Auf den Tisch statt in die Tonne
Das Büdchen „Casablanca“ rettet Lebensmittel
Sülz - (ha) Krummes Gemüse, Brot vom Vortag, Snacks und Getränke, die
dem Mindesthaltbarkeitsdatums trotzen – das erweiterte Sortiment im
Büdchen „Casablanca“ hält dem Wegwerfwahn von genießbaren
Lebensmitteln ein Ausrufezeichen entgegen. Mittels einer Kooperation
mit der Initiative „The good food“ finden die Besucher des
Veedelspots eine vielfältige Auswahl an Obst, Gemüse und
Getreideprodukten vor, die, trotz Hochwertigkeit, in der Mülltonne
statt auf dem Tisch gelandet wären. Bio-Weine, Ginger-Bier oder
Coldbrew-Kaffee ergänzen ein Inventar, das über die gewohnte
Grundausstattung eines Büdchens hinausgeht.
Hintergrund für die Neuausrichtung der Nachhaltigkeit war der Umbruch
im Jahre 2017: „Ich werde das Büdchen nach der Erkrankung meines
Freundes nicht mehr alleine weiter führen können“, erklärt
Nochbesitzerin Barbara Krings. Ein Stammkunde schlug als Alternative
die Gründung einer Büdchen-Genossenschaft vor. Die Finanzierung, der
Betrieb und die Erträge des Geschäfts wurde damit auf mehrere
Schultern verlagert. Während der Abschluss der genossenschaftlichen
Betriebsform inklusive einer Satzung noch aussteht, konnten durch eine
Crowdfunding-Kampagne über 10.500 Euro generiert werden. Das Geld
floss in den neu gegründeten „Förderverein Kultur und
Nachbarschaft im Büdchen e.V.“ und glich die Verluste des Ladens
aus.
Die Zusammenarbeit mit den Lebensmittelrettern von „The good food“
ergab sich zwangsläufig: „Wir hatten unsere abgelaufene Ware
gespendet. Der Kontakt war somit vorhanden. Wir fanden, dass das
Konzept sehr, sehr gut zu uns passt und bieten seit Ende März dieses
Jahres abgelaufene Waren und Artikel an“, berichtet Krings. Über
die Chance, mittels eines Kiosks nachhaltige Offerten in der
Nachbarschaft zu etablieren, informiert Mitinitiatorin Birthe
Ketelsen: „Die Idee war, sich nicht an einer Gewinnmaximierung zu
orientieren, sondern mit erschwinglichen Artikeln und kulturellen
Veranstaltungen eine Begegnungsstätte zu schaffen, an dem Menschen
unabhängig ihres sozialen Status zusammen kommen, sich austauschen
und schlicht Zeit miteinander verbringen.“
„Ich sehe den Treffpunktaspekt und die zwischenmenschliche
Kommunikation an sich als wesentliche Aufgabe eines Büdchens. Das
sind Aufenthaltsorte, wo man nicht auf die Uhr schaut und sich alle
möglichen Gespräche entwickeln“, sagt Genossenschafts-Ideengeber
Witali Bytschkow. Weiterhin im Angebot bleiben daher auch bewährte
Kunst- und Kulturevents wie Lesungen oder Konzerte, die Künstlern
eine Plattform zum Ausdruck schaffen.
Für den Nachhaltigkeitsimpetus im Haus sorgt unter anderem Naomi
Tatsch. Die „The good food“-Mitarbeiterin wechselt sich
schichtweise mit einer weiteren Ehrenamtlerin ab: „Ich bringe
gerettete Lebensmittel nach dem Motto ‚Zahl, was es dir wert ist‘
an den Mann oder die Frau“, sagt die Kommunikationstrainerin
lachend. Seit Ende 2018 engagiert sich die 25-Jährige für die
Initiative sowie das bedrohte Kiosk. Dafür nimmt sie auch Arbeiten
abseits ihrer Abhol- und Liefertätigkeiten in Kauf: „Wesentlich
sind die täglichen Anfahrten unserer Kooperationspartner in
Großmärkten, bei Bauern oder in Bäckereien. Hier helfe ich aber
auch im Laden an der Kasse aus. Ich mag die Atmosphäre von Büdchen
sehr und komme auch von hier. Daher war es keine Frage, dass ich mich
noch ein bisschen mehr einbringe als normalerweise. Die ehrenamtliche
Arbeit ist für mich einfach eine Herzensangelegenheit“, so Tatsch,
die sich von den Produzenten und Großbetrieben ein größeres
Verantwortungsbewusstsein für die Nutzung abgelaufener Waren oder
Produkten mit Schönheitsfehlern erhofft. „Die zusätzliche Arbeit
an der Ladentheke dient auch der Aufklärung über unsere Anliegen.
Durch die persönlichen Gespräche mit den Kunden können unsere Leute
zu einer Sensibilisierung für die Nachhaltigkeitsidee beitragen“,
berichtet Nicole Klaski, die „The good food“ 2015 gründete. Die
gemeinnützige Unternehmergesellschaft startete mit ersten
Marktständen. Ein erster Kontaktladen erfolgte 2017. Standorte finden
sich in Ehrenfeld auf der Venloerstraße 414, der Innenstadt auf dem
Sudermannplatz 1 sowie in Sülz im Büdchen Casablanca auf der
Sülzburgerstraße 164. Das Team umfasst rund 80 Personen.
Wöchentlich organisieren die Mitarbeiter drei Transporter mit Gemüse
und Obst, vier Lastenräder mit Lebensmitteln sowie annähernd 400
Kilogramm Backwaren. Infos über das Büdchen sowie über die
Lebensmittelretter finden sich im Netz unter
www.facebook.com/buedchencasablanca/
und www.the-good-food.de
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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