   | Foto: Cerstin Tschirner/Kplus Gruppe.
  • Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Mitarbeitende vom Wiesdorfer „Haus Rheindorf“ protestierten gegen das geänderte Infektionsschutzgesetz.
  • Foto: Cerstin Tschirner/Kplus Gruppe.

Leverkusen. Ann Corinna Moldenhauer ist überwältigt. Und auch ein bisschen stolz auf ihre Angehörigen. Über 80 Bewohnerinnen und Bewohner sind mit ihren Angehörigen dem Aufruf der Pflegedienstleiterin im Haus Rheinpark gefolgt. Auch die Mitarbeitenden bleiben länger: In der Wiesdorfer Senioreneinrichtung findet der Besuch am Aktionstag nicht in den Zimmern statt, sondern draußen. Aus Protest. Dazu hatte der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) aufgerufen. Für Ann Corinna Moldenhauer keine Frage: „Da machen wir mit!“

Hintergrund: An diesem Tag stimmte der Bundestag über das geänderte Infektionsschutzgesetz ab. Einrichtungen der Langzeitpflege, Senioreneinrichtungen wie das Haus Rheinpark, müssen weiterhin zeitintensive Maßnahmen zum Infektionsschutz – unter anderem Einlass- und Zertifikatskontrollen inklusive Dokumentation, das Angebot von Testzeiten – durchführen. Gleichzeitig ist die Refinanzierung in Teilen ausgelaufen. Die Kosten für zusätzliche Mitarbeitende, die diese Aufgaben übernehmen, werden nicht mehr erstattet.

„Die Pflege schafft das nicht mehr“, sagt Gabriele Fuks. „Sie braucht Unterstützung wie damals von der Bundeswehr. Das fand ich gut“, ergänzt ihre Schwester Martina Ricken. Die beiden besuchen ihren Vater so oft es geht in Wiesdorf. Zuvor hatte auch ihre Mutter fünf Jahre bis zu ihrem Tod im Frühjahr im Haus Rheinpark gelebt. Auch Detlev Wolter ist mit seiner Schwester Martina Gärtner dem Aufruf gefolgt. Der Besuch von Mutter Franziska findet heute unter freiem Himmel statt. „Die ständigen kurzfristigen Regeländerungen sind einfach nicht nachzuvollziehen“, sagt Detlev Wolter. Wie fast alle Angehörigen lassen sich auch die Geschwister in offiziellen Testzentren testen, entlasten so die Pflegekräfte, die sonst die Abstriche durchführen müssten wie es die Landesverordnung fordert. „Aber was ist, wenn es die Testzentren nicht mehr gibt oder auch die Befreiung von der Zuzahlung ausläuft“, fragt Gabriele Fuks. Schon einige Male wurden die Bestätigungen, dass der Test wegen eines Besuchs im Altenheim erforderlich sei, schon nicht akzeptiert. Da habe sie selbst gezahlt. „Ich wollte ja zu meinem Vater.“

Wie das alles zukünftig laufen wird, kann Ann Corinna Moldenhauer jetzt noch nicht beantworten. Man müsse auf das

Gesetz und die Ausführungsbestimmungen warten. Wie so oft. „In der Vergangenheit kamen die oft erst Freitagnachmittag oder Samstag bei uns an und mussten sofort umgesetzt werden“, erinnert sie sich. Das sei schon sehr sportlich gewesen und habe meist auch wieder Mehraufwand für die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege und Betreuung bedeutet.

Die Pandemie spielt in weiten Teilen der Gesellschaft keine Rolle mehr. „Man spricht noch ein wenig über die Situation in den Kliniken, aber wir Senioreinrichtungen sind komplett aus dem Fokus geraten“, sagt Ann Corinna Moldenhauer. Dabei könne der notwendige Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner doch nicht allein an den Einrichtungen hängen bleiben. Birgit Alderath, die ebenfalls eine Bewohnerin besucht, ergänzt: „Wir sollten uns als Solidargemeinschaft verstehen.“ Und die schließt die Schwächeren mit ein. „Und das kann aber nicht allein auf die Heime abgeschoben werden.“

Der VKAD, der zu der Aktion „Besuch vor der Tür“ aufgerufen hat, fordert daher die Refinanzierung von Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen, die entkoppelt sein muss von der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, einheitliche Vorgeben für Besuche in den Einrichtungen der Langzeitpflege und eine gesamtgesellschaftlich und politisch geförderte Solidarität gegenüber besonders gefährdeten Gruppen.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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